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Stromversorger EWE will mit dem "E3" Einbindung in das Stromnetz testen

Karmann baut Elektroautos

Technik gh
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Der Stromversorger EWE will mit dem Karmann E3 Elektroautos als mobile Stromspeicher erforschen – für Karmann ist es wieder eine kleine Chance als Autobauer

Hannover, 23. April 2009 – Wie bereits im Februar berichtet [1], bekommt Karmann vom Energieversorger EWE den Auftrag zum Bau eines Elektroautos. Aufgrund der Insolvenz von Karmann erschien zuletzt unklar, ob diese Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten ist, doch nun zeigt EWE ein Modell des Fahrzeugs auf der Hannover-Messe.

150 Kilometer Reichweite

Das Exponat wirkt wie eine in Form gegossene Absichtserklärung, um die Ernsthaftigkeit des Projekts zu betonen. Es ist ein reines Designmodell, detaillierte technische Spezifikationen für die „E3“ getaufte Elektro-Limousine stehen noch aus. Laut EWE soll der Wagen mithilfe eines Lithium-Ionen-Akkus zirka 150 Kilometer weit kommen und maximal 140 km/h schnell sein. Das als geräumige Sportlimousine ausgelegte Auto soll vor allem Pendler ansprechen.

Mobiler Stromspeicher

EWE [2] will als „Konsortialführer“ das Projekt finanzieren und führen. Der Stromversorger lässt vier bis sechs Fahrzeuge bei Karmann bauen, um damit Felderfahrungen zu sammeln. Aus Sicht des Unternehmens steht weniger das Auto selbst im Vordergrund, sondern vor allem seine Integration in das Stromnetz. Denn eine der großen Herausforderungen bei der Entwicklung von Elektroautos liegt in der Stromerzeugung. Wenn diese Form der Mobilität auf Grundlage erneuerbarer Energien erfolgen soll, sind im Netz mehr Energie­speicher als heute notwendig, um volatile Energiequellen wie die Windenergie sinnvoll nutzen zu können. Inwieweit Autos dabei als „Strompuffer“ eingebunden werden können, ist bisher kaum erforscht.

Karmann baut Elektroautos

Ganz unterschiedliche Aspekt müsse dabei geklärt werden: Wie stellt man zum Beispiel sicher, dass das Fahrzeug nicht gerade Strom ins Netz zurückgibt, wenn gerade eine längere Fahrt ansteht? Was bedeuten die zusätzlichen Lade- und Entladezyklen für die Haltbarkeit der Batterien? Bisher sind Experten in diesen Punkten unterschiedlicher Meinung [3], doch echte Erfahrungswerte fehlen.

„Intelligente“ Steuerung und Abrechnung

Doch EWE ist nicht nur ein Stromversorger, sondern besitzt auch eine Sparte, die sich mit Informationstechnologie und Telekommunikation befasst – das Unternehmen bezeichnet sich selbst als „eines der großen Multiservice-Unternehmen in Deutschland“.

So besteht ein Hauptziel des Projekts darin, eine Hard- und Software zu entwickeln und einzusetzen, die eine funktionierende Kommunikation zwischen Fahrzeug, Kunde und Energieversorger sicherstellt. Dabei geht es vor allem um ein Standort-ungebundenes Abrechnungsnetz, mit dessen Hilfe die Autobesitzer mit der EWE und anderen Stromversorgern den Strom abrechnen können. Dazu werden aber auch Funktionen gehören, die aus praktischen Erwägungen heraus notwendig sind: So muss es dem Besitzer zum Beispiel möglich sein zu entscheiden, ob er sein Fahrzeug dem Netz zur Verfügung stellen will.

Karmann baut Elektroautos

Rettung für Karmann?

Vier bis sechs Fahrzeuge reichen natürlich nicht, um sich wieder als Automobilhersteller zu etablieren. Zudem gibt die Wortwahl von EWE die Rollenverteilung klar vor, eine „Einmalinvestition“ ist vorgesehen, von Anschlussaufträgen zunächst nicht die Rede. Karmann ist in diesem Projekt der Juniorpartner und dennoch ist das Elektroauto eine Chance für das angeschlagene Unternehmen. Wenn es den Entwickler gelingt, auch fahrzeugseitig ein überzeugendes Produkt auf die Räder zu stellen, könnten auch andere Interessenten anklopfen.

Karmann soll die Autos im Zeitraum zwischen 2009 und 2011 bauen, das erste Exemplar soll im Oktober 2009 ausgeliefert werden. Möglicherweise sollen also Erfahrungen aus dem Feld in die jeweiligen Nachfolger eingebaut werden. Dass ein halbes Jahr vor Fertigstellung nur ein einfaches Modell gezeigt wird, verwundert zunächst. Tatsächlich ist Karmann nach Unternehmensangaben aber bereits weiter fortgeschritten und kann auf zweijährigen Vorentwicklungen aufbauen. Zudem wird man sich vieler existierender Komponenten aus dem Markt bedienen, also ein „sehr effizientes Global Sourcing“ betrieben, wie uns ein Sprecher sagte. Noch ist es nicht entschieden, aber vielleicht steht ja auf der IAA im September das erste fertig entwickelte Exemplar. (ggo [4]/heise Autos)


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https://www.heise.de/-451385

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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Karmann-baut-Elektroautos-fuer-Stromversorger-EWE-476237.html
[2] http://www.ewe.de
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahren-mit-Wind-und-Sonne-452879.html
[4] mailto:autos@heise.de