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Toyotas Wasserstoffperspektive

Von Tiefstaplern

Elektroautos Christoph M. Schwarzer
Brennstoffzellenantrieb, alternative Antriebe, Wasserstoff

Zurückhaltung ist angesagt. Die japanische Mentalität ist auch bei den deutschen Mitarbeitern von Toyota spürbar. Niemand redet schlecht über die Konkurrenz. Batterien, so heißt es, seien eine sehr gute Sache. Schließlich baue man selbst über 200 Millionen Zellen pro Jahr für die Hybridautos

Berlin, 23. März 2015 – Zurückhaltung ist angesagt. Die japanische Mentalität ist auch bei den deutschen Mitarbeitern von Toyota spürbar. Niemand redet schlecht über die Konkurrenz. Batterien, so heißt es, seien eine sehr gute Sache. Schließlich baue man selbst über 200 Millionen Zellen pro Jahr für die Hybridautos. Von denen sind inzwischen rund acht Millionen vom Band gelaufen. Dem Brennstoffzellenfahrzeug Mirai, das von der zu einem Workshop nach Berlin gereisten Presse zwar angefasst und bestiegen, nicht aber gefahren werden durfte, räumt Toyota dennoch beste Chancen ein. Nicht umsonst bedeutet der Name übersetzt „Zukunft“. Und darum geht es dem japanischen Autokonzern: um eine langfristige Perspektive. Dass diese nahtlos ins Konzept der deutschen Energiewende passt, ist kein Zufall – der Inselstaat Japan ist abhängig von Rohölimporten. Genau wie wir.

Um zu zeigen, auf welcher Zeitachse sich Toyota die Verbreitung von Wasserstoff-Fahrzeugen vorstellt, verweist man auf die Hochlaufkurve bei den Hybridautos: Davon sind im ersten Jahr (1997) nur 332 ausgeliefert worden. Im zweiten waren es 17.656. Und im zehnten kamen 429.415 dazu – die Million war endlich voll, und erst seitdem explodieren die Absatzzahlen.

Drei Mirai pro Tag – weitgehend mit Großserientechnik

Vom Mirai dagegen rollen nur drei pro Tag vom Band. In Handfertigung, denn man will die Prozesse genau kennenlernen und beherrschen, bevor man in die Vollen geht. Das Ziel ist die gewohnte Toyota-Qualität und ein Verkaufspreis, mit dem sich Gewinn erzielen lässt. Irgendwann jedenfalls. So ist es wenig verwunderlich, dass der Mirai auch der nächste Prius [1] sein könnte: das konsequente Gleichteileprinzip innerhalb des Konzerns ist an Schaltern, Hebeln und andern Details sichtbar.

Wichtiger als das unmittelbar Greifbare ist, dass die Technik in weiten Teilen mit der Großserie der Hybridautos identisch ist. Die Nickel-Metallhydrid-Pufferbatterie, die Leistungselektronik, die E-Maschinen, alles stammt von Prius und Konsorten. Neu sind lediglich zum einen der Brennstoffzellenstack, der bei 37 Litern Volumen 56 Kilogramm wiegt, sowie der Tank, der 87,5 Kilogramm auf die Waage bringt und ein Bauvolumen von 122,4 Litern beansprucht. Der Fahrer kann in drei Minuten fünf Kilogramm Wasserstoff hineinfüllen. Genug für etwa 500 Kilometer mit dem 114 kW (155 PS) starken Elektromotor. Startpreis inklusive Vollausstattung: 78.580 Euro.

Die Kommunikationskultur von Toyota ist geprägt von demonstrativer Bescheidenheit. Immer wieder ist vom kleinen Anfang die Rede, von Zeithorizonten, die weit über das Jahr 2025 hinausgehen. Es ist, als wäre man in einer Gegenveranstaltung zu Tesla Motors, wo bei einem Auftritt von Elon Musk immer wieder applaudiert wird und „Wow“-Rufe den Vortrag begleiten. Und so richtig nimmt man den Japanern die Tiefstapelei nicht ab. Es wirkt kokett, wenn der größte Autohersteller der Welt einen Film mit einer Monteurin in weißer Kleidung zeigt, die mit einem Schraubenschlüssel die Muttern des Mirai anzieht. Hinter der zur Schau gestellten Manufaktur steht eine Strategie [2], und die ist letztlich auf die Massenfertigung ausgerichtet, auf die ganz große Stückzahl. Ja, sagt Toyota, wir können und werden Batterie-elektrische Mobilität anbieten. Aber ohne Wasserstoff wird es nicht gehen, wenn alle Fahrzeuge (und hier sind immer auch Busse und Lkws gemeint) zu vertretbaren Kosten elektrifiziert werden sollen. Das ist die These, und das ist das Ziel.

