BMW hat uns alle betrogen, impliziert die DUH

Klartext: Et DUH, Brute?

Damit der Dieselskandal nicht erlischt, kippt Herr Resch mal wieder eine gute Gallone Heizöl ins heruntergebrannte Feuer. Diesmal: Ein BMW 320d wird mit vielen Fragezeichen vermessen. Das Ergebnis ist gar nicht so überraschend, wie es oftmals dargestellt wird

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BMW 520d F11 7 Bilder

(Bild: DUH)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Bevor wir die metaphorische Peitsche auf die heutige Sau im Dorf senken, möchte ich allen Lesern danken, die Input zur Kolumne der vergangenen Woche gegeben haben. Es waren großartige Anregungen dabei und die Diskussion fand in durchweg höflichem Tonfall statt. It is appreciated. Aber jetzt zur Sau, die wieder einmal von Herrn Resch (DUH) losgelassen wurde: Ausgerechnet der Musterschüler BMW hat uns alle betrogen.

Da die in München konstruierten Autos bisher stets recht gut dastanden, wenn man sie untersuchte, glaubte man auch den Aussagen des Managements, das schwor, alles gehe mit rechten Dinge zu in Sachen Dieselabgas. Dazu kommt eine Unternehmenskultur, in der Ingenieurseinwände ernster angehört werden als anderswo vielleicht üblich. Wenn man aber die aktuellen Nachrichten anschaut, entsteht schnell der Eindruck, das alles sei nur Fassade gewesen und BMW so betrügerisch wie alle.

Unabhängigkeitserklärung

Die DUH piekt immer mal wieder dahin, wo es wehtut. Das finde ich gut. Sie ist jedoch kein Verein, der das aus Nächstenliebe macht oder der auch nur besonders auf ethische Grundsätze achten würde. Die DUH verdient ihr Geld mit Abmahnungen und Zuwendungen, auch aus der Autoindustrie. Wir können zum Beispiel recht sicher sein, dass keine Toyota-Dieselmotoren als Sau losgelassen werden, weil Toyota die DUH jährlich mit einem "mittleren bis höheren fünfstelligen Betrag" unterstützt. Das habe laut DUH keinen Einfluss auf die Arbeit. Niemand ist unabhängig von seiner Existenzugrundlage. Man zeige daher Verständnis, wenn ich bei jeder DUH-Sau beide Seiten zeige. Wer Herrn Resch nur Beifall klatscht, tut der Umwelt keinen Gefallen. Auf ihn muss man ebenso achten wie auf den Rest der Industrie.

Wir können nicht in Jürgen Reschs Schädel gucken, aber von außen schaut es so aus, als lasse er jedes Mal dann eine neue Sau los, wenn er das Gefühl hat, die schwelenden Kohlen des Dieselthemas mit der Buchstabenfolge "DUH" in den Artikeln bräuchten mal wieder einen schönen Schluck Heizöl. Das Geschrei, das diese Sau produzieren wird (denn darum geht es), lässt sich recht gut planen, aus zwei Gründen. Der Dieselpendler fühlt sich erstens längst von Staat wie Herstellern gleichermaßen betrogen, wird also für die Klicks sorgen, die alle Medien dazu zwingen, das Thema aufzugreifen. Und zweitens kann man sicher sein, dass man die Zulassungs-Messwerte der meisten Motoren reißen kann, wenn man nur will. Das Verfahren ist bekannt, oft genug durchexerziert worden und jetzt ist einfach mal BMW dran. Wie sehr treffen die Vorwürfe dort?

Im Konkurrenzumfeld noch recht gut

Die DUH hat einen BMW 320d Touring (EZ 2016) mit Achtgang-Automatik untersucht. Der Wagen gehört zu einer Reihe von fünf untersuchten BMW-Fahrzeugen und diente als Anlass für einen breitenwirksamen Bericht im Fernsehmagazin Wiso. Beim Versuch, den NEFZ auf der Straße nachzubilden, sollen die Messungen für Stickstoffdioxid im Schnitt bei 182 mg/km gelegen haben, bei "NEFZ plus zehn Prozent" im Schnitt bei 470 mg/km. Ohne die restlichen Randbedingungen zu kennen sind selbst diese als Skandal verkauften Werte im Konkurrenzumfeld noch recht gut. Dort sind bei vergleichbaren Tests vierstellige Werte durchaus an der Tagesordnung.

Wir müssen es jedes Mal dazu sagen: Diese Autos sind zugelassen worden nach einem rechtlichen Verfahren, das den Grenzwert von 80 mg/km NOx unter den klar definierten Bereichen des NEFZ bei ebenso klar definierten Luftverhältnissen verlangt. Dass die Abweichungen dieser Zulassung von der Realität zu groß sind, hat zu neuen Methoden geführt, neuen Zulassungsvorschriften, mit dem WLTP als Zyklus und maximalen Abweichungen bei Realmessungen als Vorgabe. Das übrigens nicht erst seit dem Dieselskandal, sondern das war schon vorher in Planung. Nur so sind die bereits erhältlichen Motoren mit Messwerten unter 40 mg/km möglich, die ja entsprechende Entwicklungszeiten brauchten. Wenn wir den Bestandsschutz für uns als KFZ-Besitzer verteidigen (was ich tue), dann verstehen wir vielleicht auch die Haltung der Herstellerseite, dass eine gültige Zulassung sich vielleicht nicht über Nacht im Nachhinein ändern sollte, denn das macht jede Planung unmöglich.

