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Das DKG ist vielseitig einsetzbar und hervorragend "programmierbar"

Varianten des Doppelkupplungsgetriebes

Technik ggo

Ob längs oder quer, komfortabel oder sportlich – schon nach kurzer Karriere erweisen sich Doppel­kuppungsgetriebe als Anpassungs­­künstler. Sie sind vielseitig einsetz­bar und hervor­ragend "programmierbar"

Hannover, 29. Oktober 2010 – Wenn man nach den Trends der letzten Jahre bei Pkw-Antrieben fragt, fällt vielen zunächst der Elektroantrieb ein – obwohl es ihn so gut wie nicht zu kaufen gibt. Die für Autofahrer erlebbaren Trends sind andere: Downsizing etwa, Start-Stopp-Systeme oder Bordnetzrekuperation. Zudem setzt sich das Doppel­kupplungs­getriebe (DKG) immer mehr durch. Es hat einen hohen Wirkungsgrad, ist komfortabel und lässt sich per Software auf unterschiedlichste Anwendungen anpassen. Sie reichen mittlerweile vom Kleinwagen bis zum Supersportwagen, und das Angebot wird immer reichhaltiger.

Den Anfang in der Großserie machte Volkswagen mit einem nassen DKG, also mit Kupplungen im Ölbad, dem DQ250. Bisher jüngster Spross, freilich nur auf Drehmoment von (offiziell) bis zu 250 Nm ausgelegt, ist das 7-Gang-DSG [1] DQ200, das mit Trockenkupplungen und bedarfsgesteuerter Ölpumpe für die Aktuatorik einen neuen Maßstab bei der Effizienz setzte. Etwas Energie braucht es natürlich immer noch zum Schalten und Kuppeln, eine große Spreizung der sieben Gänge hilft aber, diesen Nachteil gegenüber einer Handschaltung sogar überzukompensieren. Ebenfalls in größerem Maßstab gebaut wird das nasse DL501 mit sieben Gängen für den Längseinbau bei Audi.

Das Angebot wächst

Volkswagen steht mit der Technik nicht mehr alleine da – doch die Wolfsburger werden es verschmerzen, weil die Konkurrenz sie in ihrem Handeln nur bestätigt. Als Volumenanbieter sind mittlerweile Getrag und Fiat hinzugekommen, die DKGs im großen Stil produzieren. Während Fiat noch am Anfang steht, hat sich Getrag zum Hersteller mit dem breitesten Portfolio entwickelt. Bei einem Besuch in Untergruppenbach erläuterte uns Chefentwickler Hartmut Faust die Unterschiede der verschiedenen DKGs, die derzeit im Angebot sind.

Scheinbar aus dem Nichts hat sich Getrag zum Vollsortimenter hochgearbeitet, kann den Markt heute im Bereich von 250 bis 750 Nm Drehmoment bedienen. Die ersten DKGs gingen 2007 in Serie, mit der Entwicklung der Technik begann Getrag im Jahr 2004. Hartmut Faust bezeichnet die Anfänge als "regelrechten Kraftakt". Doch er und seine Kollegen wussten seinerzeit, dass die Spezialisierung auf Hand­schalt­getriebe (HSG) und automatisierte Schaltgetriebe (ASG) auf Dauer nicht reichen würden – und konventionelle Wandler-Automatikgetriebe wie der zweite deutsche Getriebespezialist ZF baut Getrag nicht. Die Kernkompetenz für das schwierige Projekt war vorhanden: Ein Doppelkupplungsgetriebe besteht zwar logisch aus zwei Teilgetrieben, ist aber einem Handschaltgetriebe im Aufbau sehr ähnlich, bis hin zu den Radsatzanordnungen.

Illustre Kundschaft

Mit Ford in Köln fand Getrag einen Partner, der ebenfalls auf Doppelkupplungsgetriebe setzte; daraus entstand das Gemeinschaftsunternehmen Getrag Ford Transmissions [2] mit Sitz in Köln. Unter der Bezeichnung "Powershift", so heißen sie auch bei Getrag, verbaut Ford derzeit zwei DKGs – das "nasse" 6DCT450 und neuerdings auch das "trockene" 6DCT250. Ford ist aber längst nicht mehr der einzige Kunde, von BMW über Mitsubishi bis zu Ferrari gibt es heute eine illustre Kundschaft.

