Landlust hat vier Räder

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Es gab im Ort einen kleinen Tante-Emma-Laden, aber einen richtigen Wocheneinkauf machte man dort nicht, erstens wegen Kosten, zweitens wegen Sortiment. Nein, man fuhr normalerweise einen Ort weiter zum Penny. Mein großes Glück war damals, dass wir zusammen mit echten Freunden im selben Haus wohnten, und zum Verständnis dazu, wie echt sie waren: Sie liehen mir oft ihren weißen Nissan Primera, obwohl ich ein Fahranfänger war, der noch nie ein eigenes Auto besessen hatte. Somit muss mein Erlebnis "Land ohne Auto" noch als milde angesehen werden.

Später eröffnete auf der grünen Wiese unweit des Landsitzes ein neuer Supermarkt. Das war super, denn damit konnte ich endlich die Wocheneinkäufe anderthalb Kilometer weit zu Fuß schleppen. Das versucht jeder ein paar Mal ohne Hilfsmittel, aber dann fällt den meisten auf, dass ein Einkaufswagen ja nur einen Euro kostet und man nur ein bisschen wie ein Penner aussieht.

Kartenspiele vs. sekundäre Geschlechtsmerkmale

Der Mensch ist sehr anpassungsfähig. Wenn er also da auf dem Land sitzt, während die Gang in der Stadt tanzt, möchte er seine Situation optimieren. Bestimmt gibt es lokale Vorzüge, Unterhaltung, die es in der Stadt so nicht gibt. Also ging ich ins örtliche Schützenhaus. Ich bin mir sehr sicher, dass alles, was man über Schützenvereine sagt, unwahr ist. In Wahrheit sind sie viel schlimmer. Deshalb war ich über diesen angenehm überrascht. Wir spielten Schafkopf um Geld (ja, Franken halt) und immer, wenn ich in der Fünferrunde dran war mit aussetzen, konnte ich mir eine Waffe nehmen und auf Zielscheiben schießen. Im Vergleich zu meinen anderen Schützenvereinserfahrungen war das erfrischend normal. Nur besonders spannend war es trotz allem nicht. Als Teen fehlen dem Schafkopf-Spiel die zwei unverzichtbaren Dinge eines jungen Lebens: Brüste.

Mobilität ist lebenswertvoll, das stellt man am besten fest, wenn sie einmal fehlt. In jeder vernünftigen Stadt kann man sich heute problemlos an jeder Ecke vier Räder unterschieben, aber auf dem Land bedeutet persönliche Mobilität bis heute, dass diese vier Räder am eigenen Auto hängen. Der leserbriefschreibende Familienvater hat recht: Familien auf dem Land haben ein Auto, und zwar meistens das typische deutsche Landauto: einen zuverlässigen Kombi.