Sauglösung

Kiel: Luftreiniger aufgestellt

Im Kampf gegen eine hohe Schadstoffbelastung in der Luft prüft Kiel als erste Stadt in Deutschland ein Luftreinigungsgerät: Es soll nach Angaben des Herstellers die Stickoxid-Belastung im direkten Umfeld um zehn Prozent senken können. Der Praxistest mit Messungen steht noch aus.

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  • dpa
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Hamburg, Köln, Essen, München, Kiel: Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig vom Februar des vergangenen Jahres hat genau jene weitreichenden Folgen, die Befürworter erhofft und Kritiker befürchtet hatten. Es hatte die Entscheidung über Fahrverbote in die Verantwortung vor Ort verlegt und gleichzeitig betont, dass dabei die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben müsse. Nach zahlreichen Verhandlungen im vergangenen Jahr droht nun vielerorts ein oftmals räumlich eng begrenztes Fahrverbot für Autos mit Dieselmotoren, die maximal die Abgasnorm Euro 5 erfüllen. Kiel startet nun den Versuch, eine stark benutzte Verkehrsader davor zu bewahren. Dazu wurde am besonders stark belasteten Theodor-Heuss-Ring der erste Prototyp eines Luftreinhaltegerät aufgestellt.

Vorerst nur im Test

Zunächst werde das mobile Gerät, das Luft ansaugen und gereinigt wieder ausstoßen könne, dort nur bis zu zwei Wochen platziert, sagte Geschäftsführer Robert Krüger von der Entwicklungsfirma Purevento am Mittwoch (6. Februar 2019). Dabei gehe es zunächst um Probleme wie Handhabung, Saugkraft, Auslassstärke, Lärm, Stromversorgung, Verkehrssicherheit und auch die Akzeptanz der Bürger. Der Prototyp werde dann in anderen Städten in Deutschland vorgestellt und in etwa zwei Monaten für einen mehrwöchigen Luftreinigungstest nach Kiel zurückkehren. Dabei soll laut Krüger ein zusätzliches mobiles Messgerät zum Einsatz kommen, das vom Umweltbundesamt zertifiziert ist. Die Messungen nähmen Mitarbeiter des Landes vor.

Der Hersteller geht davon aus, die Stickoxidbelastung an dem 190 Meter langen, besonders belasteten Teil des Theodor-Heuss-Rings mit sechs Geräten um etwa zehn Prozent reduzieren zu können. Dort stehen direkt an der Straße Wohnhäuser. Die angesaugte Luft soll sogar um etwa 85 Prozent von Feinstaub und gasförmigen Schadstoffen wie Stickoxide gereinigt werden. Das Gerät säubert laut Hersteller pro Stunde bis zu 40.000 Kubikmeter Luft. Die Stadt Kiel will den Praxistest, bei dem es insbesondere um Stickoxid-Messungen geht, abwarten. Laut Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) ist noch nicht abschätzbar, was diese Geräte bringen.

Kritik und Spott

Angesichts der Bedeutung des Theodor-Heuss-Rings als Verkehrsader mache Kiel Vorschläge weit über das hinaus, „was wir rechtlich tun müssten“, sagte Kämpfer. „Da habe ich auch Kritik und Spott geerntet, das wird auch heute nicht anders sein“, sagte er am Mittwoch bei dem Pressetermin an der Verkehrsader. „Aber das nehme ich gerne in Kauf, wenn wir am Ende die Balance zwischen Gesundheitsschutz hier und in der Stadt im übrigen so gut hinbekommen, dass wir weitreichende Dieselfahrverbote vermeiden können.“ Der neue „Luftstaubsauger“ gehört bisher nicht zu Kiels Konzept für sauberere Luft. Das Umweltministerium entscheide am Ende, ob die Geräte mit in den Luftreinhalteplan kämen, sagte Kämpfer. Den Entwurf wolle das Ministerium noch vor der Sommerpause vorlegen. Kiel will spätestens Ende 2021 die EU-Grenzwerte einhalten.

Das Umweltbundesamt zeigte sich skeptisch. Es argumentiert, dass nach seinen Angaben Kiel im vergangenen Jahr mit einem Jahresmittel von 60 Mikrogramm je Kubikmeter Luft an bestimmten Stellen auf der Liste der am stärksten belasteten deutschen Städte auf dem dritten Platz nach Stuttgart und München rangierte. An der Straße existiert seit langem eine feste Messstation. Sie sei aber zu weit von dem Prototyp entfernt, um dessen Leistungen messen zu können und erfasse zudem nicht die Wetterdaten, sagte Krüger. Das Wetter habe aber großen Einfluss auf die Höhe der Schadstoffbelastung. Nach Angaben der Stadt waren es im trockenen, warmen Mai des vergangenen Jahres 80 Mikrogramm Stickoxid und im Dezember 41 Mikrogramm.

"Am Auspuff beginnen"

„Man muss an die Wurzel des Bösen ran. Nur da macht es eigentlich Sinn anzusetzen“, sagt der Fachmann für Grundsatzfragen der Luftreinhaltung vom Umweltbundesamt, Marcel Langner. Jede Maßnahme, die in der Außenluft ansetze, sei wesentlich ineffizienter als eine, die direkt am Auspuff beginne. Notwendig für verlässliche Daten seien zudem langfristigere Studien. Kiel sei allerdings ein Sonderfall, da es dort tatsächlich ein relativ punktuelles Problem gebe. Aber in einer größeren Stadt sei das anders. „Da würde so ein System meines Erachtens keinen Sinn machen, weil da müsste man so viele von diesen Teilen aufstellen, dass es so eine Art Sisyphusarbeit ist“, sagte Langner.

Baustein einer Zwischenlösung

„Wir verstehen diese Geräte als einen von mehreren Bausteinen einer Zwischenlösung, bis die Elektromobilität in den Städten stark zunimmt und die Schadstoffbelastung zurückgeht“, sagte Krüger. Die Autoindustrie habe sich gegen Hardware-Nachrüstungen von Autos mit Dieselmotor gewandt unter anderem mit dem Argument, die gesamte Stickoxidbelastung der Außenluft könnte damit lediglich um etwa 14 Prozent gesenkt werden. Die Reinigungsgeräte könnten auf zehn Prozent kommen. Ein Gerät soll etwa 80.000 Euro kosten.