Das Schreien der Schwebfliegen

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Doch im Schwarzwald zeigte sich sehr schnell die Kehrseite der Medaille: An diesem Samstag sah ich praktisch keine serienmäßigen Auspuffanlagen in der Population, und hören konnte man die schon gar nicht unter dieser Geräuschdecke. Die MT-07 hob sich auf einmal überhaupt nicht mehr ab von anderen Motorrädern. Sie wirkte normal, vielleicht sogar gesittet. Ich musste an die Schwebfliege denken.

Schwebfliegen profitieren davon, dass Wespen wehrhaft sind. Sie kleiden sich in ein verwechselbares Gewand derselben Signalfarben, damit Insektenjäger mit schlechten Wespenerfahrungen auch von ihnen in Zukunft ablassen, obwohl sie diesen Fressfeinden nicht mehr entgegensetzen könnten als die UN einem Kriegstreiber: Eine scharfe Protestnote muss reichen. Der Schutz hält jedoch nur so lange, wie die Erfahrung "Wespengelb sticht mich" in den Neuronen der Jägerpopulation viel häufiger auftritt als "dieses Gelbe war sehr lecker". Wenn die Zahlenverhältnisse zu stark kippen, verliert das Gelb seine Schutzwirkung. Dann muss die Wespe wieder häufiger stechen, und die Schwebfliege wundert sich.

Das Prinzip der Zahlen beim Mimikri der Schwebfliegen gilt auch für das Hervorheben durch Krawall: Wenn alle schreien, kann sich keiner mehr durch Geschrei hervorheben. Siehe auch: die Warnweste. Es gibt aber einen Unterschied zwischen der Schwebfliege oder der Warnweste und der Krawalltüte: Wenn dich das Gelb nervt, kannst du woanders hinschauen oder die Augen schließen. Die Ohren dagegen kann man nur bedingt verschließen. Im Schwarzwald fuhr ich im vierten, fünften Gang durch die Ortschaften, dankbar dafür, dass der Sahneschnittenmotor das mitmacht. Da liegen Omas in den Kurkliniken, die ihren Infarkt kurieren möchten. Die haben kein Interesse an den akustischen Errungenschaften der Firma Zard.

Lautstärkenelitarimus

Das klingt jetzt, als würde ich argumentieren "nur die teuren, schnellen Fahrzeuge sollen laut sein". Und das ist auch so. Ein Ferrari LaFerrari kann niemals ein echtes Lärmproblem werden, denn dazu gibt es zu wenige davon. Einen genauso lauten Prollpolo dagegen kann jeder bauen, aber wenn jeder das tut, nervt es jeden Anderen. Dito Mädchenmotorräder mit Krawalltüten. Davon wird es immer mehr geben als von der Panigale, vor allem auf der Landstraße. Es gibt schon zu viele.

Wie sich also hervorheben als junger Rüde ohne Geld für eine Panigale? Die Luft nach oben ist dünn geworden. Um heute noch die typischen Mädchenmotorräder mit Krawalltüte zu übertönen, musst du dir schon eine Hitlersense ans Krad schrauben, was auch nicht legaler sein dürfte. Eine mögliche Antwort auf das Dilemma lieferte Kollege Axel, der an der Boxengassenmauer in Most stehend meinen Turn beobachtete. Später sagte er: "Man weiß immer sofort, wann die Duke kommt. So leise ist sonst keiner." Leise wie eine Schwebfliege einzylindere ich also weiter auf die Zielgeraden oder durch den Schwarzwald. Der Serientopf hebt mich aus der Masse heraus und erspart mir so manche allgemeine Verkehrskontrolle. Das funktioniert natürlich nur so lange, wie die Duke der einsame Flüsterer unter lauter Lauten bleibt. Aber da sehe ich bei den bleibenden Präferenzen der Rüden jeden Alters keine Probleme. Die armen Omas ... (cgl)