Plug and Drive

Seite 2: Plug and Drive

Inhaltsverzeichnis

Heute ist er sehr hoch, weil die Vernetzung eine oft nicht vorhersehbare Eigendynamik entwickelt.“ Die einzelnen Steuergeräte funktionieren im Normalfall einwandfrei, in der Kommunikation mit anderen kann es aber zu schweren Missverständnissen kommen, weil schon im Entwurf der Blick auf das Gesamtsystem und sein Verhalten fehlt.

Ordnung im Software- und Schnittstellen-Dschungel

Inzwischen versuchen die Hersteller, Versäumtes nachzuholen und eigenes IT-Know-how aufzubauen. BMW etwa hat – wie andere Hersteller auch – ein eigenes Tochterunternehmen gegründet, die BMW CAR IT, das zwar nicht in einer Garage, aber immerhin in einem Hinterhof am Petuelring in München untergebracht ist. Ein Team von rund 40 auffällig jungen Mitarbeitern sitzt hier vor den Rechnern. Dass es sich um eine BMW-Zweigstelle handelt, würde man nicht gleich erkennen: Keine einschlägigen Poster an den Wänden, keine Modellautos auf den Schreibtischen. „Wir begreifen uns hier als Satellit, der beobachtet, was in der IT-Welt passiert beziehungsweise passieren sollte, und was wir zu BMW und in die Serienfertigung transferieren können“, sagt Leiter Harald Heinecke.

FlexRay in Serie

Der Erfolg ist offensichtlich, trotz eines neuen M5, der seinen Fahrer mit 297 anwählbaren Fahrdynamikprogrammen allein lässt: BMW gilt als jenes Unternehmen, das in Sachen IT am weitesten ist. BMW hat im X5 den neuen FlexRay-Bus bereits in Serie, will auch bei der Einführung des Autosar-Standards die Pole-Position einnehmen. Der zeitgesteuerte FlexRay-Bus soll einen verlässlichen Zeitplan und mehr Bandbreite in der Kommunikation schaffen (entscheidend vor allem für zeitkritische Anwendungen wie zum Beispiel zukünftige X-by-wire-Funktionen), Autosar Ordnung im Software- und Schnittstellen-Chaos. „Beides ist aber nicht zur Behebung einer Fehlerlandschaft gedacht, sondern als Vorausstandardisierung für zukünftige Aufgaben“, betont Heinecke.

Autosar (Automotive Open System Architecture) ist die Formel, mit der die Hersteller ihre Software-Probleme in den Griff bekommen wollen. Die Entwicklungspartnerschaft, die mit fast allen wichtigen Herstellern, Zulieferern und Sublieferanten besetzt ist, will – bis knapp vor der eigentlichen Funktionalität wie ESP- oder Klimaregelung – einen offenen und gemeinsamen Standard für die Software im Auto schaffen. „Bisher haben wir alle auf Software-Ebene proprietäre Lösungen entwickelt“, erklärt Heinecke den Stand der Technik. Und zwar bis in die Details wie Netzwerkmanagement oder CAN-Bus-Treiber. Die Konsequenz: Jeder Hersteller, jeder Zulieferer musste für jede Neuentwicklung immer wieder ganz von vorn anfangen.

Gemeinsamer Standard gegen Wildwuchs an Steuergeräten

Aus Kostengründen konzentrierte sich die Autoindustrie lange Zeit auf in der Massenproduktion preiswerte Mikroprozessoren, deren Software der jeweiligen Hardware speziell auf den Leib geschrieben wurde. Änderte sich die Hardware, musste und muss umprogrammiert werden, ein eher fehleranfälliges und durchaus kostspieliges Verfahren, schließlich muss Software nicht nur geschrieben, sondern auch gründlich getestet werden. Zudem wurde oft der gerade günstigste Prozessor für genau die eine Funktion, die es zu implementieren galt, eingekauft – unabhängig davon, dass die Entwickler sich womöglich vollständig neu in Hardware und Programmierung einarbeiten mussten.

Diese Insellösungen mit typischerweise nur einer einzigen Funktionalität führten schließlich zum Wildwuchs an Steuergeräten mit unterschiedlichsten Prozessoren, der nun in der Vernetzung Probleme macht. Und: Ein gut ausgestattetes Auto fährt heute mit drei Gierratensensoren durch die Gegend, einer für das ESP, einer für die Navigation, einer für die Abstandsregelung.

Mit dem – vorläufig nur für Mitglieder – offenen Autosar-Standard soll nun alles besser werden: Das wichtigste Ziel ist die Trennung von Hard- und Software, mit der Absicht, Software wiederverwendbar zu machen. Der gemeinsame Standard soll die Basissoftware, das Runtime Environment als Kommunikationszentrum für alle Software-Komponenten eines Steuergeräts und die Schnittstellen zur konkreten Anwendung umfassen. Das Motto: „Cooperate on standards, compete on implementation.“ Wann und wie stark ESP zu regeln beginnt, bleibt natürlich Gestaltungshoheit der einzelnen Hersteller.

Mehr Entwicklungskapazität, weniger Fehler

Auf diese Weise hofft man, mehrere Probleme mit einem Schlag zu erledigen: Erstens gewinnt man Entwicklungskapazität, wenn nicht jeder für jede Neuentwicklung zurück zum Start muss. Zweitens darf man damit rechnen, dass die gemeinsame Software weit gehend fehlerfrei läuft, allein deshalb, weil Fehler viel schneller gefunden werden, wenn sie von allen gemeinsam gesucht werden. Mit den standardisierten Schnittstellen gewinnt man drittens Bewegungsfreiheit im Netzwerk, weil neue Software auf jedem Steuergerät untergebracht werden kann, wo ausreichend Speicherplatz frei ist. Damit kann die Anzahl der Steuergeräte reduziert werden, zu viel sollte man aber in dieser Hinsicht nicht erwarten.