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Rechnung mit Schlag

Was kostet ein E-Auto?

Ratgeber Clemens Gleich
Klartext, Elektroautos, alternative Antriebe

Es gibt sehr viele Ansichten darüber, ob sich ein E-Auto über die Haltezeit lohnt. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Antwort von den konkreten Parametern abhängt. Eine Aufdröselung nach Kosten.

In der Kolumne [1] beleuchtete ich zuletzt meinen Fall, dass ein kleiner Zweitwagen sich als E-Auto für mich wahrscheinlich nicht lohnt. Das liegt hauptsächlich daran, dass der Zweitwagen bei hohen Anschaffungskosten für die E-Variante geringe Kilometerleistungen fahren wird. Dazu kommen die Unwägbarkeiten des Gebrauchtmarkts. Ein E-Up erster Generation fängt hier in der Gegend bei über 13.000 Euro an, üblicher sind über 14.000 Euro. Ein neuer Seat Mii Electric (selber Antrieb) mit dem großen 32-kWh-Akku kostet nach Förderung ab 14.650 Euro, ein neuer E-Up mit demselben Akku ab 15.675.

Kaum jemand wird da die Gebrauchtmöhren kaufen. Diese Gefüge brauchen noch etwas Zeit, sich zu setzen. Viele Daten gibt es schlichtweg noch nicht in ausreichender Genauigkeit, weil die Zeit zu kurz ist und das Testfeld zu klein. Es gibt jedoch auch viele Kostenpunkte, die schon jetzt gut kalkulierbar sind. Wir haben (noch?) keinen eigenen Kostenrechner, Sie können mit den Zusatzinformationen aus diesem Artikel jedoch andere Kostenrechner korrigieren mit alltagsnäheren Werten – sofern der Rechner freiere Werteingaben anbietet.

Gleich zu Beginn das Wichtigste: Ein Elektroauto kann nicht dasselbe wie ein Verbrenner. Es kann manches besser und manches schlechter, und was das konkrete Modell kann oder nicht kann, lesen Sie am besten in unseren Tests. Das schlimmste, nutzloseste Gezeter entsteht, wenn jemand wieder einen Hammer kauft, um die Spiegel im Haus zu reinigen.

Anschaffungspreis

Der Anschaffungspreis des E-Autos liegt üblicherweise höher als für Verbrenner, und in guter Ausstattung sind dabei schon ein Teil der Mehrkosten versteckt. Sie erhalten zusätzlich bis zu 3000 Euro von der Gemeinschaft geschenkt zum Kauf eines Neuwagens. Die anderen 3000 Euro muss der Autohersteller nachlassen, was er vorher einkalkuliert. Die genauen Umstände der aktuellen Elektroautoförderung lesen Sie in diesem Artikel [2] nach. Das verantwortliche Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mauert jedoch noch, denn Sie können die erhöhte Förderung noch nicht beantragen, obwohl sie beschlossen ist. Sowohl Händler als auch kaufinteressierte Kunden stehen derzeit deshalb etwas blöd da. Das Amt gab auch keine Informationen darüber, wann die Förderanträge eingereicht werden können. Renault und Kia haben daher angekündigt, Kunden die gesetzlich beschlossenen 6000 Euro schon einmal zu garantieren, damit die Händler Vorbestellungen abschließen können (die Lieferzeiten können bei Kia immer noch über ein Jahr betragen).

Staatliche Hilfen bei Unterhaltskosten

Ein neu zugelassenes Elektroauto ist zehn Jahre lang von der KFZ-Steuer befreit, wenn es bis 2020 zugelassen wird. Die Gesamtersparnis über 10 Jahre liegt typischerweise im Bereich einige hundert Euro, die Ersparnis gegenüber den höheren Steuern eines Verbrenners typischerweise bei über 1000 Euro. Der größere steuerliche Vorteil liegt jedoch in der Bemessungsgrundlage für Firmenwagen, deren Fahrer sie mit monatlich 1 Prozent ihres Kaufpreises (die Bemessungsgrundlage) als geldwerten Vorteil versteuern müssen. Beim Autogipfel November 2019 sank die Bemessungsgrundlage von vorher der Hälfte auf nun ein Viertel des Kaufpreises, wenn der Listenpreis unter 40.000 Euro liegt (also keine neuen Firmen-Teslas, keine neuen Firmen-Jaguars in dieser Regel) und die Fahrzeuge nach (inklusive) dem 1. Januar 2019 angeschafft wurden.

