Klartext: Fahrradfrühling

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Das Problem, das in diesem Frühjahr wieder so groß diskutiert wird, heißt also eigentlich nicht „Fahrradfahrer“, sondern „Verkehrsinfrastruktur“. Dazu gehören Maßnahmen für KFZ-Fahrer genauso wie Rad-Angebote, Öffis und die Verzahnung der Verkehrsmittel. Der Fahrradanhänger der Zahnradbahn wurde zum Beispiel von Anfang an gern wahrgenommen, um Höhe zu gewinnen, weil das auf Pedal recht viel Mühe bereitet.

Wenn man aber mehr Radverkehr will (die Stadt wünscht sich längerfristig 20 Prozent, heute sind es 5 Prozent), dann darf man das nicht als Ziel an sich sehen, sondern als Unterziel des besseren Gesamt-Verkehrsflusses. Wenn nämlich ein Radweg für 5 Prozent der Verkehrsteilnehmer für die restlichen 95 Prozent zu einer drastischen Verschlimmerung führt, dann darf sich die Stadt nicht über den Unmut der Mehrheit wundern. Die Tragik ist nur, dass die Pendler das mit Wut aufeinander ausbaden müssen und nicht die Verursacher solcher Probleme.

Das Problem ist nicht das Fahrrad

Deshalb möchte ich mit einem anderen Gedanken schließen, der wie die meisten Argumente in einer emotional überhitzten Diskussion die verführerische Form einer Anekdote annimmt: Am Wochenende fuhr ich im Auto Getränke einkaufen. Auf dem Rückweg durch eine Engstelle kam mir eine ältere Dame auf dem Fahrrad entgegen. Ich hatte Vorfahrt, gab sie ihr aber, damit sie nicht am Berg anfahren musste. Sie bedankte sich freudig. Der Mensch denkt in Geschichten, und diese führte mir meinen alten Grundsatz wieder vor: Das Problem sind nicht einzelne Verkehrsmittel, sondern das Problem sind Arschlöcher. Die Pendler haben wenig Einfluss auf das Planungschaos des Straßenverkehrs, aber viel Einfluss auf ihr Verständnis untereinander.

Es gibt dieses Jahr glaube ich signifikant mehr Fahrradverkehr als in den vergangenen. Also werden wir den ganzen Frühling davon lesen, wie sehr Autofahrer oder Radfahrer nerven, je nachdem, wer gerade schreibt, ganz ähnlich der superdummen Prozentrechnungsartikel der Motorradtoten jeden Frühling, die alleine mit dem Wetter korrelieren. Ich möchte anregen, die Metainformation daraus zu lesen: Es fahren mehr Leute Fahrrad. Das ist eine gute Nachricht für alle Pendler. (cgl)