Interview mit Walter Röhrl beim Edelweißrennen

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Heise Autos:
Man beobachtet ja oft, dass es Überfliegern auf einem bestimmten Gebiet schwerfällt, die Probleme nachzuvollziehen, die ein nur durchschnittlich Begabter mit der Materie haben kann. Sie stimmen jetzt als Ausnahmetalent Autos für normale Fahrer ab. Ist Ihnen das am Anfang schwer gefallen? Mussten Sie sich erst erarbeiten, wie ein normaler Mensch am Steuer tickt?

Walter Röhrl:
Ja klar, das war am Anfang schon schwer. Ich hab schon ein bisschen Zeit gebraucht, um zu kapieren, dass ich das Auto nicht für mich abstimme, sondern für andere Leute. Am Anfang war`s schon so, dass ich immer mehr auf die Uhr geschaut habe, was richtig schnell ist. Aber das hab ich dann sehr schnell überrissen, dass es darum nicht in erster Linie geht. In erster Linie geht es darum, Leuten, die sich das finanziell leisten können, einen Sportwagen hinzustellen, mit dem sie sicher schnell autofahren können. Aber es ist am Anfang schon auch vorgekommen, dass die Porsche-Leute dann gesagt haben, wenn ich etwas bemängelt habe: „Ja, so verrückt wie Sie fährt doch niemand, Herr Röhrl.“ Dann hab ich gesagt: „Doch, das machen die vielleicht nicht absichtlich. Aber wir müssen damit rechnen, dass die Leute durch Fahrfehler in solche Grenzsituationen kommen.“ Und dann soll das Auto so gutmütig reagieren, dass der Fahrer noch die Chance hat, seinen Fehler auszubügeln und einen Unfall zu verhindern. Und diese Philosophie haben dann alle verinnerlicht und das ist heute auch ein Aspekt der zum großen Erfolg von Porsche beiträgt – dass ein Porsche halt nicht nur ein 97-prozentiges Fahrwerk hat, sondern eher ein 110-prozentiges Fahrverhalten. Dass halt das Fahrverhalten sogar beim Überschreiten des Grenzbereichs noch einigermaßen beherrschbar bleibt. Wissen Sie, früher kam es schon mal vor, dass sich der ein oder andere mit einem Sportwagen mal gedreht hat. Der hat aber dann nichts gesagt, weil er sich geschämt hat. Wenn sich heute einer mit einem Auto dreht, dann ist sofort das Auto schuld. So hat sich das geändert.

Heise Autos:
Früher hat man ja gesagt, wenn man dem Walter Röhrl und Dir ein normales Auto gibt, also ich hab das damals über den Opel Omega 3000 so gelesen, dann ist der Unterschied in der Rundenzeit groß. Mach dasselbe mit einem Porsche 911 G-Modell dann brauchst du einen Kalender, um den Zeitunterschied zu ermitteln.

Walter Röhrl:
Ja, es ist ja tatsächlich unglaublich, was Porsche aus dem 911 gemacht hat. Früher war der Motor im Heck schon eine heikle Sache. Das hatte viele Vorteile, z.B. eine Wahnsinnstraktion und viel Platz im Innenraum. Aber im Grenzbereich war so ein G-Modell und mehr noch ein F-Modell nicht ganz einfach zu fahren, keine Frage. Um so mehr erstaunt es, wie gut ein 991 heute fährt. Und der hat den Motor immer noch im Heck. Das zeigt den gewaltigen Fortschritt in Fahrwerksgeometrie und –elektronik in den letzten 40 Jahren. Das ist wirklich atemberaubend. Aber auf der Rennstrecke kann man auch heute noch mit unseren Autos zeigen, dass man fahren kann. Als der Carrera GT vorgestellt wurde, haben wir die Testfahrer anderer Marken auf die Nordschleife eingeladen, um dort mit dem Auto zu fahren. Und ich hab dem Zweitschnellsten damals 18 Sekunden auf einer Runde abgenommen. 18 Sekunden! Das sagt doch alles, oder?