Drieseldrösel

Der DUH-Vorwurf lautet: Manipulation. BMW wehrte sich dagegen unter anderem mit diesen Worten: "Wenn ein Tester bewusst und zielgerichtet untypische Fahrweisen im Randbereich erzwingt, um plakative Emissionswerte zu konstruieren, dann hat das Züge einer gezielten Kampagne." Danach folgen Hinweise auf die bisherigen Messungen, bei denen BMW im Testumfeld meist eher positiv auffiel. Woher der Ärger kommt, zeigen ein paar hakelige Teile des Wiso-Beitrags. Im zweiten Gang wird mit 3500/min gefahren, weil dort die Abgasrückführung offenbar deutlich herunterregelt. Das spielt der Moderator dann bis zum 5. Gang durch (112 km/h), dann hört er auf. Das Getriebe hat aber acht Gänge, von denen es im Alltag häufig schon in der Stadt den größten wählt. Die beanstandeten Fahrbereiche erreicht der normale Kunde kurzzeitig beim Überholen überlands oder längerfristig auf der offenen Autobahn, also üblicherweise außerhalb der Stadt, die die DUH pro forma vorschiebt.

Lothar Daub (DS Motorsport) tritt auf und sagt, er könne das Motorsteuergerät komplett auslesen. Er belegt das, indem er ein Kennfeld zeigt, das laut Beschriftung für das AGR-Ventil gilt. Es kann aber nicht alleine gelten, denn eine Motorsteuerung verwendet Dutzende von Parametern zur Stellung. Das merkt auch Herr Resch, als er später davon spricht, auch bei erhöhter Drehmomentabgabe des Motors gehe die AGR-Rate zurück. Drehmoment ist keine Stellgröße im Motor, sondern ein Resultat. Also sinkt schlicht unter Last die AGR-Rate. Wow. Eine große Nichtneuigkeit.

Halle vs. Straße

Dann wird der Beitrag interessant, weil er einen "NEFZ plus 10 Prozent" versucht, also erhöhte Geschwindigkeiten und Beschleunigungen. Werte auf dem Prüfstand gut. Derselbe Versuch auf der Straße: Werte deutlich schlechter. Das wirft natürlich Fragen auf, aber nicht nur an BMW, sondern auch an den Test. Einmal steht der Wagen in der Halle in NEFZ-Luft, dann fährt er draußen durch Herbstnieselregen bis Sonnenschein. Ein alter Mann behauptet in die Kamera, das Abgasverhalten scheine sich nur durch eine Zykluserkennung erklären zu lassen. Der Forensiker sieht das wohl schwieriger als er in einem Versuch, in dem sich außer "Halle"/"nicht Halle" noch Dutzende andere Parameter geändert haben. Der Sprecher im Off beschwert sich, dass man keinen Zugriff auf die Inhalte der ECU habe, obwohl Herr Daub genau das vorher behauptete. Hm.

"Es bleiben Fragen offen" am Schluss. Ja. Nur eine davon konnte ich im Gespräch mit der BMW-Technik beantworten, nämlich die zum Grund für die Abregelung des AGR. Die liege außerhalb sowohl des Prüfzyklus' als auch der meistbenutzten Fahrzustände. Den Motorschutz verteidigt BMW nicht nur mit der Motorhaltbarkeit, sondern auch mit der Sicherheit für den Kunden. Ein komplett zugesotteter Motor kann nämlich einfach ausgehen und schwer kontrollierbare Fahrzustände verursachen. Diese Versottung kennen viele Dieselfahrer, aktuell zeigt sich das Problem am VW-Update. Wahrscheinlich hätte BMW damals die Autos durchaus je 1000 bis 2000 Euro teurer machen können, um Grenzwerte einzuhalten, die sie nicht einhalten müssten, aber, Ach!: Kapitalismus – auch und gerade beim Kunden!

Wer ist als nächstes dran?

Deshalb ende ich mit etwas, das wir bei der c't auch häufig anstrebten: Ich überlasse das Urteil dem jeweiligen Leser, nachdem ich ihn mit einigen Infos bewarf, die mir zur Orientierung nützlich schienen. Als Prognose für die Zukunft scheint mir derzeit vor allem Eines sicher: Wenn sich das Thema "OMG! BMW!" beruhigt hat, ist der Nächste dran, der nicht Toyota heißt. Wen es interessiert: Ein Toyota Avensis 2.2 D-4D Combi hat in einem Test des Umweltbundesamts auf dem Prüfstand im EU-Artemis-Zyklus in etwa die Stickoxid-Werte wie der Dreier im Wiso-Beitrag auf seinen Herbstfahrten draußen. Ein Toyota Auris 1.4 D (Euro 6) kommt bei DUH-eigenen Messungen auf durchschnittlich 407 mg/km an Stickoxiden im draußen-Test. Die Nachrichten liegen in den gesamten Messwerten. Jürgen Resch ist nur der Spin Doctor.