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Sieben Azubi-Teams fahren mit selbst umgerüsteten Brennstoffzellen-Karts um die Wette

Erstes Rennen mit Brennstoffzellen-Karts in Deutschland

Georg Immich

Zu Füßen des mächtigen Förderturms der ehemaligen Zeche Ewald in Herten fand am vergangenen Samstag das erste Rennen mit auf Wasserstoffantrieb umgebauten Karts in Deutschland statt

Herten, 19. Juli 2011 – Zu Füßen des mächtigen Förderturms der ehemaligen Zeche Ewald in Herten fand am vergangenen Samstag das erste Rennen mit auf Brennstoffzellenantrieb umgebauten Karts in Deutschland statt. Die Teams bestanden hauptsächlich aus angehenden Mechatronikern und Anlagenbauern. Unter der Aufsicht ihrer Meister und Ausbildungsleiter sowie eines Sicherheitsingenieurs des TÜV-Nord hatten sie in mehrmonatiger Arbeit jeweils ein handelsübliches Elektro-Kart mit Wasserstoffflasche und Brennstoffzelle ausgerüstet. Nach mehreren Rennen und Wertungsprüfungen trugen die Azubis der Ruhrkohle AG von der Zeche Auguste Victoria in Marl den Gesamtsieg davon, gefolgt von den Lehrlingen der Stadtwerke Düsseldorf auf dem zweiten Platz. Zwar gab es den ein oder anderen Fahrerfehler und auch eine kräftige Kollision mit der Plastikbande, es kam aber zu keinen größeren Aus- oder Unfällen. So wurde gezeigt, wie sicher dank moderner Technik der Einsatz von Wasserstoff geworden ist.

Informationssport

Die Ausrichter des Rennens, das h2-netzwerk-ruhr e.V. [1] und die Emschergenossenschaft [2], wollten mit der Veranstaltung eine breitere Öffentlichkeit über den Stand der Wasserstofftechnik und ihre potenziellen Möglichkeiten informieren. Dazu stellten sie ihre eigenen Projekte und die von Mitgliedern des Netzwerks an Infoständen und in Form von Fahrzeugbeispielen vor. Außer den Hochschulen aus Duisburg, Essen und Gelsenkirchen waren zudem Firmen wie Air Liquide, Linde und Masterflex vertreten. Die Besucher konnten auch eine Testfahrt in einem aktuellen HydroGen4 [3] von Opel/General Motors machen, einem von 100 Exemplaren, die sich zurzeit in der Erprobung befinden. Mit der neuesten Technik erreichen Wasserstoffautos schon heute Reichweiten von 400-600 Kilometern, also deutlich mehr als die 120-150 Kilometer bei aktuellen reinen Elektromobilen. Allerdings gibt es derzeit nur sieben öffentlich zugängliche Wasserstoff-Tankstellen in ganz Deutschland. Linde und Daimler wollen in einer gemeinsamen Initiative weitere Tankstellen [4] errichten, aber auch dann ist man noch weit von einer flächendeckenden, verbrauchernahen Versorgung entfernt.

Mit den Wasserstoff-Kartrennen will man beim h2-netzwerk-ruhr nicht nur die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren, sondern auch die Fachleute in der Versorgungsbranche. Denn auch dort ist die Brennstoffzelle noch vielfach eine große Unbekannte. So nahm die Energieversorgung Oberhausen mit einem Team von fünf Auszubildenden der Bereiche Mechatronik und Elektronik für Betriebstechniker an dem Rennen teil, damit sich der Horizont ihrer zukünftigen Mitarbeiter erweitert, wie Ausbildungsleiter Uwe Püttmann erklärte. „Sinn und Zweck unserer Beteiligung an dem Wettbewerb war es, den Auszubildenden Wasserstofftechnik und die Brennstoffzelle näher zu bringen, da die regenerativen Energien im Bereich der Energieversorgung ein immer wichtigeres Thema werden, aber noch nicht im Ausbildungsrahmenplan verankert sind.“