Das jüngste Mitglied der Getriebefamilie, das 6DCT250, wird derzeit im Ford Fiesta für Nordamerika sowie in den verschiedenen Karosserievarianten des Renault Mégane [3] und Scénic angeboten, dort übrigens für einen vergleichsweise günstigen Aufpreis von 1300 Euro. Das 6DCT250 kann man als direkten Konkurrenten zum 7-Gang-DSG von VW betrachten, weil es einen besonders guten Wirkungsgrad bietet, wenn auch mit anderen technischen Mitteln.

Trocken gelegt

Ein Vergleich: Während VW auf sieben Gänge mit großer Gesamtspreizung setzt, entschied sich Getrag für eine Auslegung mit sechs Gängen. Beiden gemeinsam sind die Trockenkupplungen, die den Wirkungsgrad im Vergleich zu nassen Kupplungen laut Hartmut Faust um rund 1 bis 2 Prozent verbessern. Warum? Prinzipbedingt muss bei einem DKG ja immer eine Kupplung offen bleiben. Bei Trockenkupplungen gibt es dabei wegen des Luftspalts keinerlei Reibung, bei Kupplungen im Ölbad dagegen entstehen Schleppverluste.

Dass es Getrag im Unterschied zu Volkswagen bei sechs Gängen belässt, hängt mit der geforderten Anwendung zusammen. Bei extremem Downsizing in Verbindung mit Aufladung braucht man viele Gänge, um den Zielkonflikt zwischen hoher Spreizung und möglichst kleinen Drehzahlsprüngen zu lösen. Diese Anforderung ist aber beim Renault Mégane 1.5 dci und im Ford Fiesta nicht gegeben. Ihr nutzbares Drehzahlband ist breit genug, sechs Gänge genügen. In diesem Fall ist der Zielkonflikt von Kosten, Komplexität und Bauraum einerseits und Nutzen andererseits sinnvoll gelöst. Bei etwas anders gelagerten Anwendungen spräche nichts dagegen, eine Variante mit sieben Gängen zu entwickeln.

Durchgängig elektrisch

Radikaler als VW geht Getrag bei der Aktuatorik für das Schalten und Kuppeln vor. Beides erfolgt komplett elektromechanisch, das 6DCT250 kommt also ohne jede Hydraulik aus. Die durchschnittliche elektrische Leistungsaufnahme soll zirka 15 Watt in der Praxis betragen, das ist weniger, als die Rückleuchten benötigen. Eine rein hydraulische Lösung benötigt laut Faust 300 bis 500 Watt, die Elektrohydraulik im 7-Gang-DSG etwa 60 Watt.

Die Technik für die Kupplungsbetätigung stammt vom Kupplungsspezialisten LuK, benötigt verblüffend wenig Energie und funktioniert so: Ein Elektromotor bewegt eine Spindel, an deren Ende eine kleine Walze befestigt ist. Wenn diese heruntergefahren wird, verschiebt sie den Drehpunkt des Einrückhebels, fast so, als ob man den Drehpunkt einer Wippe verlagern würde. Die eigentliche Einrückkraft stellt ein Federspeicher bereit, der oben am Hebel angreift. Der Elektromotor muss also nur die Kraft aufbringen, um per Spindel den Drehpunkt zu verschieben. Ist die Kupplung erst einmal geschlossen und der Kraftschluss hergestellt, wird nur noch wenig Halteenergie benötigt. Es ginge bei geeigneter Hebelauslegung auch ohne Energieeinsatz, das allerdings ist gar nicht gewünscht.

Denn wie bei den meisten DKGs ist die Kupplung energielos offen ausgelegt, also "normally open", wie es im Fachjargon heißt. Bei Wegnahme der Betätigungsenergie öffnen sich die Kupplungen selbsttätig, um im Fehlerfall ungewollte Verspannungen der beiden Teilgetriebe zu vermeiden. Eine Ausnahme ist übrigens das C635DDCT von Fiat Powertrain, bei dem die Kupplung für die ungeraden Gänge "normally closed" ist – was ebenfalls kein Problem ist, weil auch hier nicht zwei Kupplungen gleichzeitig "zu gehen" können.