Für Fahrtkosten vom Wohnort zum Arbeitsplatz gilt ebenfalls die geviertelte Bemessungsgrundlage. Anders als bei Privatkäufern spricht das aktualisierte Gesetz von „Anschaffung“ statt von „Neuzulassung“. Also sind auch Gebrauchtfahrzeuge möglich, wenn sie im Gültigkeitszeitraum des neuen Gesetzes als Firmenfahrzeug angeschafft werden. Die Bemessungsgrundlage ist dann der bezahlte Gebrauchtmarktpreis (also ein Ja für den gebrauchten Firmen-Tesla).

Seit 2017 müssen Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber geschenkten Strom am Arbeitsplatz auch nicht mehr als geldwerten Vorteil versteuern. Der Arbeitgeber kann sogar auf seine Kosten eine Wallbox mit Zähler beim Arbeitnehmer installieren und den dort gezogenen Strom steuerfrei rückvergüten. Alternativ sind steuerfreie Pauschalen möglich. Ein solches Arrangement kann also aufgrund der hohen Strompreise sehr lohnend werden für den Beschenkten. Auch kleine Elektro-NFZ erhalten steuerliche Vorteile gegenüber Verbrennern, zum Beispiel sehr günstige Abschreibungen.

Großzügige Förderung

Sie können die weiteren Bedingungen, Geltungsfristen, Beträge und Regeln für Firmenförderung hier nachlesen [3] (inklusive Links auf die kompletten Gesetzesentwürfe und deren Änderung). Kurz zusammengefasst: Im Firmenfuhrpark können Sie eindeutige Vorteile holen durch ein wenig Planung und Rechnung. Der Grund für die großzügige staatliche Förderung ist einfach: Die Regierung weiß, dass die weitaus meisten Neuzulassungen Firmenwagen sind, die später für Privatkunden auf dem Gebrauchtmarkt landen. Wenn die Steuererleichterungen den E-Anteil an Firmen-KFZ signifikant erhöhen, fallen am Ende der Leasing-Laufzeiten wie bei Verbrennern die jungen Gebrauchten heraus, die Privatkunden normalerweise kaufen.

Wartung, Versicherung

Die Steuererleichterungen klingen kompliziert und sind es auch, weil sie für jeden Einzelfall gerechnet werden müssen. Es kann zum Beispiel weiterhin sein, dass das Fahrtenbuch für Sie die günstigere Wahl ist als die pauschale Regelung. Gewerbe sollten sich die Erleichterungen jedoch gut anschauen, da sind Steuererleichterungen von über 100 Euro pro Monat möglich gegenüber gleich teuren Firmenwagen und Ersparnisse immerhin noch im Bereich von 50 Euro gegenüber wesentlich billigeren Verbrennern. Das rappelt sich über die Jahre zusammen. Sprechen Sie den Steuerberater auf Ihre konkrete Rechnung an, dafür ist er da.

Versicherung

Einige KFZ-Versicherungen bieten für Elektroautos vergünstigte Tarife an. Es lohnt sich, danach zu suchen. Wenn die Policen Kaskoversicherungen enthalten, steigt natürlich die versicherte Summe und mit ihr die Kosten. Da der Akku immer noch das große Fragezeichen ist, kann es bei längeren Haltezeiten oder hohen Fahrleistungen über die Herstellergarantie hinaus Sicherheit schaffen, den Akku zu versichern. Die KFZ-Versicherer kennen das Thema mittlerweile recht gut. Unterm Strich muss eine E-Auto-Versicherung nicht unbedingt weniger kosten, sie kann jedoch die Kosten sicherer kalkulierbar machen.

