Nachruf: Ferdinand Piëch

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Um BMW und vor allem Mercedes den Kampf anzusagen, waren das hilfreiche Steighilfen. Doch es brauchte noch Zeit, um trotz moderner Entwürfe wie dem Audi 100 (Typ 44) oder dem Audi 80 (Typ 89) und technischen Sonderwegen wie dem Audi A8 mit Alukarosserie oder dem TDI-Motor in die Topliga aufzusteigen. Piëch hat fraglos großen Anteil daran, dass dies gelang. Audi wird heute in einem Atemzug mit BMW und Mercedes genannt.

Der Wechsel

Anfang 1988 übernahm Piëch den Vorstandsvorsitz bei Audi und behielt ihn fünf Jahre. In dieser Zeit wurde beispielsweise der erste A4 entwickelt, der maßgeblich zu Audis Aufstieg beitrug. Als Piëch Anfang 1993 als Vorstandsvorsitzender zu VW wechselte, übernahm er einen schwierigen Job, denn die Marke steckte in einer finanziell schwierigen Situation.

Die Produktion war zu teuer und zu unflexibel, dazu zeigten sich ausgerechnet am Bestseller Golf Qualitätsprobleme. Dass sie nicht nachhaltig das Image beschädigten, hatte VW zwei glücklichen Begleitumständen zu verdanken. Zum einen zehrte man vom guten Ruf des zweiten Golf, zum anderen kämpfte die direkte Konkurrenz von Ford und Opel mit noch heftigeren Qualitätsschwächen. Piëch holte den Sanierer José Ignacio López de Arriortúa von GM – einer der wenigen großen Fehler von Piëch. Es folgte eine juristische Auseinandersetzung mit GM, die Volkswagen schließlich mit 100 Millionen Dollar und der Zusage, Teile für 1 Mrd. Dollar von GM zu beziehen, beilegte. López drückte die Einkaufspreise der Zulieferer gnadenlos, in der Folge sank die Qualität. 1996 musste López gehen, seine Vorstellungen waren mit denen des Perfektionisten Piëch nicht zu vereinen.

Freude an technischen Sonderwegen

Es gibt im Rückblick vieles in dieser Ära, was Piëch erfolgreich umgesetzt hat. Die Integration, eigentlich vielmehr die Wiederbelebung von Skoda ist eine nachhaltige Erfolgsgeschichte. Die Marke steht heute besser da denn je, Modelle wie Fabia und Octavia sind etablierte Bestseller. Dazu blitzte immer wieder die Lust an technischen Sonderwegen auf, die Piëch zwar nicht mehr selbst entwickelt, aber doch unterstützt hat. Dazu zählen sicherlich der 3-Liter-Lupo, der V10-TDI oder auch der VW XL1. Der 2002 vorgestellte VW Phaeton blieb glücklos, doch wer sich dem Auto unvoreingenommen nähert, zollt ihm rasch Respekt. Ihm fehlte es an Image, technisch war er mit den damaligen Luxusautos auf Augenhöhe.

Über die Jahre zeigte sich auch ein ausgeprägter Machtwille von Ferdinand Piëch. 2002 trat er als Vorstandsvorsitzender zurück und wechselte zeitgleich in den Aufsichtsrat von Volkswagen. Je nach Auslegung könnte man sagen, er zog von dort aus weiter an den entscheidenden Fäden. Freundlicher formuliert hatte sein Wort noch immer Gewicht. Im Poker um den Versuch von Porsche, Volkswagen zu übernehmen, bewies er mehr Geschick als seine Gegenspieler. Am Ende übernahm Volkswagen Porsche. In der Folge wird wohl nicht jeder Mitarbeiter in Zuffenhausen mit Ferdinand Piëch warmherzige Gedanken verbinden, was ihn zumindest äußerlich nie gestört hat.

Winterkorn: Zu ähnlich?

2007 setzte Piëch seinen Wunschkandidaten an der Spitze von VW durch. Mit Martin Winterkorn übernahm ein Techniker die Macht, der ähnlich dachte wie Piëch. Um so erstaunter dürfte manch einer gewesen sein, als Piëch 2015 in einem Nebensatz fallenließ, er sei „auf Distanz“ zu Winterkorn. Was folgte, war ein von Piëch kalkuliertes, politisches Erdbeben, an dessen Ende er gehen musste. Winterkorn schien der Gewinner.

In der Retrospektive darf spekuliert werden, inwieweit der 2015 einer breiten Öffentlichkeit bekanntgewordene Abgasbetrug in dieser Angelegenheit seine Schatten vorauswarf. VW war mehrfach gewarnt worden und hat nicht reagiert. Winterkorn war an der Spitze nicht zu halten und musste wenige Tage nach dem Bekanntwerden des Betrugs gehen. Beide, stets auch an technischen Details stark interessiert, wollen nichts gewusst haben. Mit dem einst imageträchtigen TDI-Logo lässt sich heute kaum mehr werben.

Piëch zog sich 2017 aus dem Geschäft endgültig zurück. Er verkaufte fast alle Stammaktien der Porsche Automobil Holding SE und zog sich auch aus dem Aufsichtsrat der Porsche Holding SE zurück. Am 24. August 2019 brach er bei einem Essen in Rosenheim zusammen und verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus. Er hinterlässt Ehefrau Ursula und 12 Kinder aus vier Beziehnungen. (mfz)