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Der neue Renault Kadjar im Fahrbericht

Wiedervorlage

Fahrberichte Michael Specht/mid
Renault

Der Boom der vergangenen Jahre hat zu einer nahezu lückenlosen Besetzung des SUV-Segments geführt. Renault versucht daher erst gar nicht, ein Auto dieser Klasse gänzlich neu zu erfinden. Doch der Kadjar hat trotzdem gute Chancen auf einen Erfolg, wie eine erste Proberunde zeigt

Saragossa, (Spanien), 29. Mai 2015 – Der Boom der vergangenen Jahre hat zu einer nahezu lückenlosen Besetzung des SUV-Segments geführt. Renault versucht daher erst gar nicht, ein Auto dieser Klasse gänzlich neu zu erfinden. Doch der Kadjar hat trotzdem gute Chancen auf einen Erfolg, denn die wichtigsten Zutaten dafür bringt er mit. Wir konnten uns schon einen ersten Eindruck verschaffen.

Der Kadjar liegt mit seinen 4,45 Metern Länge genau zwischen einem Renault Scénic und Mégane Kombi. Weil er fast genauso niedrig ist wie der deutlich kleinere Captur, kann man dem Kadjar durchaus eine gewisse Sportlichkeit bescheinigen – zumindest optisch. Die gedrungene Linie geht nicht zu Lasten der Insassen. Vorne wie hinten gibt es nichts zu mäkeln, Kopf- und Beinfreiheit sind mehr als ausreichend. Auch beim Kofferraum zeigt der Kadjar Nehmerqualitäten. Ist der variable Ladeboden in der oberen Raste, können Getränkekisten und Ähnliches bequem hineingeschoben werden. Lediglich die Rücksitzlehnen fallen nicht ganz in die Waagerechte. Renaults neues SUV schluckt bis zu 1478 Liter Gepäck, als Fünfsitzer sind es immerhin noch 472 Liter. Nur mal zum Vergleich: Das ist nur geringfügig weniger als in das T-Modell der aktuellen Mercedes C-Klasse [1] passt, die allerdings auch 25 cm länger ist. Bei nach vorne umgelegter Beifahrer-Sitzlehne passen sogar Gegenstände bis zu 2,56 Meter Länge hinein – da muss so mancher Kombi passen.

Ohne Zeiger

„Au revoir“ heißt es für die klassischen Rundinstrumente im Cockpit. Einzug hält ein TFT-Display, das umschaltbar ist. Vier Designs und fünf Farben stehen zur Auswahl, je nach dem, ob der Fahrer lieber dem Tacho oder dem Drehzahlmesser den Vorzug geben möchte oder eine rote, blaue oder grüne Beleuchtung bevorzugt. Die Anordnung erinnert entfernt an jene, die auch Volvo verwendet. Die Ablesbarkeit ist in jedem Fall einwandfrei. Gut gelungen ist die einfache Verbindung mit dem Smartphone, die allerdings erst ab der zweiten von vier Ausstattungslinien (Experience) enthalten ist.

Gewöhnungsbedürftig beim Kadjar sind die hohen vorderen Kotflügel, besonders in jenem Bereich, in dem sie in den Windschutzscheiben-Rahmen (A-Säule) überlaufen. Gegenstände wie Poller, hohe Kantsteine oder Begrenzungspfähle können so leicht mal in einer Rangiersituation übersehen werden. Für das Basismodell gibt es keine Einparksensoren, ein Parkassistent ist nur für die Ausstattungslinie „Bose Edition “ zu haben.

Laufruhiger Benziner

Zum Marktstart am 21. Juni hat der Kadjar-Kunde zunächst die Wahl unter drei Motorisierungen: ein 1,2-Liter-Benziner mit 130 PS, ein 1,5-Liter-Diesel mit 110 PS und ein 1,6-Liter-Diesel mit 130 PS. Sie alle sind schon aus anderen Renault-Modellen bekannt und verrichten dort ihren Dienst recht anständig. Das tun sie auch im neuen SUV. Schon der kleine Benziner hinterlässt einen agilen Eindruck. Sein maximales Drehmoment von 205 Nm liegt bei 2000/min an. Er läuft ruhig, dreht geschmeidig hoch, das manuelle Sechsgang-Getriebe ist geschickt abgestuft. Im NEFZ ist er je nach Ausstattung mit 5,6 bis 5,8 Litern angegeben.

Automatik oder Allrad: Nur mit Dieselmotor

Die Diesel sind im Vergleich allerdings elastischer und natürlich auch sparsamer. Besonders der 1,6-Liter-dCi gefällt durch leisen Lauf und kräftigen Durchzug schon bei niedrigen Drehzahlen. Allerdings kostet er 1700 Euro mehr als der kleine Diesel. Dafür beschleunigt die Version mit 130 PS knapp zwei Sekunden schneller aus dem Stand auf Tempo 100. Der Unterschied in der Höchstgeschwindigkeit ist mit 182 zu 190 km/h gering. Renault gibt für die 110-PS-Version im NEFZ 3,8 Liter an, der größere Motor soll 4,3 Liter brauchen. Nachprüfen konnten wir das auf unserer kurzen Probefahrt nicht.

Nur der kleine Diesel kann alternativ auch mit einem Doppelkupplungsgetriebe bestellt werden, der große als einziger Kadjar auch mit Allradantrieb. Renault könnte bei Bedarf hier sicher schnell nachlegen, gleiches dürfte für stärkere Motoren gelten.

Überzeugen soll der Kadjar auch mit Fahrerassistenz-Systemen. Je nach Ausstattungslinie stehen unter anderem die automatische Spurhaltung, City-Notbremsfunktion, Parkpilot, Verkehrszeichen-Erkennung und der Fernlicht-Assistent in der Preisliste. Was fehlt, ist ein Abstandsradar und die Möglichkeit, wenigstens ein paar Assistenten auch für die billigste Version ordern zu können.

Knapp kalkuliert

Die Basisausstattung „Life“ bringt mit manueller Klimaanlage, Tempomat und Radio die wichtigsten Dinge serienmäßig mit. Leider lässt sie sich nicht weiter aufpäppeln und ist auch nur in Verbindung mit dem Benziner zu bekommen. Der Preis ist mit 19.990 Euro fair gestaltet. Trotz des hohen Aufpreises von 3700 Euro raten wir zur zweiten Ausstattung „Experience“, die dann unter anderem auch Alufelgen, Klimaautomatik, Soundsystem von Arkamys und Lederlenkrad mitbringt. Ab dieser Linie lassen sich die meisten Extras ordern, die beiden teureren Ausstattungen „Xmod“ und „Bose Edition“ bauen darauf auf.

Wie knapp die Preise des Renault kalkuliert sind, verrät nicht zuletzt ein Blick auf die Konkurrenz: Ein VW Tiguan [2] mit einem 125-PS-Benziner ist erst ab 25.625 Euro zu haben, der günstigste Diesel kostet schon 27.050 Euro. Das unterbietet Renault mit dem gleichstarken Kadjar-Diesel um fast 2000 Euro. Er ist auch billiger als der Nissan Qashqai, wenn auch nur ein paar hundert Euro. Da sich der Franzose auch sonst kaum eine Blöße gibt, dürfte er kaum Schwierigkeiten haben, sich seinen Anteil in dieser Klasse zu sichern.

Kosten für Anreise, Verpflegung und Probefahrt wurden vom Hersteller übernommen.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-Reisefuehrer-2594449.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/VW-Tiguan-bekommt-neue-Motoren-und-Radios-2668913.html