Zweimal Messen, einmal schneiden

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BMW hat die S 1000 R zu einer XR verschlechtert, denn wer mehr im SUV fahren will, der hat tendenziell mehr Geld, das BMW ja haben möchte. Genauso nähern sich andere Hersteller dem Geldadel. Kawasaki etwa bringt eine (optisch) neue Versys 1000 – vielleicht in der Hoffnung, dass anders tapezierte Langeweile sich besser verkauft, und MV Agusta schafft es mit der Stradale 800 erstmalig, ein hässliches Motorrad zu bauen, was gut ist, denn Tourenmotorräder müssen scheußlich aussehen, um sich zu verkaufen.

Testosteron im Abgas

Wo wendet sich in so einer Welt der nach Testosteron stinkende, stolze Neoneanderthaler hin? Die moderne Welt scheint ihn verdrängen zu wollen. Doch selbst ihm winkt das Glück. Denn entgegen jeden ökonomischen Sinnes drängen für nächstes Jahr eine ganze Reihe von 200-plus-PS-Supersportlern auf den Markt, die den Kollegen Jochen Vorfelder eben zum traditionellen Abgesang aufs Abendland motivierten: 200 PS sind viel zu viel rhabarberrhabarber. Vor langer Zeit waren 100 PS viel zu viel. Rein mathematisch muss Jochen also richtig liegen. In der Realität dagegen ist die erste Yamaha R1 viel gefährlicher zu fahren als die jetzt kommende mit ihren über 200 PS.

Deshalb stellt Jochen die Sinnfrage. Die ist bei Motorrädern immer schwierig, weil sie über die Seelenhygiene hinaus kaum eine Funktion bieten. Selbst BMWs Retter der Motorradsparte und Topseller GS war noch nie sinnvoll, aber wohl gerade deswegen stets erfolgreich. Das Argument könnte allerdings so geführt werden: "200 PS sind noch sinnloser als eine BMW GS!" Und das ist perfekt für die Neoneanderthaler, denen ich mich anschließen möchte, sobald ich mein graupiges Buchteltum überwunden habe. Denn sie freuen sich auf folgendes Buffet: die neue BMW S 1000 RR (199 PS), die alte Kawasaki ZX-10 R (200 PS), die neue Kawasaki Ninja H2R (200 bis 300 PS), die neue Aprilia RSV4 RR (201 PS), die neue Yamaha YZF-R1 (200 PS) und die neue Ducati 1299 Panigale (205 PS). Und keiner von ihnen wird fragen "aber warum?". Sie werden einfach sagen: "Gib mir den Schlüssel, Händler!" (cgl)