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Außer der Reihe

Fahrbericht: Honda Civic

Fahrberichte press-inform - Wolfgang Gomoll
Honda Civic

Honda bleibt hart: Auch der zehnte Civic ist ein Fall für Menschen, die Ungewöhnliches mögen. Der Civic entwächst der Kompaktklasse, bleibt ihr aber in vielerlei Hinsicht verbunden. Eine Probefahrt mit dem neuen Dreizylinder zeigt dies

Irgendwann in den ersten Jahren dieses Jahrtausends muss bei Honda die Entscheidung gefallen sein, den Civic künftig abseits des Massengeschmacks zu gestalten. Nach sieben Generationen, die mal mehr, mal weniger beliebt waren, befanden die Verantwortlichen, war es Zeit für einen Individualisten. Es kam, wie es kommen musste: Die achte Auflage, die 2006 auf den Markt kam, war sehr eigenwillig und unglaublich erfolgreich – freilich nur bei dem Teil der Neuwagenkäufer, die alles, was ansatzweise vertraut scheint, kategorisch ablehnen. Dieser Teil scheint immerhin so groß zu sein, dass Honda beharrlich auf dem eingeschlagenen Weg bleibt. Auch Civic Nummer 10 wird kaum ein Massenschlager werden. Abgesehen davon zeigt sich bei einer ersten Probefahrt, dass Honda an den Schwächen des bisherigen Modells gearbeitet hat.

Lang gemacht

War der Civic in den 1980er-Jahren etwas kürzer als ein VW Golf, hat er diesen in den vergangenen Jahren deutlich hinter sich gelassen. Mit 4,52 m ist der zehnte Civic so lang wie ein VW Touran [1]. In die Kompakt-Klasse gehört er mit diesen Ausmaßen also eigentlich nicht mehr. Und so verwundert es auch nicht, dass für Passagiere und Gepäck mehr Platz als in der Golf-Klasse üblich das ist. Der Kofferraum fasst mit 478 Litern fast soviel wie der eines Mercedes C-Klasse T-Modells [2], das 18 cm länger ist. Allerdings bleibt beim Umlegen der Rückbanklehnen eine Stufe und das Gepäck muss über eine hohe Ladekante gewuchtet werden.

Das Cockpit ist nicht mehr ganz so durcheinander wie im Vorgänger. Dem Zeitgeist entsprechend wurde die Bedienung von noch mehr Funktionen auf den Bildschirm verlagert. Es braucht etwas Zeit, sich in die Menüstruktur einzuarbeiten. Wie im überarbeiteten VW Golf [3] und auch bei Renault ist die Lösung, die Lautstärke über nicht fühlbare Tasten regeln zu müssen, eine schlechte Idee. Etwas Eingewöhnung braucht es auch, sich auf dem Bildschirm zu orientieren, der anstelle des Kombiinstrumentes eingebaut wird.

Die Verarbeitung ist wie gewohnt gut, auf unserer Proberunde gab es keine lästigen Verkleidungsgeräusche. Auch die Passungen wirkten innen wie außen sehr gleichmäßig. Die Motoren sind leise, auch Fahrwerksgeräusche dringen nicht übermäßig laut durch. Die Sitze sind für große Menschen etwas knapp bemessen, was sowohl die Sitzfläche wie auch die Lehne betrifft. Auch der Seitenhalt könnte besser sein.

Nur zwei Benziner

Seine Eigenständigkeit betont der Civic nicht zuletzt mit dem doch recht übersichtlichen Motorenprogramm. Der erst Ende 2012 vorgestellte 1,6-Liter-Diesel [4] mit der „Earth Dreams Technology“ ist nicht mehr im Programm. Honda bietet stattdessen nur noch zwei aufgeladene Benziner an: ein Einliter-Dreizylinder bietet 129 PS, der 1,5-Liter-Vierzylinder 182 PS. Beide sind mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe oder, gegen Aufpreis, mit einem CVT zu haben. Mit CVT fällt das maximale Drehmoment jeweils 20 Nm geringer aus. Das ist durchaus bemerkenswert. Mit dann 180 Nm bleibt der neue Honda-Motor hinter nominell vergleichbaren kräftigen Motoren von Opel (245 Nm im Astra 1.4 T mit 125 PS) oder BMW (220 Nm im 118i mit 136 PS) etwas zurück.

Die genannten Konkurrenten sind im Standardsprint flinker und erreichen auch auf der Autobahn ein paar km/h mehr. Das erscheint uns nebensächlich. Da der Japaner für sein Drehkraft-Maximum mindestens 1700/min benötigt, bleibt er jedoch nicht nur in der Theorie etwas hinter dem Eindruck zurück, den die Konkurrenz in dieser Leistungsklasse anbietet. Für vergleichbare Fahrleistungen muss er stets etwas höher drehen, was er freilich gern tut. Mit dem Schaltgetriebe wirkt der Dreizylinder agiler, ist es aber letztlich nicht. Im NEFZ verspricht Honda je nach Ausstattung einen Verbrauch zwischen 4,7 und 5 Litern. In der Praxis erwarten wir Werte zwischen 6,5 und 7 Litern. Für eine verlässliche Aussage war diese Probefahrt einfach zu kurz.

CVT (fast) ohne Gummieffekt

Honda betont in seinem Begleitschreiben, dass in das CVT sehr viel Arbeit geflossen ist. Nun sind die globalen Vorlieben leider sehr unterschiedlich. Während das CVT in Asien sehr gefragt ist, wird man in Europa damit nicht so recht warm. Dem trägt Honda Rechnung und verwendet nur für den europäischen Markt eine Software, die „sieben Getriebestufen über das Drehzahlband simuliert, die dem Fahrer das vertraute Gefühl von Gangwechseln vermitteln“. In der Praxis ist die viele Arbeit durchaus zu spüren, der Gummibandeffekt wurde reduziert.

Beschönigung in der Preisliste

Eigenwillig ist auch die Preisgestaltung. Das Basismodell kostet 19.990 Euro, was nur auf den ersten Blick fair kalkuliert erscheint. Denn für diese Ausstattung gibt es weder ein Radio noch eine Klimaanlage – auch gegen Aufpreis nicht. Wie bei vielen japanischen Herstellern sind Sonderwünsche fest an höhere Versionen gekoppelt, es gibt nur wenige Einzeloptionen. Die eigentliche Grundausstattung ist die Linie „Comfort“, für die Honda dann mindestens 22.790 Euro in Rechnung stellt. Damit ist der Civic kein Schnäppchen, aber besondere Dinge haben eben ihren Preis.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/VW-Touran-1-6-TDI-im-Test-Spielfrei-3173061.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-Reisefuehrer-2594449.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Unterwegs-im-VW-Golf-1-5-TSI-3613921.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Honda-traeumt-von-einer-besseren-Welt-Der-neue-Dieselmotor-1-6-i-DTEC-1757218.html