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Scharfmacherei

Vorstellung: KTM 790 Duke

Motorrad iga
KTM 790 Duke

KTM baut zum ersten Mal einen Reihenzweizylinder und will sich damit in der Mittelklasse etablieren. Das Naked Bike 790 Duke besticht durch ein aggressives Design und wenig Gewicht. So wird es dem Firmenmotto "Ready to race" alle Ehre machen

Wenn man den Werbetexten von KTM Glauben schenken darf, braucht man für den Betrieb der neuen 790 Duke einen Waffenschein. Die Marke betitelt ihr jüngstes Motorrad als „Skalpell“ und behauptet, sie sei „unsere schärfste Waffe, die nur für einen Zweck entwickelt wurde: um die Straße zu beherrschen“. Trotz der martialischen Wortwahl dürfte die neue Zweizylinder-Duke durchaus über zivile Manieren verfügen und sich auch zu friedlichen Zwecken einsetzen lassen.

Erster Reihenzweizylinder

Mit einem Reihenzweizylinder-Motor betritt KTM Neuland, bisher gab es nur Einzylinder und V2-Motoren. Der Antrieb soll künftig diverse Mittelklasse-Modelle von KTM befeuern, ein attraktiver Reiseenduro-Prototyp namens 790 Adventure wurde auf der Eicma [1] schon präsentiert. Die Österreicher wollen in der schwer umkämpften Mittelklasse neben ihrem bewährten Einzylinder 690 Duke ein weiteres heißes Eisen im Feuer haben. Dort tummeln sich einige Bestseller wie die Yamaha MT-07 [2] und Kawasaki Z 650, die Platz 2 bzw. 3 in der deutschen Zulassungsstatistik belegen. Über den Preis lässt es sich wohl nicht an die Absatzzahlen der zwei Publikumslieblinge herankommen, denn beide kosten ca. 6500 Euro und die 790 Duke soll angeblich bei etwas über 9000 Euro liegen, der offizielle Preis ist noch nicht bekannt.

Also setzt KTM auf sein bewährtes Motto „Ready to Race“ als Erfolgsrezept und auf ein betont aggressives Design mit vielen Ecken und Kanten. Die Optik ähnelt zwar sehr der 1290 Super Duke R [3], ist aber dennoch eigenständig. Die Form der weit nach vorne gezogenen und spitz zulaufenden Tank-Cover wird im Doppelscheinwerfer aufgenommen. Die senkrechte Spaltung gibt dem LED-Licht ein unverkennbares Gesicht. Die Mitte der 790 Duke wird dominiert von einem bulligen Tank, das Heck ist sehr knapp gezeichnet und das seitliche Loch für den Lufteinlass ist markant, nur die Kennzeichenhalterung wirkt ein wenig uninspiriert.

Trockengewicht: 169 kg

Um den sportlichen Anspruch gerecht zu werden, gab es die klare Vorgabe an die Entwicklungsabteilung, dass die 790 Duke leicht und ihr Handling vorbildlich werden sollte. KTM gibt ein Trockengewicht von 169 kg an. Wenn es denn der Wahrheit entspricht – nirgendwo werden so gerne die Zahlen geschönt wie bei der Gewichtsangabe –, müsste sich die Waage mit der 790 Duke samt vollem 14-Liter-Tank, allen Schmierstoffen und Flüssigkeiten ungefähr bei 185 kg einpendeln. Befeuert wird sie von einem frisch entwickelten Reihenzweizylinder mit 799 cm3, das heißt, KTM stapelt mit der Modellbezeichnung 790 sogar etwas tief.

KTM bezeichnet den Motor als LC8c: „Liquid Cooled 8 Valves“ und das kleine c zum Schluss steht für „compact“. Bei einer 88 mm großen Bohrung hebt und senkt sich der Schmiedekolben auf 65,7 mm Arbeitsweg, ist also kurzhubig ausgelegt. Maximal leistet der Zweizylindermotor 105 PS bei 9500/min und bietet 86 Nm Drehmoment bei 8000/min. Das mag für verwöhnte Superbiker eher unspektakulär klingen, in Verbindung mit dem geringen Gewicht dürfte sich jedoch die 790 Duke als ziemlich flott entpuppen. Zwei Ausgleichswellen – eine vor der Kurbelwelle, eine zwischen den beiden Nockenwellen – sollen die Vibrationen reduzieren.

