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Häuptling roter Kopf

Ferrari Testarossa: Häuptling roter Kopf

Autos Bernd Kirchhahn
Ferrari Testarossa

(Bild: Ferrari)

Der Ferrari Testarossa verkörpert die 1980er Jahre wie nur wenige andere Autos. Hätte sich Ferrari auf diesem Ruhm nicht ausgeruht, hätten sie heute noch die Namensrechte. Doch es kam anders

Insignie des Problems ist, dass jeder bei der Nennung des Autos „Ferrari Testarossa“ an Miami Vice denkt. Diese Serie ist, bei allem nötigen Respekt, mittlerweile 34 Jahre alt und gilt dennoch als Image-Höhepunkt des Ferrari Testarossa. Es täte Sportwagen gut, wären sie für Motorsporterfolge, Innovationen oder wenigstens exzentrische Entgleisungen ihrer Erfinder oder Besitzer bekannt. Am letzten Punkt gibt es nichts zu diskutieren – es waren die Beaus und Playboys, die Sportwagen berühmt und zu einem Geschäftsmodell machten. Doch einen solchen Glücksfall wirft das Schicksal nicht jedem Modell aufs Dach.

Beim Ferrari Testarossa war es die schiere Not, die den Wagen ins Fernsehen brachte. Ferrari hatte – mal wieder – Probleme an allen Fronten (Motorsport, Finanzen, Sicherheits- und Abgasbestimmungen...) und brauchte dringend einen Erfolg. Miami Vice war so ein Erfolg. Doch in der Serie fuhr Sonny Crockett zunächst die Replika eines 365 GTS/4 Daytona Spider (Chevrolet Corvette Basis). Diese in den USA sehr beliebten Replikas waren Ferrari ein Dorn im Auge. Und so bekam das Filmstudio einen weißen Ferrari Testarossa vor die Tür gestellt. Die Replika sprengten sie dafür am Ende der zweiten Staffel in die Luft. Fortan fuhr Crockett ein Original.

Ferrari Testarossa und die Popkultur

Der Hype, der schon vorher um den Ferrari Testarossa eingesetzt hatte, nahm damit Fahrt auf. Endete aber abrupt, als 1996 die Produktion eingestellt wurde. Fortan war es halt das Auto aus Miami Vice – Sammler und Fans zahlen viel Geld, Ferrari war das Fahrzeug aber egal.

Dabei hätte es genug Anlässe gegeben, den Namen aufleben zu lassen. Die Serie Red Oaks (2014-2017) mag keine Wurst vom Teller ziehen, ist aber eine liebevolle Hommage an die 1980er-Jahre und wird dafür von Kritikern sehr gelobt. Hier wird ein Ferrari Testarossa bewegt. Genauso wie in „The Wolf of Wall Street“ (2013) und „Straight outta Compton“ (2015) – eine mit Preisen überhäufte und kommerziell sehr erfolgreiche Filmbiografie über die Hip-Hop-Crew N.W.A. („Niggas Wit’ Attitudes“). Der Vollständigkeit halber: Auch in „Dieter“ (2006), ein Zeichentrickfilm über Dieter Bohlen, fährt der Musiker einen Testarossa.

Doch anders als bei Miami Vice hatte Ferrari mit diesen Einflüssen in der Popkultur nichts zu tun. Die Marke hat im Sommer 2017 die Namensrechte für „Testarossa“ aufgrund eines Urteils des Düsseldorfer Landgerichtes verloren. Der Grund dafür, laut Gerichtssprecherin: „Eine Marke muss genutzt werden, damit sie geschützt bleibt. Das hat das Unternehmen hier nicht getan.“ Das Urteil fiel nicht einfach so, sondern weil Kurt Hesse, ein Spielzeugfabrikant, geklagt hatte. Ihm gehört die Produktion der Carrera-Rennbahnen. Für die Verwendung des Namens „Testarossa“ musste er bislang Lizenzgebühren zahlen. Die entfallen seitdem. Außerdem sollen Fahrräder, E-Bikes und Rasierer unter diesem Namen entstehen.