Einfach weiter drehen

Auch für das Schalten der Gänge gibt es beim 6DCT250 eine besondere Lösung, die an Motorradgetriebe erinnert. Wie dort werden zur Gangwahl Schaltwalzen eingesetzt, allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: Während dort die Gänge nur einer nach dem anderen durchgeschaltet werden, können hier die beiden Schaltwalzen für die Teilgetriebe per Elektromotor einfach weiter gedreht werden – in Ausnahmesituationen kann sogar über drei Gänge in einem Zug geschaltet werden, zum Beispiel vom 6. in den 3. oder vom 5. direkt in den 2. Gang.

Summa summarum bietet die elektromechanische Aktuatorik mehrere Vorteile: Zum einen fallen sämtliche Hydraulikelemente weg, der Wirkungsgrad ist nach heutigem Stand optimal und es kann problemlos bei ausgeschaltetem Motor geschaltet und gekuppelt werden – was für Start-Stopp-Systeme oder Hybridantriebe notwendig ist. Dies leistet zwar auch eine Elektrohydraulik, doch der durchgängig elektrische Weg ist konsequenter. Im Prinzip wäre die Technik auch für größere DKGs geeignet, bisher ist das 6DCT250 aber das einzige seiner Art im Markt.

Wie geschmiert

Schon länger im Programm ist eine Reihe von "nassen" DKGs, bei denen Schalten und Kuppeln hydraulisch erfolgt. Getrags Erstling ist das 6DCT450. Die Bezeichnung steht für sechs Gänge, Dual Clutch, Transverse (quer) und das maximal übertragbare Drehmoment von 450 Nm. Das 6DCT450 wird in mehreren Ford- und Volvo-Modellen der Kompakt- und Mittelklasse verbaut, zudem im Chrysler Sebring, dem Dodge Avenger und dem Dodge Journey. Für eine ähnliche Drehmomentsklasse ist das 6DCT470 ausgelegt, das in den Modellen Mitsubishi Evo, Lancer und Outlander sowie dessen Ablegern Peugeot 4007 und Citroën C-Crosser angeboten wird.

2 mal 2 oder 3

Dass es in dieser Drehmomentklasse zwei Ausführungen gibt, hängt mit der unterschiedlichen Einbaulage zusammen. Während das "450" ein Dreiwellengetriebe ist, legte Getrag das "470" mit 2×2 Wellen aus. Bei einer Dreiwellenauslegung werden die Gänge auf zwei parallel zur Eingangswelle liegenden Abtriebswellen verteilt. So werden kompakte Getriebe möglich, die gut für den Quereinbau geeignet sind. Noch kürzer, dafür höher, ist das 6DCT470. Hier werden zwei Dreiganggetriebe mit jeweils zwei Wellen zusammengeschaltet, so dass sich eine noch kürzere Bauweise ergibt. Diese Konstruktion war für den Mitsubishi Evo nötig, das "450" wäre für ihn schlicht zu lang gewesen.

In die Länge gezogen

Noch höhere Drehmomente überträgt das 7DCI600, welches Getrag für BMW [4] baut. Es wird für die Modelle M3, 335i, Z4 und 135i angeboten. Das "I" steht für Inline, also Hinterradantrieb, wie er bei BMW üblich ist. Optisch erinnert das 7DCI600 an einen Wandlerautomaten, was auch kein Zufall ist: Das DKG musste zur vorhandenen Bauraumsituation passen, in diesem Fall in den Bereich zwischen Motor und Kardantunnel. Deshalb wählten die Entwickler einen Zweiwellenradsatz, bei dem alle Zahnräder hintereinander sitzen. So ergibt sich die lange Bauform – die aber nicht stört, weil der Platz Richtung Hinterachse ohnehin vorgesehen ist. Eine Besonderheit ist zudem die konzentrische Doppelkupplung, die gut für einen kurzen Bauraum geeignet ist. Das klingt angesichts der Gesamtlänge wie ein Widerspruch, doch tatsächlich sollte das DKG exakt genauso lang werden wie der Wandlerautomat, damit die vorhandene Kardanwelle weiterverwendet werden kann.

