Zweimal Messen, einmal schneiden

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Gleichzeitig hilft die Mode. Mit den Nullerjahren begannen Bekleidungshersteller, auch für Frauen Motorradklamotten zu schneidern, in denen die Damen nicht mehr aussehen wie ein Stück in kreischenden Beißfarben bedruckte Presswurst. Es ist aufgrund der immer noch geringen Größe der Zielgruppe weiterhin schwierig für Frauen, passende und schöne Ausrüstung zu finden, aber dass es überhaupt mal ein paar gescheite Sachen gibt, ist schon ein großer Schritt nach vorne.

Meine Frau trägt im Sommer eine sehr gut sitzende Alpinestars-Jacke in einem italienisch kompetent ausgeführten Damenschnitt und für Touren die halbhohen Icon-Stiefel. Ihre Schüler sagten ihr, sie erinnere sie an eine "Lara Croft", und wenn das kein Kompliment ist, dann weiß ich auch keines mehr. Denn das menschliche Bedürfnis nach Anerkennung wird gerne unterschätzt. Wer für sein Hobby nur Ablehnung erfährt ("aber das ist doch GEFÄHRLICH!"), wird seltener darüber sprechen und letztendlich im Schnitt seltener ausüben.

Les Hipsteurs

Und wenn wir gerade über Mode sprechen: Den Motorrad-Hipstern hat die Szene eben auch einige Frauen zu verdanken und generell viele junge Leute. Alte Männer wie ich lehnen das in einer automatischen Immunreaktion ab, da können wir kaum anders, aber nüchtern betrachtet: Diese Szene mit ihren Cafe Racern, Bärten, Rockabilly, Umbauten, die man nicht fahren kann und Jeans, die man nicht waschen soll, die ist das Beste, was der Motorradwelt seit langer Zeit passiert ist. Früher brauchte man ein gewisses testikles Mindestgewicht, um in der Kradistenbruderschaft so aufzustinken, dass man anerkannt wurde. Heute braucht man für Akzeptanz gar keine Testikel mehr, was uns den erwähnten Frauenzustrom einbringt. Und wenn mehr Frauen nicht besser sind als weniger, dann fällt mein gesamtes Wertesystem in sich zusammen.

Die Nachfrage der neuen Szene tut allen gut. Die alte Szene war dem Diktat ihrer Testikel unterworfen. Wer zugab, dass egal wie viel Leistung ihm zu viel seien, der musste lebenslangen Spott ertragen. Deshalb behaupte ich gerne, dass ich die Duke wegen ihrer Leichtigkeit fahre. Das ist eine traditionell gültige Ausrede. Aber dass mir 68 PS beim Spaß haben helfen, das outet mich als eine schier unglaubliche Buchtel, also zur Aufklärung: ein zuckergepuderter Ofenknödel, den es bei Leistung sofort vom Sitz weht, weil ihm die Erdung von Eiern aus Blei fehlt.