Kommentar: Der trübe Euro-6-Nebel

Seite 2: Flottenverbrauch trifft Realwerte

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Wir werden im kommenden Jahr erleben, dass die Hersteller E-Autos und Plug-in-Hybride druckvoll in den Markt pressen. Dabei geht es beim Thema Flottenverbrauch nicht um Peanuts: Für alles oberhalb von 95 Gramm CO2 pro Kilometer zahlen die Hersteller künftig Strafen, die richtig schmerzen. Basierend auf dem Flottenverbrauch von 2018 käme beispielsweise auf Volkswagen eine Milliardenstrafe zu.

Flottenverbrauch trifft Realwerte

Das ist einer der Gründe, warum die Hersteller nicht jetzt schon auf die Euro 6d-ISC-FCM setzen. Mit der Euro 6d-Temp gibt die Erfassung des Realverbrauchs nicht, als Flottenverbrauch dient die Angabe im Zyklus. Man kann also vorerst weiterhin einen Verbrauch von unter zwei Litern an ein großes Auto kleben und auf den Zyklus verweisen. Das geht mit der Euro 6d-ISC-FCM zwar immer noch, nützt den Herstellern aber beim Abgleich mit den Realwerten perspektivisch eventuell nichts mehr. Sie werden die Euro 6d-Temp also nutzen, so lange es irgendwie geht. Ausnahmen gibt es natürlich, eine Übersicht findet sich beim ADAC. Filtert man dort unter „Schadstoffklasse“ nach der Euro 6d-ISC-FCM, bleiben derzeit nicht allzu viele Autos übrig, darunter auffällig viele Modelle von Mercedes.

Ein Update, das die jungen Euro 6d-Temp-Fahrzeuge auf den dann aktuellen Stand bringen würde, ist also nicht im Sinne der Industrie und wäre technisch auch viel zu aufwendig. Vielen Herstellern kann das nur recht sein. Ein Großteil ihrer Neuwagen-Produktion geht in gewerbliche Leasingverträge, die privaten Autokäufer sind meist in der Unterzahl. Würde ein Teil von ihnen mit den Füßen abstimmen und die Einstufung in eine aktuelle Abgasnorm für kaufentscheidend halten – es würde vermutlich nichts ändern. Ihre Schwungmasse ist für ein Umdenken in den entscheidenden Köpfen zu gering.

Unnötig früh veraltet

Nach drei Jahren muss der Händler gegebenenfalls sehen, wie er einen unnötig früh veralteten Gebrauchtwagen vom Hof bekommt. Er kann nur hoffen, dass es bis dahin keine Fahrverbote für Autos mit der Euro 6d-Temp gibt. Diese Hoffnung ist sehr berechtigt, aber sicher sein kann er sich keinesfalls. Ungläubigen sei das Euro-5-Drama in Erinnerung gerufen. Schon 2017 rieben sich anlässlich der Planungen erster Fahrverbote nicht nur auf Nachhaltigkeit bedachte Menschen verwundert die Augen, mit welchem Tempo junge Gebrauchtwagen zu austauschreifer Altware erklärt wurden. Wiederholung ausgeschlossen? Keineswegs! Angesichts der Summen, die für einen durchschnittlichen Neuwagen über den Tresen gehen, ist so eine aufgezwungene Wette auf die Zukunft eine Frechheit, übrigens für Kunden wie für Händler. (mfz)