Um das zu untermauern, hat Toyota Werner Diwald vom Deutschen Wasserstoffverband (DWV) eingeladen, der zugleich durch seine frühere Arbeit bei Enertrag [3] als Fachmann für Windwasserstoff bekannt ist.

Kern von Diwalds Vortrag ist die Notwendigkeit des Zusammenwachsens der Energiemärkte von Strom, Mobilität und Wärme in Deutschland. Eine Abkehr von den fossilen Ressourcen ist nur im Zusammenspiel möglich. So negiert Diwald keineswegs die Aussichten von Batterie-elektrischen Autos. Um aber die Schwankungen im Stromnetz des Jahres 2050 auszugleichen, reiche deren Kapazität nicht aus.

Speicherbedarf von 40 Terawattstunden pro Jahr

Er rechnet vor, dass wegen der fluktuierenden Produktion von Wind- und Solarkraft sowie der zugleich volatilen Nachfrage ein Speicherbedarf von 40 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2050 vorhanden sein wird. Zu viel, um das durch Batterien abzudecken, zumal es darum gehen wird, im Sommer erwirtschaftete Solarenergie für den Winter vorzuhalten. Nur Power-to-Gas, also die Umwandlung von elektrischem Strom in Gas, biete hier ausreichende Perspektiven. Für alle, die es immer noch nicht glauben wollen: Wasserstofftanks im Auto sind fünf Mal so dicht wie die von Benzin, nichts diffundiert nach außen. Und unterirdische Kavernen verlieren nur rund 0,5 Prozent pro Jahr, sie sind also als Speicher geeignet.

Die Frage ist demnach nicht, ob mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellenautos in Konkurrenz zum Batterie-elektrischen Fahrzeug stehen, sondern ob es ohne Wasserstoff gehen wird, wenn vollständig auf fossile Quellen verzichtet werden und damit die Energiewende gelingen soll.

Für einen fließenden Übergang zeichnet Werner Diwald einen interessanten Weg vor: Wasserstoff ist keine neue Erfindung, sondern ein seit Jahrzehnten verwendetes Industriegas. So wird es zum Beispiel bei der Produktion von Dieselkraftstoff in der Raffinerie eingesetzt. Hier kann Windwasserstoff den bisher durch Reformierung aus Erdgas gewonnenen Wasserstoff ersetzen – der Gesetzgeber schafft durch die Überarbeitung des Biokraftstoffquotengesetzes [4] gerade die Voraussetzungen, diesen als Alternative für Agro-Sprit anzuerkennen. Wenn genug Elektrolyseure vorhanden sind und das Potenzial an dieser Stelle ausgeschöpft ist, kann der Wasserstoff an den reinen H-Tankstellen Stück für Stück durch „grünen“ ersetzt werden. Zu viel Vision? Keineswegs. Nur eben ein Plan, der über eine Legislaturperiode weit hinausgeht.

Japan ist führend bei der Batterieherstellung

Es liegt in der Natur Presseveranstaltung, dass Toyota nur Apologeten der eigenen Technologie für den Vortrag einlädt. Klar ist aber trotzdem, dass der Mirai [5] vor allem eine Botschaft mitbringt: „Wir meinen es ernst“. Mag das Design des Mirai etliche Fragezeichen aufwerfen, die Technik tut es nicht. Die Japaner haben mutmaßlich genau ausgerechnet, welcher Energiespeicher im Paket aus Nutzbarkeit, Kosten und Gewicht die besten Perspektiven hat. Sie haben sich gegen die Batterie entschieden – obwohl es kaum eine Industrienation gibt, die ein derart großen Schatz von Firmen wie GS Yuasa oder Panasonic hat, die beste Zellen anliefern könnten.


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https://www.heise.de/-2582498

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Zwei-Monate-mit-dem-Toyota-Prius-Plug-In-Hybrid-2170065.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Toyota-Nissan-und-Honda-wollen-Subventionen-fuer-H2-Tankstellen-mittragen-2548470.html
[3] https://www.enertrag.com/index.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Gruener-Wasserstoff-kann-Beimischung-von-Biosprit-ersetzen-2429273.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Name-Verkaufsdatum-und-Preis-fuer-Toyotas-Fuel-Cell-Vehicle-FCV-2459164.html