Klartext: Design im Grenzbereich

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Auf der Vitpilen muss man sich an den Bedienelementen festhalten, an denen man sich laut Lehrbuch nicht festhalten sollte. Im statistischen Mittel hat der Hintern zu wenig Sitzbankkontakt, die Lenkung erfolgt lose, mit Lenker und Rasten als einzig verlässliche Kontaktpunkte. Es ist interessant und vielleicht hat das auch ein Enduro-gewöhnter Testfahrer so abgenickt, denn er fährt ja ständig so. Doch letztendlich endet hier meine Liebe der Gestaltung. Ihr fehlt es an Eignung für den kritischen Buckelpisten-Bereich, den ich so häufig brauche.

Was mir an der Duke nicht gefällt, ist ihr gebrochen wirkendes Rückgrat. Das hat sie aber, damit der Fahrer tiefer in Fahrzeug sitzt. Was mir auch nicht gefällt, sind ihre langen Federbeine mit dem doch recht langen Nachlauf vorn. Das bringt ihr aber ein paar Supermoto-Resteigenschaften ein, die auf Buckelpisten glänzen. Als ich auf dem Husky-Bock die Buckelpisten entlangreite, verweht der Gedanke, mir eine zu kaufen, langsam im Sand – zum Glück für meine Konten. Die Vitpilen zeigt die Grenzen des Designs auf. Wäre eine andere Sitzbank gegangen? Sicher. Aber dann sähe das Ding nicht mehr so aus. Hondas Formensprache „Neo Sports Cafe“ zeigt diesen Kompromiss, den Kiska und Husqvarna nicht eingehen wollten. Es bleibt eine wunderschöne Maschine, die trotz ihrer geringen Masse am liebsten glatte, breite Strecken fährt.

Brot, Spiele, Butter, Supermoto

Dem Kaufwunsch so entkommen, schiele ich auf das andere interessante Motorrad, die Husqvarna 701 Supermoto, die uns begleitet. Kollege Sven Wedemeyer steigt gerade ab, selbst attestierte leichte Verliebtheit im Gesicht geschrieben. Als wir ein paar Spreewaldgurken später weiterreiten, verstehe ich seine Emotionen. Die 701 Supermoto brilliert im brandenburgischen Hinterland wie kaum ein anderes Motorrad. Vom hohen Ross herunter beobachte ich, wie die Hübbel meine Mitfahrer durchschütteln, während das Fahrwerk unter mir die Stoßenergien vollständig in Abwärme umwandeln. Ruhe im Sattel. Hoher Ansaugpunkt für die Fahrernase. Kiefern. Sand. Vertrocknetes Gras. Die größte Fahrbahnschwelle bisher kommt auf mich zu wie eine Asphaltwelle. Mein Vorfahrer stellt sich in die Rasten, zusätzlichen Federweg herstellend. Ich lasse mich von der Supermoto-Sänfte über den kleinen Hüpfer im Sitzen tragen. Toll. Nicht langweilig. Nicht ultrakrass. Genau richtig.

Husqvarna sagte vorher, die 701-Supermoto sei ihr „Brot-und-Butter-Motorrad“, was angesichts ihres Rufes und ihres Aussehens seltsam scheint. Aber es passt. Sie kann alles. Sie macht in der Stadt Spaß. Sie erfreut auf buckligen Landstraßen. Sie ist überraschend komfortabel beim Reisen. Sie hält jedoch trotz allem ihr Supermoto-Versprechen, und das legal. So habe ich zwar meine Schwärmereien für die 701 Vitpilen ad acta legen können, doch es nagt etwas Neues an mir. Diese „leichte Verliebtheit“ hat sich auch bei mir eingestellt. Denn was ich mir von der Vitpilen erhoffte, die Supermoto kann es wirklich: die Vereinigung von eigenständigem Design mit unkompromittierter Funktion. (cgl)