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Westliche Hersteller wie Volkswagen greifen die etablierten Marken an

Der indische Automarkt boomt weiter

ggo

2010 wurden in Indien etwa zwei Millionen Pkw verkauft, ein Wachstum von 31 Prozent gegenüber 2009. Dabei gelingt es auch westlichen Marken wie VW und Ford, sich ein gutes Stück des Kuchens zu sichern

Hannover, 8. März 2011 – Am Bhikaji-Cama-Platz kann man den Boom spüren. Rund um das Geschäftsviertel im Süden Neu Delhis reiht sich ein Autohaus an das andere – und die Stimmung hinter den Glasfassaden ist prächtig. Ganze Familien drängen in die engen Verkaufsräume, um vor allem preisgünstige Kleinwagen in Augenschein zu nehmen. "Wir verkaufen hier zwischen 500 und 550 Fahrzeuge im Monat", sagt Händler Punit Sharma vom Marktführer Maruti Suzuki. Nebenan bei General Motors und Ford werden monatlich rund 200 Autos abgesetzt.

Wachstum über Jahre

Die Eindrücke aus den Autohäusern der indischen Hauptstadt und anderswo im Land werden vom Branchenverbandes SIAM bestätigt. 2010 stiegen die Verkaufszahlen bei Personenwagen im Vergleich zum Vorjahr um 31 Prozent auf rund zwei Millionen Fahrzeuge. "Für die kommenden Monate erwarten wir eine weitere Steigerung im Bereich von 14 bis 16 Prozent", sagte SIAM-Sprecherin Rinki Verma. "Gleiches gilt für die nächsten fünf Jahre."

Kleinwagen dominieren

Dominiert wird der indische Markt von Klein- und Kompaktwagen mit einem Anteil von 78 Prozent. Daher ist ein gutes Modellangebot in diesem Segment für die Konzerne der Schlüssel zum Erfolg. Branchenprimus ist seit langem der indisch-japanische Autobauer Maruti Suzuki, der Dank seiner Stärke bei den Kleinwagen und jahrzehntelanger Präsenz im Land noch immer einen Marktanteil von knapp 50 Prozent hält. Hyundai folgt mit knapp 20 Prozent. Auch die Koreaner haben mehrere Kleinwagen in ihrem breiten Sortiment. Dahinter ist ein harter Konkurrenzkampf entbrannt. Immer mehr Hersteller drängen mit Modellen aus dem unteren Preissegment auf dem boomenden Markt. So haben Ford, Renault-Nissan, Toyota und Volkswagen erstmals eigene Kleinwagen ins Rennen um die Gunst der Kunden geschickt. Bei General Motors und Honda wurde das Angebot erweitert. Indiens Fachpresse spricht bereits von einem "Kleinwagen-Krieg", denn die zunehmende Beliebtheit von Ford Figo, Chevrolet Beat oder VW Polo setzt auch die beiden Marktführer unter Druck.

VW auch in Indien stark

So konnte der US-Autoriese Ford mit der Einführung des kleinen Figo im vergangenen März seine Verkaufszahlen fast verdreifachen. Wurden im Jahr 2009 noch 29.488 Autos verkauft, schnellte der Absatz 2010 auf 83.887 Autos in die Höhe – rund 68.000 davon waren Figos. Auch Volkswagen hat durch den Einstieg ins Kleinwagensegment den Absatz in Indien gesteigert. 2010 seien 53.341 Fahrzeuge der Marken Volkswagen Pkw, Audi und Skoda verkauft worden, so der Konzern. Das ist in Plus von 180 Prozent. Verkaufsschlager waren der seit einem Jahr angebotene Polo sowie dessen Stufenheck-Ableger Vento mit mehr als 25.000 verkauften Fahrzeugen. Aber damit gibt sich VW nicht zufrieden. "Im Jahr 2018 werden in Indien jährlich fünf Millionen Personenwagen verkauft werden"", sagt VW-Direktor Neeraj Garg. "Bis dahin wollen wir unseren Marktanteil auf 20 Prozent ausbauen."

Seltener Luxus

Wesentlich kleiner sind die Stückzahlen bei Modellen der Oberklasse. Nach Branchenangaben wurden im letzten Jahr nur etwa 15.000 Luxuskarossen in Indien verkauft. Doch die Wachstumsraten zwischen 70 und 80 Prozent im Vergleich zu 2009 können sich sehen lassen. Dominiert wird das Segment von deutschen Herstellern, die sich Mark faktisch aufteilen. BMW setzte 2010 insgesamt 6246 Autos ab, gefolgt von Mercedes Benz mit 5819 und Audi mit 3000 Fahrzeugen. Für Schlagzeilen sorgte Anfang 2010 eine Massenbestellung von Mercedes-Modellen. Geschäftsleute aus dem westindischen Aurangabad orderten beim Konzern auf einen Schlag 150 Autos im Wert von umgerechnet zehn Millionen Euro, da es in der Industriestadt keinen Händler gab. Mitte Oktober wurde die Autos ausgeliefert – und ein neues Kundenzentrum eingeweiht. Daimler hat seine Lektion gelernt und weitere Niederlassungen in mittelgroßen Städten eröffnet.

Tata berappelt sich wieder

Doch es gibt auch Probleme auf den Wachstumsmarkt. Ausgerechnet das billigste Auto der Welt, der Tata Nano, verkaufte sich im Herbst 2010 äußerst mäßig. Zwischen September und November sank der Absatz von 5500 auf 500 Stück. Tata Motors führte das auf Vertriebs- und Finanzierungsprobleme zurück. Allerdings war es auch zu Bränden in Fahrzeugen gekommen, was in der Branche für Unruhe gesorgt hatte. Inzwischen zieht der Absatz wieder an. Allein im Januar wurden mehr als 6700 Nanos verkauft – Tendenz steigend. Ein Grund dafür könnte Tatas neuer Werbefeldzug sein, der all jene Inder anspricht, für die ein Besuch im Autohaus bislang nur ein ferner Traum war. (dpa)


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