Kommentar: Überraschungen in der Abgasaffäre

Inhaltsverzeichnis

Bei Mercedes stehen die Dieselmotoren mit den internen Bezeichnungen OM622 und OM651 unter Beobachtung. Beide haben in der C-Klasse seit 2014 einen SCR-Kat. Serienmäßig wurde ein 7-Liter-Tank eingebaut, gegen Aufpreis einer mit 24 Litern. Der Verdacht liegt nahe, dass auch Mercedes zu sparsam mit dem Harnstoff war. Wie BMW zeigt auch Mercedes, dass es zumindest bei den neueren Maschinen besser geht: Der mit einem riesigen finanziellen Aufwand entwickelte OM654 gehört zu den Dieselmotoren, die vergleichsweise wenig NOx ausstoßen.

Kleine Tanks

Manch ein Hersteller mag dem Kunden die Nachfüllung des Adblue-Tanks nicht zumuten und geht mit dem preiswerten Zusatz deshalb allzu sparsam um. Einige Hersteller haben anfangs mit lächerlich kleinen Tanks operiert und trotzdem eine Reichweite von Inspektion zu Inspektion beworben – das konnte nicht gut gehen. Bei einem Preis an der Zapfsäule von rund 70 Cent je Liter dürfte es aber auch Vielfahrern herzlich egal sein, ob sie auf 1000 km 70 Cent, 1,40 Euro oder auch 2,10 Euro für Adblue einrechnen müssen. Angesichts der sonstigen Unterhaltskosten spielt das schlicht keine Rolle. Man darf wohl annehmen, dass der ein oder andere Dieselfahrer liebend gern mehr ausgeben würde, wenn es der Gesundheit zuträglich wäre.

Naivität

Es ist sicher richtig, dass sich Prozesse in der Industrie nicht von heute auf morgen umstellen lassen. Doch was sind wiederholte Beteuerungen wert, wenn fast drei Jahre nach dem öffentlichen Bekanntwerden Neuwagen verkauft werden, die in dieser Hinsicht nicht makellos sind? Nahm man in den Chefetagen an, nicht erwischt zu werden? Falls dem tatsächlich so sein sollte, gehören die Verantwortlichen allein für diese Naivität zügig vor die Tür gejagt. Allen musste klar sein, dass der Diesel seit September 2015 unter verschärfter Beobachtung steht.

Recht und Moral

Was moralisch bedenklich ist, ist es rechtlich deswegen noch lange nicht. Bis hinauf zur ab September 2018 für alle erstmals in der EU zugelassenen Autos verbindlichen Abgasnorm Euro 6c muss ein Auto die vorgeschriebenen Grenzwerte nur auf dem Prüfstand einhalten. Erst mit der Euro 6d-TEMP kommt ein Test auf der Straße hinzu. Im Klartext heißt das, es interessiert den Gesetzgeber bis hin zu Abgasnorm Euro 6c nicht, wie viel NOx ein Auto abseits der Prüfstände ausstößt. Autos die nur dort sauber sind, sind rechtlich nicht zu beanstanden – es sei denn, sie verwenden die Prüfstandserkennung dafür, eine Abschalteinrichtung zu nutzen. Das ist illegal, egal wo auf der Welt.