Sportsmäßig

Die Krönung, zumindest was das übertragbare Drehmoment angeht, heißt 7DCL750, das "L" steht dabei für Longitudinal. Es wird derzeit im Ferrari California und 458 Italia eingesetzt. Hier sind die Kupplungen wieder parallel hintereinander angeordnet – das spart Bauhöhe, damit "sie nicht auf dem Boden kratzen", sagt Faust. Und auch hier gibt es wieder eine Dreiwellenanordnung, die eine kompakte Bauform ermöglicht. Während beim 7DCI600 für jeden Gang zwei Zahnräder zuständig sind, werden beim 7DCL750 Zahnräder doppelt benutzt. So geht zum Beispiel jeweils ein Antriebsrad auf den 4. und 6. Gang, die Gänge 5 und 3 sowie Rückwärtsgang und Gang 2.

Klein aber zäh

Über diese Serienanwendungen hinaus sind bei Getrag weitere DKGs in der Entwicklung, von denen die derzeit spannendste vielleicht das 5DCT150 ist. Es ist, wie der Name schon sagt, für Drehmomente bis 150 Nm ausgelegt. Dieses kleine DKG zielt vor allem auf den asiatischen Markt ab und fällt konzeptionell etwas aus dem Rahmen. Weil es nur fünf Gänge hat, kann es als Zweiweller ausgelegt werden, hat also neben Antriebswellen und Abtriebswelle nur eine Zwischenwelle, was Bauaufwand und Kosten spart. Dass fünf Gänge genügen, hängt mit den Zielmärkten zusammen, bei denen mehr als 120 km/h ohnehin nicht gefahren wird, das erlaubt eine geringe Spreizung ohne zu große Drehzahlsprünge.

Interessanterweise hat das 5DCT150 aber eine nasse Kupplung, obwohl bei 150 Nm eine Trockenkupplung eigentlich kein Problem wäre, oder doch? In diesem speziellen Fall gaben die typischen Bedingungen in Schwellenländern den Ausschlag, wo der Hausstand schon mal auf dem Dach mitfährt und oft widrige klimatische Bedingungen herrschen.

Klimakontrolle

Letzteres führt zu der Frage, ob das nicht auch für die heißen USA gilt, wo der Fiesta [5] mit dem trockenen 6-Gang-DKG verkauft wird – zumal es dort auch häufig Straßen mit extremen Steigungen gibt, man denke nur an San Francisco. Doch erstens ist hier Missbrauch unwahrscheinlich und zweitens die Getriebesteuerung auf etwaige Überlastung vorbereitet. Beim 6DCT250 wird wie bei den anderen DKGs permanent über ein Modell mitgerechnet, ob die Kupplungen zu heiß werden – und falls ja, wird durch Eingriff in die Motor- und Getriebesteuerung ein reibungsärmeres Einkuppelverhalten eingesteuert.

Ohnehin lässt sich der Charakter von DKGs "per Software" erstaunlich vielfältig anpassen. Da das Schalten aus Sicht des Fahrers eigentlich nur ein Umkuppeln ist – der Schaltvorgang ist ja bereits vorbei – kann das "Schaltgefühl" fast beliebig beeinflusst werden. Zudem lassen sich natürlich die Schaltzeitpunkte im automatischen Betrieb fast beliebig variieren.

Automatikersatz

Bei Getrag in Untergruppenbach und in Köln konnte ich einige Fahrzeuge mit unterschiedlichen DKGs fahren, die allesamt ihren eigenen Charakter zeigen – vom Renault Mégane mit dem 6DCT250 bis hin zum BMW M3 mit dem 7DCI600. Wie im Fiesta für die USA folgt die Auslegung des DKGs im Mégane dem Motto "keep it safe and simple": Sie ist auf komfortables und sparsames Fahren ausgelegt, irgendwelche Knöpfchen zum Umschalten der Charakterisik fehlen völlig. In dieser Auslegung ist das DKG ein 1:1-Ersatz für eine Wandlerautomatik, fühlt sich kaum anders an, spart aber laut Getrag im Vergleich zu dieser bis zu 17 Prozent Kraftstoff.

