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Soundgeneratoren sorgen dafür, dass Elektroautos nicht überhört werden

Elektroautos sollen lauter werden

Technik ggo

Elektro- und Hybridfahrzeuge sind bei geringer Geschwindigkeit so leise, dass mit elektronischen Mitteln nachgeholfen werden muss – zum Beispiel mit "Sound­ge­ne­ratoren", wie sie nun der Zulieferer Delphi anbietet

Wuppertal, 17. Februar 2011 – Bei Elektroautos fallen Motorgeräusche weitgehend weg. Zwar tragen auch Reifengeräusche dazu bei, dass man ein Auto herannahen hört, doch bei niedrigen Geschwindigkeiten reicht das unter Umständen nicht. Zudem bieten Elektromotoren den Automobilherstellern kaum Möglichkeiten, sich klanglich von der Konkurrenz abzusetzen.

E-Mobile sind zu leise

Vor allem der flüsterleise Betrieb von Elektromotoren bereitet Sorgen. So forderte zum Beispiel der deutsche Blindenverband im Januar ein Mindestgeräusch für Elektro- und Hybridautos. Und vor zwei Monaten verabschiedete [1] der US-Kongress ein Gesetz, nach dem auch geräuscharme Elektro- und Hybridautos im Straßenverkehr deutlich zu hören sein müssen. Soundgeneratoren für Elektroautos könnten somit mittelfristig zu einem Massenprodukt wie Autobatterien oder Reifen werden.

Kompakte Piezo-Lautsprecher

Der Zulieferer Delphi bietet den Automobilherstellern nun zwei dieser Soundgeneratoren an – mit Piezo-Lautsprecher (ferroelektrischer Lautsprecher) oder mit einem "klassischen" elektrodynamischen Lautsprecher. Ersterer ist laut Delphi besonders leicht und benötigt sehr wenig Energie. Das Produkt ist in ein einziges Modul integriert, was die Kosten senken und Vertrieb sowie Einbau erleichtern soll. Die "Piezos" kennt man normalerweise aus Anwendungen wie Mobiltelefonen, bei den nur wenig Platz zur Verfügung steht. Trotz der sehr kompakten Bausweise verspricht Delphi einen Frequenzumfang von immerhin 500 Hz bis 10 kHz. Ein blubbernder Bigblock-Sound wird sich damit nicht erreichen lassen, doch für die klangliche Markenidentität soll es laut Delphi reichen.

Dynamische Systeme für mehr Tiefgang

Für Fälle, bei denen eine höhere Klangqualität gefordert ist, ist ein elektrodynamisches System vorgesehen, das den Frequenzbereich nach unten auf 150 Hz erweitert. Die verwendeten Neodym-Magnete sparen Gewicht und sorgen für eine kompakte Bauform. Auch im Autohifi-Bereich werden diese Magnete seit vielen Jahren eingesetzt, weil zum Beispiel der verfügbare Bauraum für Lautsprecher in den Türen klein ist.

Flexibles Sound-System

Beide Varianten des Soundgenerators sind darauf ausgelegt, klaglos unter wechselnden klimatischen Bedingungen oder in Motornähe zu arbeiten. Die dazugehörige Elektronik besteht aus einem 32-Bit-Prozessor mit Flashspeicher, einer Verbindung zum Datenbus des Fahrzeugs und einem Class-D-Verstärker. Diese Kombination erlaubt es, unterschiedlichste Klangbilder zu erzeugen und die akustischen Unregelmäßigkeiten auszubügeln, die speziell bei der ferroelektrischen Variante nicht zu vermeiden sind.

Die Anbindung an die Fahrzeugelektronik soll es zudem möglich machen, mit dem Soundgenerator unter Umständen mehrere Funktionen gleichzeitig zu erfüllen. Denn einige Außengeräuschfunktionen gibt es ja bereits heute: den "Parkpiepser" zum Beispiel oder natürlich die Hupe. Diese Klänge lassen sich mit einem Soundgenerator problemlos nachbilden.

Von V8 bis Warp-Sound

Wie die gesetzlichen Vorgaben für die Geräusche eines Elektroautos in einzelnen aussehen, ist noch in der Diskussion. Einige Hersteller sind allerdings schon mit eigenen Lösungen vorgeprescht: Zu den effektvollsten gehört sicherlich eine Lösung von Brabus [2], die dem Tesla Roadster einen "echten" Motorklang verpasst hat, alternativ lässt sich ein Warp- oder Beam-Sound wählen, der eher der Kategorie Raumschiff entlehnt ist. Sicherheit für andere Verkehrsteilnehmer steht hier allerdings nicht im Vordergrund.