Anfang und Ende des Kultnamens

Es ist das vorerst traurige Ende dieses Kultnamens in der Hand der italienischen Marke. Ein Name, der seine Wurzeln im Jahr 1955 hat. Damals steckte den Italienern die Niederlage gegen Mercedes in der Sportwagen-Weltmeisterschaft in den Knochen und ein Nachfolger für den Ferrari 500 Mondial musste her. Dessen Schwachpunkt war der Motor. So gab es einen neuen. Einen Reihenvierzylinder mit rot lackierten Zylinderköpfen. Die brachten ihm den Namen Testa Rossa ein – damals noch korrekt geschrieben, nämlich auseinander – und der Wagen hieß fortan Ferrari 500TR.

Lieber erinnern sich Fans allerdings an den Ferrari 250 Testa Rossa. Der wurde 1957 nötig, weil eine Regeländerung in der Sportwagenweltmeisterschaft eine Hubraumobergrenze von drei Litern vorsah. Ferrari nahm den Reihenvierzylinder vom 500TR und machte daraus einen Dreiliter-V12. Das letzte Fahrzeug dieser Baureihe, ein verlängerter 330TR/LM, gewann 1962 Le Mans. Wegen derartiger Erfolge und der Zylinderzahl wird oft lieber auf den 250er als Urahn des „Testarossa“ verwiesen.

Was den Namen anging, war nach diesem Erfolg erst einmal zwei Jahrzehnte lang Pause, bis es zu den eingangs erwähnten Absatzproblemen kam. Enzo Ferrari blieb Anfang der 1980er-Jahre nichts anderes übrig, als Pininfarina, dem damals schon legendären Designstudio, den Auftrag zu erteilen, eine Revolution zu starten. Es musste etwas Bahnbrechendes, Neues und Richtungsweisendes her. Kostensparend, wenn möglich.

Vorhang auf für die Testarossa-Revue

Das Ergebnis präsentierte Ferrari am Vorabend zum Autosalon in Paris 1984. Nicht etwa irgendwo, sondern im Lido. Ein illustres Revuetheater an der Avenue des Champs-Élysées, das nach dem Zweiten Weltkrieg der Belustigung von Soldaten diente und 1946 mit der Show „Sans rimes ni raison“ („Ohne Sinn und Verstand“) neu eröffnet wurde. 1984 war es die Location, in der jede Showgröße einmal aufgetreten sein musste, um etwas zu gelten.

So wie der Ferrari Testarossa. Der basiert technisch auf seinem Vorgänger, dem Ferrari 512 BB – weswegen große Innovationen ausblieben. Aber ein paar Änderungen, die massive Auswirkungen auf das Fahrzeug hatten, gab es eben doch. Während der 512 BB einen Kühler im Frontbereich hatte, bekam der Testarossa zwei Wasserkühler ins Heck gesteckt, die seitlich neben dem Mittelmotor (zwischen Fahrersitz und Hinterachse) liegen.

Diese Kühler machten es zum einen nötig, dass der Testarossa ein extrem breites Heck bekam. Zwar sind die hinteren Räder nur 12 Millimeter weiter auseinander als beim 512 BB, die Gesamtbreite erhöht sich aber um 105 Millimeter. Zum anderen brauchen die Wasserkühler seitliche Lufteinlässe um überhaupt die nötige Kühlleistung zu erzielen. So bekamen Ferrari-Fans ein Fahrzeug mit der Optik eines Keils und einem völlig unnötigen Kühlergrill an der Front, den es lediglich gibt, weil sich Pininfarina dazu optisch verpflichtet fühlte.