Solch eklatante Vorteile kommen zustande, weil bei Wandlerautomaten im C-Segment natürlich nicht der technische Aufwand betrieben werden kann, wie es etwa ZF oder Mercedes-Benz für Oberklasse-Fahrzeuge tun – ansonsten würde die Preisschere zwischen DKG und Schaltautomat noch mehr als ohnehin schon auseinander driften. Wie gesagt, bei Renault kostet das trockene DKG 1300 Euro Aufpreis, das wird allenfalls von einem holprig automatisierten Schaltgetriebe oder einem einfachen CVT unterboten – welches dann aber beim Verbrauch im Nachteil ist. Die Amerikaner haben es noch besser: Beim US-Fiesta beträgt der Aufpreis nur knapp über 1000 Dollar.

Freude am Schalten

Unauffällig, komfortabel, sparsam, das ist die eine Seite. Fast am anderen Ende rangiert der BMW M3 [6] mit seiner "M-DKG Drivelogic", so heißt das 7DCI600 bei BMW. Für den 420-PS-Sportler haben Getrag und BMW eine Regelelektronik mit elf Fahrprogrammen geschneidert, allein fünf davon im automatischen Modus. Der M3 beherrscht so fast die gesamte Bandbreite möglicher Charakteristika von genügsam-komfortabel bis aggressiv-sportlich. Dabei werden sowohl die Drehzahlen für die Schaltpunkte variiert als auch das Schaltgefühl beeinflusst, um diesen nicht ganz korrekten Begriff der Einfachheit halber beizubehalten.

Spiel mit Momenten

Die Parameter, die es im Hinblick auf das Schaltgefühl zu regeln gibt, sind im Wesentlichen das Öffnungs- und Schließverhalten der beiden Kupplungen und das dabei eingesetzte Motormoment. Im Komfortmodus zum Beispiel ist man bemüht, die beiden Kupplungen so anzusteuern, dass die von ihnen übertragenen Momente in Summe gleichbleiben. Wenn man dann noch ein wenig Motormoment im richtigen Zeitpunkt zurücknimmt, fühlt sich das ähnlich geschmeidig an wie bei einem Wandlerautomat. Trockene und nasse Kupplungen müssen übrigens unterschiedlich sensibel angesteuert werden, weil bei letzteren das Schleppmoment die Steuerung der Kuppelvorgänge sogar etwas unterstützt.

Der entgegengesetzte Fall ist der Sportmodus, bei dem Schaltrucke mit Beschleunigungsüberhöhungen sogar erwünscht sind [7]. Das lässt sich erreichen, in dem der Schließvorgang beschleunigt stattfindet, ohne dabei Motormoment zurückzunehmen. Grenzen für die Schaltprogramme setzt außer der Fantasie eigentlich nur das übertragbare Drehmoment, wobei der BMW M3 mit seinen 400 Nm das 7DCI600 in dieser Hinsicht nicht ernsthaft fordert.

EvoLution

Auch beim Herunterschalten im Schubbetrieb gibt es bei heutigen DKGs unterschiedliche Auslegungen. Beim Volvo zum Beispiel "muss alles smooth sein, da wird eine Überschneidungsschaltung wie aus dem Lehrbuch gemacht", sagt Faust. Nur in den kleinen Gängen wird ein wenig Zwischengas gegeben, damit das Bremsmoment beim Einkuppeln nicht den Komfort beeinträchtigt. Ganz anders beim Mitsubishi Evo: Hier wird beim Herunterschalten die Kupplung kurz offen gehalten und deutlich hörbar Zwischengas gegeben, schließlich soll der Evo sportlich wirken. Etwas amüsant ist das schon, denn für die Synchronisierung ist das Zwischengas natürlich überflüssig, es dient hier nur dazu, beim Umkuppeln ein Bremsmoment zu vermeiden.

Turbomotoren sind ein weiteres Beispiel für eine spezielle Auslegung des Einkuppelverhaltens: Da bei ihnen je nach Auslegung und Betriebszustand der Turbolader verzögert anspricht, kann ein sanftes Einkuppeln dabei helfen, das "Turboloch" zu überspielen. Typischerweise ist das beim Anfahren der Fall. Die Alternative ist wie gesagt eine genügend hohe Anzahl von Gangstufen, beim 7-Gang-DSG zum Beispiel ist der 1. Gang sehr kurz und der 7. dennoch ein Spargang.