Der japanische Hersteller Infiniti bietet für sein Hybridmodell M23h dagegen ein völlig ernst gemeintes Fußgänger-Warnsystem [3] an, das sich allerdings nicht an schönem Motorenklang orientiert, sondern einen Sinuston wiedergibt, der gut hörbar sein soll, ohne aber zu nerven. Auch Toyota bietet für den Prius [4] ein Nachrüstsystem an, setzt dabei aber auf ein synthetisches Motorengeräusch. Über ein ähnliches System von Lotus [5] berichtete heise Autos 2008.

Regeln gesucht

Schon heute allerdings spricht einiges dafür, dass originellen Ideen wie jener von Brabus zukünftig Grenzen auferlegt werden. Um eine weltweite Harmonisierung zu erreichen, hat sich zum Beispiel in der UNECE Working Party on Noise [6] eine informelle Gruppe (QRTV) gebildet, die Empfehlungen für allgemeingültige Regeln entwickelt – diese sollen bis Februar 2012 vorgelegt werden. Die naheliegende Vorstellung, dass zum Beispiel ein Autobesitzer selber "Sound Design" betreiben kann, wird wohl ein Traum bleiben, wie Stephan Schaffitz sagt, der als Innovationsmanager für den Technologiebereich Kfz-Elektronik bei Delphi arbeitet: "Sicher ist, dass in den USA eine Veränderung des Geräusches durch den Fahrzeughalter nicht zulässig sein wird."

Wie muss es klingen?

Was überhaupt ein sinnvoller Elektroauto-Sound ist, war bereits Gegenstand verschiedener Studien, die zum Beispiel die Universität Nagasaki, das japanische MLIT [7] oder die National Federation of the Blind [8] in den USA durchgeführt haben. In Japan, sagt Schaffitz, werden zum Beispiel Geräusche abgelehnt, die nicht mit einem Fahrzeug in Verbindung gebracht werden können – etwa Alarme, Sirenen, Melodien, Tier- und Naturgeräusche. Und wie steht es mit der Nachbildung gewohnter Motorengeräusche? Sie hätten natürlich den Vorteil, dass ein Fahrzeug leicht als solches erkannt wird, zumal über einen längeren Zeitraum verschiedene Antriebskonzepte koexistieren werden. Dennoch wird man bei Elektrofahrzeugen laut Schaffitz langfristig wohl keine Motorengeräusche im herkömmlichen Sinne einsetzen. Wichtig sei es, ein Geräusch klar lokalisieren zu können und die Bewegung akustisch interpretieren zu können – ob sich also ein Auto entfernt oder nähert und mit welcher Geschwindigkeit es fährt. Andererseits dürfe das Geräusch nicht als Lärm empfunden werden.

Gut möglich, dass Toyota mit seinem heutigen Soundgenerator im Prius [9] gar nicht so falsch liegt. Das System orientiert sich in seinem Frequenzumfang an einem gewohnten Motorengeräusch, ohne dieses aber einfach nachzumachen. Ohnehin stellt sich die Frage, inwieweit der schöne Klang eines Verbrennungsmotors nicht auch deswegen schön erscheint, weil wir es einfach nicht anders kennen. Zu hoffen ist nur, dass Normen und gesetzliche Regeln wenigstens etwas Spielraum für einen "Markenklang" lassen.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/US-Kongress-verordnet-Elektroautos-ein-Fahrgeraeusch-1155905.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Brabus-bringt-den-Tesla-Roadster-zum-Klingen-467145.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Infiniti-M35h-Hybrid-mit-Fussgaenger-Warnsystem-1140103.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Toyota-kuenstliches-Motorgeraeusch-fuer-Elektroautos-1067863.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Lotus-forscht-an-kuenstlichem-Motorgeraeusch-fuer-E-Mobile-428280.html
[6] http://www.unece.org/trans/main/wp29/meeting_docs_grb.html
[7] http://www.mlit.go.jp/index_e.html
[8] http://www.nfb.org/nfb/Default.asp
[9] http://www2.toyota.co.jp/jp/news/10/08/image/pri_souti_1008_03.asx