Heckrahmen aus Aluminiumguss

Wenn der Hersteller sein Motorrad schon als „Skalpell“ bezeichnet, darf man davon ausgehen, dass die 790er über ein messerscharfes Handling verfügt, ähnlich wie es die kleine Schwester 690 Duke schon seit langem demonstriert. Um das zu ermöglichen, bekam die KTM einen Gitterrohrrahmen aus Chrom-Molybdän-Stahl, der den Motor als tragendes Element integriert, so konnten Material und Gewicht gespart werden. Der angeschraubte Heckrahmen besteht aus Aluminiumguss und beherbergt den Luftfilterkasten. KTM verzichtete dort auf jegliche weitere Abdeckung oder Halterung, um die Duke so leicht wie möglich zu halten. Der Lufteinlass befindet sich unter der Sitzbank auf der Seite, so dass die Ansaugluft nicht durch die Motorwärme aufgeheizt werden kann. Das würde weniger Leistung bedeuten.

Das Prinzip der ausgehöhlten Alu-Schwinge mit den inneren Querverstrebungen pflegt KTM schon seit längeren an diversen Modellen und ist bei der 790 Duke auffallend lang geraten. Das relativ flach liegende Federbein mit 150 mm Federweg ist direkt angelenkt. Für KTM ist es ungewöhnlich, ein nur in der Vorspannung einstellbares Federbein zu verbauen, aber es reduziert die Kosten. Vorne federt eine Upside-down-Gabel von WP mit 43 mm Durchmesser und 140 mm Federweg, auch sie ist nicht einstellbar. Sie arbeitet nach dem Open-Cartridge-System und Split-Technologie, d. h. in einem Gabelholm sitzt die Zug- in dem anderen die Druckstufe. Die 790 Duke steht auf filigran wirkenden Gussfelgen und Reifen der Größe 120/70ZR17 vorne und 180/55ZR17 hinten, verzögert wird das Bike mittels zweier 300 mm großer Bremsscheiben und Vierkolben-Bremszangen am Vorderrad und einer einzelnen 240-mm-Bremsscheibe und Zweikolben-Zange am Heck.

Langer Radstand

Dafür ist der konifizierte Lenker in zwölf Positionen einstellbar. Der Lenkkopfwinkel von 66 Grad lässt auf ein handliches Bike schließen, der Radstand geriet mit 1475 mm jedoch gar nicht mal so kurz. Ein Lenkungsdämpfer von WP sorgt für Ruhe bei flotter Fahrweise. Das Sechsganggetriebe wird mittels einer Anti-hopping-Kupplung durchgeschaltet. Die Sitzposition ist durch den relativ flachen Lenker leicht nach vorne orientiert und die Handhebel erfreuen mit Einstell-Rädchen zur Anpassung an die eigene Handgröße.

Ungewöhnlich ist die elliptische Form des Schalldämpfers, der mächtige Mitteltopf wurde geschickt hinter dem Motorblock versteckt, so dass er gar nicht weiter auffällt. Durch den Hubzapfenversatz von 270 Grad klingt der Motorsound ähnlich wie der eines V2.

KTM legt seit einigen Jahren Wert auf moderne Elektronik-Ausstattung. Die 790 Duke verfügt über ein Kurven-ABS von Bosch, das mit einem Supermoto-Modus arbeitet, bei dem der Bremsassistent nur noch am Vorderrad eingreift. Dazu kommen drei anwählbare Fahrmodi und einen selbst konfigurierbarem Track-Modus, eine schräglagenabhängige Traktionskontrolle, Motorschleppmoment-Regelung, Quickshifter und Launch-Kontrolle.

Im Cockpit erfreut ein farbiges TFT-Display mit einer Flut von Informationen, gegen Aufpreis gibt es eine Bluetooth-Integration des Smartphones für eine Freisprech- und Audioplayer-Funktion. Die Menüschalter sind beleuchtet. Bei der Beleuchtung geht KTM auch sonst auf Nummer sicher und spendiert LED-Technik im Scheinwerfer, Rücklicht und in den Blinkern.

Fazit

Bisher hat die sportliche Auslegung der Duke-Modelle die Kunden immer so sehr begeistern können, dass sie großzügig über den mangelnden Komfort hinweggesehen haben. Zu der gelungenen Optik der 790 Duke gesellt sich ein potenter Zweizylindermotor und ein geringes Gewicht. Vor allem aber wird sie sich über ihr messerscharfes Handling die Gunst der Landstraßen-Surfer erwerben.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/EICMA-2017-Neue-Motorraeder-in-Mailand-Teil-1-3886404.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Verkaufsoffensive-2061540.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-KTM-1290-Super-Duke-R-MJ-2017-3613933.html