Karmann baut Elektroautos für Stromversorger EWE

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Von
  • ggo

Ende Oktober letzten Jahres musste Karmann den bislang letzten in einer Reihe von Rückschlägen hinnehmen. Damals wurde mitgeteilt, dass die Auftragsfertigung des EcoCarriers einem Kleinlaster mit Elektroantrieb von VW in Sarajevo übernommen würde – statt wie vorgesehen von Karmann. Der Osnabrücker Zulieferer und Auftragsfertiger hatte sich kurz vorher offenbar bereits damit abgefunden, sich zukünftig auf die Entwicklung von Dachsystemen zu konzentrieren, nachdem einige Hoffnungen auf neue Fertigungsaufträge für Komplettfahrzeuge aus der Industrie unerfüllt blieben.

Doch nun gibt es neue Hoffnung: Wie Karmann und der Oldenburger Energiekonzern EWE mitteilten, wollen die beiden in Niedersachen ansässigen Unternehmen die Einbindung von Elektrofahrzeugen in das Strom- und Telekommunikationsnetz von EWE untersuchen. Dabei soll die Frage geklärt werden, wie „intelligente Steuerungssysteme“ effizient für das Batterie- und Netzmanagement genutzt werden können. Die Vorstandsvorsitzenden beider Unternehmen unterzeichneten einen Vertrag, der bis 2010 läuft. EWE mag nicht zu den ganz großen Energiekonzernen in Deutschland gehören, doch die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Unternehmens bedeuten allemal eine große Chance für Karmann. Dort sollen komplette Fahrzeuge entwickelt werden; zwischen 2009 und 2011 will Karmann vier bis sechs Elektroautos aufbauen, die im EWE-Versorgungsgebiet als Versuchsfahrzeuge eingesetzt werden. Das erste fahrfertige Fahrzeug soll bereits im September 2009 ausgeliefert werden. EWE steuert die Projekte und finanziert die Entwicklung der Fahrzeuge. Für die Erforschung des Batteriemanagements und der Informationstechnologie zum Datenaustausch mit der Ladestation haben die Projektpartner beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zudem eine Förderung beantragt.

Diese lapidare Satz birgt eine Besonderheit, die mit den übrigen Geschäftsfeldern von EWE zusammenhängt: Denn der Konzern ist nicht nur Energieversorger, wobei auch erneuerbare Energien eine große Rolle spielen. Auch EWE TEL gehört zum Konzern, ein Tochterunternehmen, das Kunden in der Region zwischen Ems und Weser Telecom- und Internetanschlüsse bietet. So ist es auch ein Ziel der Partnerschaft, eine Hard- und Software zu entwickeln, die eine funktionierende Kommunikation zwischen dem Fahrzeug, dem Kunden und dem Energieversorger sicherstellt. Damit könne ein standortunabhängiges Abrechnungssystem eingeführt werden, das die Stromversorgung für die Batterie unabhängig vom EWE-Netz realisiert. Nach Aussage eines Karmann-Sprechers seien gerade Fragen der Fahrzeugkommunikation und Abrechnung in anderen Feldversuchen bisher nicht genügend berücksichtigt. Hellhörig macht zudem die Aussage, dass Karmann nicht etwa ein bestehendes Pkw-Modell umbaut, sondern am Markt verfügbare Komponenten verwenden will. Aussagen zum Lieferanten der Antriebsbatterie gibt es zwar noch nicht, doch die Formulierung von Peter Harbig, Sprecher der Karmann-Geschäftsführung, weist auf eigene Ambitionen hin: „Gemeinsam mit EWE werden wir an zukunftsfähigen Antriebs- und Batterietechnologien arbeiten, die Voraussetzung für den Erfolg der Elektromobilität sind“.

In der Tat ist der Erfolg zukünftiger Elektroautos wohl mit neuen Geschäftsmodellen und erheblichen Verschiebungen bei der Wertschöpfungen verbunden. Die Idee, das zukünftig Batteriehersteller einerseits und Energieversorger über Leasingkonzepte andererseits große Teile der Gewinne abschöpfen, eröffnet Auftragsfertigern wie Karmann, Valmet oder Magna Steyr neue Chancen. So könnte sich Karmann nach vielen Nackenschlägen doch wieder seine Chance als Autobauer erhalten.

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