Wenn jeder laut ist, fällt keiner mehr auf

Das Schreien der Schwebfliegen

Zard baut eine sehr wohlklingende Auspuffanlage für die Yamaha MT-07. Aber sie ist einfach krass laut. Warum rüsten wir Motorräder mit Auspuffen nach, die lauter sind als Panigales? Ein biologischer Erklärungsansatz

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Ich habe Kopfschmerzen. Das liegt ein bisschen an den einstelligen Plusgeraden der Umgebungsluft, durch die diese kleine Yamaha pflügt, ein bisschen an zu viel eingeatmetem unverbranntem Benzin, sehr viel an einem zu engen Helmpolster und ein bisschen daran, dass sich das Gehirn weigert, den lauten Auspuff zu verstehen, den alle Anderen so toll finden.

Das Motorrad ist eine Yamaha MT-07, Yamahas ganz großer Wurf in der Einsteigerklasse: 184 kg vollgetankt, 75 PS, Reihenzweizylinder mit einem Hubzapfenversatz von 270 Grad, der ähnlich klingt wie ein 90 Grad gespreizter V2 und obendrein das scheußliche Tuckern und die flatterige Drehmomentabgabe des 180-Grad-Gegenläufers vermeidet. Dazu kommen Details, die es anderswo für die 6500 Euro der MT nie geben würde. Die MT-07 zeigt Japan auf dem Zenith des Könnens: konservative, daher aber zuverlässige Technik, Liebe zum Detail und die typische Eigenständigkeit der Insulaner herausgekehrt statt den Westen zu kopieren.

Der Geschmacksverstärker

Meine lieben Kollegen von MO haben mir diese MT aus ihrem Dauertest-Fuhrpark geliehen, als logische Konsequenz ihrer Daueraussage: "Du MUSST einfach mal die MT-07 fahren!" An diesen Dauertester haben sie bereits eine Zubehör-Auspuffanlage von Zard montiert, die in der Redaktion einstimmig als "geschmacksverstärkend" gelobt wird. In der Tat haben es die italienischen Ingenieure geschafft, einen sehr interessanten, wohltönenden Geräuschteppich aus dem Abgas zu holen, ohne störende Dissonanzen. Aber er ist einfach krass laut.

Die Fans lauter Auspuffe werden ihn also lieben. Er sei ihnen hiermit empfohlen. Mein Schlüsselerlebnis war die Begegnung mit einer Ducati Panigale mit ihren 200 PS. Die MT war lauter. Aber dann kommst mit deinem kleinen Mädchenmotorrad um die Ecke. Dieser Auspuff verspricht viel mehr, als der Motor halten kann. Er erinnert mich an die Jungs mit ihren Bonnevilles in Oschersleben damals. Hinter ihnen fahrend wurde man mit einem Schallschnellschussgewehr beschossen, dass einem die Ohren hinter den Stöpseln noch bluteten. Aber nach einem kurzen Moment war klar: Die fahren ja gar nicht schnell. Im Gegenteil detoniere ich dem gleich ins Heck, wenn ich nicht ausweiche. Sie fuhren Zeiten von über zwei Minuten in Oschersleben, deshalb wurden sie schließlich mit Schimpf und Schande aus der roten Gruppe verbannt. Doch wieso durften sie dort überhaupt starten? Vielleicht hilft uns die biologische Erklärung meines geschätzten Kollegen Ulf Penner.

Ulf legte vor Jahren dar, dass der laute Auspuff sich nahtlos einreiht in jedes andere akustische Dominanzverhalten, das vor allem junge Männchen an den Tag legen, bevor sie wirklich sozial empathisch geworden sind. So betrachtet tut die Zard-Anlage das, was die Jungen von ihr wollen: Sie macht die Einheit Fahrzeug-Fahrer akustisch größer und böser, als sie es durch ihre wirkliche Performance je sein könnte. Die Zard-besaitete MT wird nachts von fetthubraumigen Dragstern ständig herausgefordert. Das würde nicht passieren, wenn sie durch eine serienmäßige Auspuffanlage brummelte.