Kriechen nach Bedarf

Apropos Anfahren: Bei komfortorientierten Autos wie den Volvo-Modellen wird das typische "Kriechen" einer Wandlerautomatik simuliert – denn vielen "Automatik"-Kunden ist es egal, wie die Technik aussieht, sie erwarten einfach das seit Jahren gewohnte Verhalten. Beim Ferrari dagegen ist Kriechen nicht erwünscht – schließlich weiß der Kunde, dass er ein sportliches Doppelkupplungsgetriebe erworben hat. Weil "Kriechen" zum Beispiel beim Einparken angenehm ist, andererseits aber etwas auf den Verbrauch schlägt, gibt es auch die Funktion "creep-on-demand", bei der ein leichtes Tippen des Gaspedals den Kriechmodus einleitet. Diese Funktion wird im BMW M3 eingesetzt.

Vielleicht ist die "Programmierfähigkeit" der Doppelkupplungsgetriebe eine Eigenschaft, die zunächst etwas unterschätzt wurde. Sie schafft mit unveränderter "Hardware" Möglichkeiten, für die ansonsten unterschiedliche Getriebe eingesetzt werden müssten. Das ist eine Chance für die DKGs, sich noch mehr im Markt zu verbreiten. Ein gutes Beispiel ist die Anwendung bei Mitsubishi, wo das 6DCT470 für den Evo [8] ebenso wie für den dieselgetriebenen SUV Outlander eingesetzt wird. Mit einem Wandlerautomaten wäre es kaum möglich, derart unterschiedliche Charaktere angemessen darzustellen.

Wer den Markt macht

Diese Flexibilität kommt hohen Stückzahlen zugute, doch für weiter fallende Preise müsste noch etwas Bewegung in den Markt kommen. Im Mainstream-Bereich sind bisher nur Volkswagen, Getrag und Fiat Powertrain tätig. ZF baut nur ein DKG für Porsche, Graziano bleibt vorläufig nur die Rolle eines Exoten, Nissan bietet für seinen GT-R ein DKG von Jatco an, Ricardo liefert das dicke DKG für Bugatti. Ein Sonderfall ist Honda, wo das Doppelkupplungsgetriebe sogar Einzug in das Motorrad [9] gefunden hat – vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Japaner es sich auch für ihre Autos vorstellen könnten.

Noch überschaubarer ist die Lage bei den Zulieferern der Getriebehersteller: Borg Warner hat quasi ein Monopol für nasse Kupplungen, LuK für trockene. LuK mangelt es sicher nicht an der Kompetenz, gegen Borg Warner anzutreten, ZF Sachs käme ebenfalls als Kupplungslieferant in Betracht.

Auf nach Osten

Ob es Getrag gelingt, insbesondere in Asien auch den Kleinwagenmarkt zu erschließen, bleibt vorläufig abzuwarten. "Man braucht mindestens zwei Kunden", sagt Hartmut Faust, damit sich die Produktion einer Neuentwicklung lohnt. Vielleicht hilft der Umstand, dass sich die europäischen Automobilhersteller immer mehr um Marktanteile in Asien rangeln. Wenn es gelingt, den dortigen, CVT-gewohnten Kunden das DKG schmackhaft zu machen, hätte Getrag sicher nichts dagegen – Volkswagen oder Fiat ebenso wenig.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Trocken-nachgelegt-das-neue-7-Gang-DSG-von-VW-792401.html
[2] http://www.getrag.de/de/195
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Renault-Megane-Coupe-Cabrio-jetzt-auch-mit-Doppelkupplungsgetriebe-1050311.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Artgerecht-schalten-das-M-DKG-449929.html
[5] http://www.fordvehicles.com/cars/fiesta/
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Das-BMW-M3-Coupe-mit-Doppelkupplungsgetriebe-497892.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Neues-Schaltgefuehl-Das-DSG-zeigt-Zaehne-465725.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-Evoluzzer-Mitsubishi-Lancer-Evolution-im-Test-492172.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Honda-VFR-mit-Doppelkupplungsgetriebe-1004037.html