Wo die Kunden Hand anlegten

Nicht verpflichtet fühlte sich Pininfarina zu einem zweiten Außenspiegel. Davon gab es nur einen an der Fahrerseite der A-Säule. Weil die meisten Kunden einfach einen zweiten Außenspiegel nachrüsten ließen, wurde 1987 (auf dem Autosalon in Genf) ein überarbeiteter Testarossa mit zwei Außenspiegeln präsentiert.

Was Kunden ebenfalls oft nachrüsteten, war eine Abgasanlage, die dem Fahrzeug einen etwas martialischeren Sound bescherte. Der 12-Zylinder war ein 12-Zylinder, aber eben einer der akustisch zurückhaltenden, im Vergleich zu seinen Kollegen. Dabei hatte sich Ferrari alle Mühe gegeben, den Testarossa zu brutalisieren.

Der Motor wurde grundlegend aus dem 512 BB übernommen – also das Konzept eines 180-Grad-V-Motors. Ein Flachmotor, kein Boxermotor. Allerdings wurde die Leistung von 360 auf 390 PS gesteigert. Entsprechend stiegen die Fahrleistungen. Auf Tempo 100 ist der Testarossa nach 5,3 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 290 km/h angegeben. Zumindest am Abend der Präsentation war es „das stärkste Triebwerk, das jemals in einem Seriensportwagen montiert wurde“, wie Ferrari betont.

Erfolgsgeschichte des Schauspielers

Weil der Wagen ein Problem mit der Gewichtsverteilung hatte – 60 Prozent lagen auf der Hinterachse – waren außerdem ein paar Modifikationen am Fahrwerk nötig. So gibt es an der Hinterachse pro Rad zwei Federbeine. Der Rest ist zwar State-of-the-Art, aber alles in allem doch eher bewährt. Vorne hängen die Räder an doppelten Dreiecksquerlenkern, hinten an doppelten Querlenkern, jeweils einer davon in Trapezform. Auffällig und smart ist lediglich ein Hilfsrahmen über Motor und Getriebe, der den Zugang zu diesen Teilen erleichtert.

Der Ferrari Testarossa wurde bis 1996 gebaut. 1991 erhielt der 4,9-Liter Motor eine Leistungssteigerung auf 428 PS (der 512 TR), 1994 folgte mit dem 512 M, der 440 PS leistete, der krönende Abschluss der Baureihe. Der silberne Testarossa Spider, den Giovanni Agnelli, damals Präsident von Fiat, 1987 geschenkt bekam, sollte ein Einzelstück bleiben. Elton John und Gerhard Berger, die wohl prominentesten Besitzer, mussten sich ihre Ferrari Testarossa selbst kaufen. In Summe entstanden 7177 Exemplare des Testarossa.

Doch tatsächlich konnte jeder in den Genuss kommen, einen Testarossa zu fahren. Denn der Wagen hatte einen derartigen Einfluss auf die Popkultur und war so unfassbar präsent, dass Sega ihm einen eigenen Spielautomaten widmete. Im September 1986 – also zeitgleich mit dem Ausstrahlungsbeginn der dritten Staffeln Miami Vice – präsentierten die Japaner das Spiel „Out Run“.

Testarossa als Videospiel

Der Spieler sitzt dabei in der Plastiknachbildung eines Ferraris und steuert ein Testarossa Cabriolet durch insgesamt fünf Streckenabschnitte (wenn es gut läuft). Erstmalig war es bei Out Run möglich, dass der Spieler die zu befahrende Strecke aussuchen konnte. Denn nach jedem Abschnitt teilte sich die Straße und der Fahrer konnte selbst entscheiden, wo es lang ging.

Und damit soll letztmalig der Bogen zu Hollywood und der Untätigkeit von Ferrari in Bezug auf die Namensrechte gespannt sein: Donnie Darko zockt im gleichnamigen Film in einer Spielhalle „Out Run“, als er von seiner Freundin Gretchen Ross angesprochen wird und daraufhin virtuell verunfallt. Der Film spielt im Jahr 1988.


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