Husqvarna 701 Vitpilen und Supermoto

Klartext: Design im Grenzbereich

Gestaltung hängt immer an der Funktion, und gute Gestaltung folgt ebendieser möglichst direkt. Husqvarnas ausgefallene Design-Lösungen an der 701 Vitpilen und der 701 Supermoto fahren daher im Grenzbereich zwischen Funktion und Kunst herum

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Als ich das Designstück Husqvarna 701 Vitpilen („Weißpfeil“) zum ersten Mal sah, regte sich Hoffnung in meinem von unzähligen Retrowellen fast ertränkten Herzen: Das Thema „Naked Bike“ kennt doch noch mehr als die zwei Richtungen „retro“ und „insektofuturistisch“. Husqvarna und Honda zeigten mit ihren Naked-Designs, dass die reine, klare Linie auch in moderner Umsetzung stets gut kleidet. Design ist eben ein bisschen wie Textlänge: Wenn dasselbe mit weniger gesagt werden kann, wird das Ergebnis dadurch immer besser.

Nun musste nur noch das Serienmotorrad ansatzweise etwas mit dem Entwurf zu tun haben. Da passieren ja zuweilen Dinge, bei denen Konzeptfahrzeug und Endprodukt so unterschiedlich sind, dass ihre Verbindung im PR-Geschwurbel nachträglich anhand sehr dünner Beweislage herbeifabuliert werden muss. Es gab hier jedoch berechtigten Anlass zur Hoffnung, weil Husqvarna und das Designbüro Kiska schon bei den kleineren 401-Modellen gezeigt hatten, dass es ihnen beim Design nicht (nur) um das Strohfeuer einer Berichterstattung über Modellfahrzeuge ging, sondern um die Serie. Diese Hoffnung ging auf. Das Serienfahrzeug der 701 Vitpilen sieht umwerfend aus.

Frauentausch

Sofort stieg vom Herzen zum Hirn der Gedanke auf, meine KTM 690 Duke R durch dieses Ding zu ersetzen. Denn KTM als Eigner der Marke Husqvarna baut die 701-Modelle ja auf Basis des KTM-690-Baukastens. Die 701 sah mir aus wie der Traum der Träume: Mein wendiges Schwarzwald-Motorrad in einem Kleid, das ich mir auch in zehn Jahren noch gern angucke. Sofort versuchte ich, den absurden Vergleichstest „Duke vs. Vitpilen“ an Motorradhefte zu verkaufen – einen Vergleich, der außer für mich wahrscheinlich noch für maximal drei andere Deutsch sprechende Menschen interessant wäre. Husqvarna fand diesen Vergleich am Telefon gar nicht so gut, erinnere ich mich. Das war etwas doof für Husqvarna, denn fast alle Motorradhefte hatten aus unterschiedlichen Gründen die gleiche Vergleichs-Idee, sodass dieses Thema praktisch überall lief. Manchmal liegen Ideen quasi allgemeingültig in der Luft. Weil die Redaktionen es jedoch selber produzierten, fuhr ich zunächst doch keine Vitpilen und vergaß sie im Alltagsgeschäft.

Schnitt. Anderthalb Jahre später. Brandenburg, näher an Polen als an Berlin. Den wichtigsten Umstand über Brandenburg fasste Rainald Grebes gleichnamiges Lied schon richtig zusammen: In Brandenburg vergleichsweise wenige Menschen, weit verstreut. Die jungen Leute zieht es in die großen Städte, allen voran Berlin. Über sandigen, hügeligen Boden ziehen sich alte Alleen, die zwar sicherlich seit Honeckers Zeiten ausgebessert wurden, aber trotzdem extrem buckelig sind. Vielleicht liegt es am sich verschiebenden Sand. Ich sitze auf einer 701 Vitpilen und hoffe, dass sie mir nicht gefällt, denn sonst werde ich eine kaufen müssen.

Die buckelige Realität

Wenn der Boden glatt bleibt, funktioniert die über den Tank gezogene, hohe Sitzposition sehr gut. Die Stummellenker sorgen dafür, dass du trotz steilerer Gabel und kürzeren Radstands einen klaren Lenkimpuls setzen musst. Das hilft gegen versehentliche Fehleingaben am Lenker, zum Beispiel durch Buckel. Diese Buckel verderben mir das Design dann doch etwas. Denn wenn das Ding dann bockt und springt, fällt auf, wie sehr der Fahrer klassisch auf dem Motorrad sitzt statt modern im Motorrad, integriert. Auf dem Superbike sitzt man integrierter und kann sich außerdem mit dem Ellenbogen am Tank einhaken.