Gleiche Technik für alle

Die Vorgaben der Veranstalter für die Renntechnik waren strikt, so dass allen sieben Azubi-Teams die gleiche Technik zur Verfügung stand. Die Grundlage bildeten ein Elektro-Kart von Rimo, eine 1,2-kW-Brennstoffzelle von Heliocentris und 5-Liter-Druckgaszylinder, gesponsert von Air Liquide. Diese Wasserstoffflaschen arbeiten mit einem Druck von 200 bar, die ein Druckminderer auf die von der Brennstoffzelle je nach Einstellung benötigten 5-12 bar herunterregelt. Standardmäßig waren bei allen Karts 16 3-Volt-Batterien verbaut, was eine Betriebsspannung für die Elektromotoren von 48 Volt ergibt. Da die Brennstoffzelle nur 24 Volt Gleichstrom liefert, musste ihr Strom noch per Spannungswandler hoch reguliert werden. Für die Umwandlung des Stroms in Bewegungsenergie sorgten zwei 48-Volt-AC-Permanentmagnet-Synchronmotoren (Scheibenläufermotoren) mit jeweils 2,8 kW Nennleistung. Rein theoretisch sollen diese Motoren zu einer Spitzengeschwindigkeit von 52 km/h verhelfen. Das Team der Emschergenossenschaft konnte bei eigenen Radarmessungen auf ihrem Werksgelände allerdings nur 37 km/h erreichen.

Auslegungssache

Da die einzelnen Komponenten der Rennwagen für alle Teilnehmer gleich waren, bestand die Herausforderung darin, eine gute Gewichtsverteilung, Aeordynamik und Ausfallsicherheit zu erzielen. Beim Qualifying waren dann die meisten Teams sehr nahe beieinander, nur die Stadtwerke Düsseldorf konnten einen Vorsprung von mehreren Sekunden herausholen und das erste Rennen für sich entscheiden. Stefan Broel, Elektroniker für Betriebstechnik im 2. Lehrjahr bei den Stadtwerken Düsseldorf, spielt den technischen Aspekt dabei herunter. „Wir nutzen das gleiche Material wie alle anderen, aber unser Fahrer hat jahrelange Rennerfahrung in normalen Karts. Das ist wahrscheinlich das entscheidende.“ Trotzdem belegten die Stadtwerke Düsseldorf nur den 2. Platz in der Gesamtwertung, weil sie sich im 2. Lauf mit umgekehrter Rennaufstellung und im Reichweiten-Rennen nicht ausreichen weit vorne platzieren konnten. Beide Rennen wurden vom ganz in schwarz gestylten Kart der Ruhrkohle AG gewonnen, die auch den Gesamtsieg davontrug.

Gesteuert wurde der RAG-Siegerwagen abwechselnd von der Auszubildenden zur Industriekauffrau Dominique Domin (eine von zwei Fahrerinnen im Gesamtfeld) und dem Mechatronik-Lehrling Dennis Purfürst. Für ihn war dieses Projekt „eine deutliche Herausforderung, weil es um eine neue Technologie handelt.“ Dies führte zu einem hohen Ersatzteilbedarf. „Viele Bauteile des Karts waren schnell defekt, vielleicht weil sie zu großen Teilen aus dem asiatischen Raum kommen,“ mutmaßt Purfürst. Aufgrund ihrer Erfahrung von Starts bei der Westdeutschen Kartmeisterschaft und beim ADAC-Cup legte Dominique Domin mit ihrem Sieg im 2. Rennen den Grundstein für den Gesamterfolg. Danach verwies sie auf den Einsatz des gesamten Teams. „Wir Azubis sind noch jeweils nach der Berufschule und am Wochenende zusammengekommen und haben an dem Kart gearbeitet. Wir haben viel Zeit, Schweiß und Nerven in das Fahrzeug gesteckt.“ Und so wurde der Sieg vom ganzen Team lautstark bejubelt. Auch der Veranstalter war mit dem durchgehend sonnigen Wetter, der Medienresonanz und den geschätzten 1500 Besuchern sehr zufrieden. Man kann sich ein ähnliches Event durchaus wieder vorstellen, dann vielleicht mit Brennstoffzellen von verschiedenen Herstellern oder auch mit internationaler Konkurrenz.


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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.h2-netzwerk-ruhr.de/
[2] http://www.eglv.de/emschergenossenschaft.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Probefahrt-im-Brennstoffzellenfahrzeug-GM-HydroGen4-468498.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Zahl-der-Wasserstoff-Tankstellen-soll-sich-bis-Ende-2011-verdoppeln-738657.html