Wartungskosten

Großes Streitthema sind die Wartungskosten. Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass Elektroautos weniger Wartung benötigen, und im Grundsatz stimmt das auch. Die Kosten dazu sind jedoch nicht überall gleich, und die Schlussfolgerung, Elektroautos brauchten eigentlich gar keine regelmäßige Wartung, halte ich für falsch und gefährlich. In der Diskussion um die E-Auto-Kosten hörte ich häufiger das Argument: „Der TÜV guckt doch eh alle zwei Jahre drauf und sonst mache ich nur Reparaturen.“

Der TÜV ist nicht zur Wartung da, sondern zur Kontrolle der Verkehrssicherheit. Das ist ein Missverständnis, dem auch viele Verbrennerfahrer aufsitzen. Ein Auto kann eine frische Plakette erhalten, nach der Prüfung auf dem Hof zusammenbrechen und der TÜV hat dennoch keine Schuld daran, sondern der Halter. Ich habe das Argument gehört „So gut wie der TÜV hat da noch keine Werkstatt geschaut“. Mein Rat als Experte, der viel mechanisches Elend sehen musste: Wenn der TÜV Sachen betrachtet, die nie ein Mechaniker zuvor gesehen hat, sollten Sie dringend die Werkstatt wechseln.

Wenn ich Wartungskosten kalkuliere, dann nehme ich die Neuwagen-Wartungspläne der jeweiligen Hersteller, weil die meisten Kunden es genauso machen würden. Es gibt überall Kunden, die es besser wissen (oder das zumindest glauben). Von deren Ideen von Wartung sollte aber niemand ausgehen, der sich nicht sehr genau auskennt. Ich persönlich würde zumindest einmal im Jahr einen kurzen Check machen lassen oder selber machen. Sie erkennen so zum Beispiel eine schwache 12-V-Batterie frühzeitig und bleiben nicht wegen so einer Lappalie liegen. Das 12-V-Netz gehört auch bei E-Autos in der bisherigen E-Statistik des ADAC zu den Top-Störern.

Im März 2019 schaffte Tesla die bisher übliche jährliche Wartung ab. Statt der jährlichen Wartung gibt es nur noch Wartungs-“Empfehlungen“ des Herstellers [4]. Darin stehen außer Innenraum-Luftfilterwechsel und und Klimaanlagen-Service auch sicherheitsrelevante Punkte wie Räder (Spur, Wucht, Reifen: alle 16.000 bis 20.000 km), Bremsflüssigkeitskontrolle (alle 2 Jahre) und einen „Winterservice“ für kalte Regionen, in denen alle 20.000 km die Bremssättel gereinigt und die Kolben geschmiert werden – wahrscheinlich, um die Gefahr von Festgehen durch seltene Benutzung plus Korrosion zu vermindern.

Fastgarnichtwartungsplan

Ein Akku-Kühlmitteltausch oder eine Überprüfung dieses Kreislaufs ist gar nicht mehr vorgesehen. Dieser Fastgarnichtwartungsplan liegt schon so nahe wie gesetzlich argumentierbar an der gar-nicht-Wartung, die wir alle gern hätten, die ich aber niemandem empfehle. Die Kosten für ein Model S lagen vor der Neuregelung bei 475 € für den Jahres-Service und 825 bis 1025 € für den großen Service alle zwei Jahre. Wie gesagt: Ich würde einmal im Jahr checken lassen und Teslas „Empfehlungen“ besser als Sollplan betrachten. Der ADAC bietet Pauschalpreise für Untersuchungen ab etwa 70 Euro an. Viele Werkstätten haben eigene Angebote.

Reparatur, Wertverlust

Andere Hersteller behalten derzeit Regel-Wartungspläne bei, und deren Kosten liegen häufig näher am Benziner, als man zunächst glaubt. Bei Kalkulationen über 5 Jahre kann es also durchaus passieren, dass ein etwas einfacher ausgestatteter Benziner günstiger in der Wartung kommt als das angestrebte E-Auto. Normalerweise treten die größeren Posten wie Automatikgetriebeöltausch erst deutlich nach den fünf Jahren auf. Bei Berechnungen über 10 Jahre kann es je nach Laufleistung schon anders aussehen. Den Wartungsplan einhalten (oder sich bei einem Tesla um die Empfehlungen kümmern) hat noch einen anderen Aspekt: Ein Werkstattheft mit regelmäßigen Einträgen senkt den Wertverlust, den größten Posten an Neuwagen-Lebenszeitkosten überhaupt. Da kann es schnell passieren, dass eine vermeintlich schlaue Rechnung (“ich mach nix, denn das kostet nix“) sich am Ende beim Verkauf als eher minderschlau herausstellt.

Reparaturkosten

Der Antriebsstrang von E-Autos hat sich bisher als verhältnismäßig unproblematisch herausgestellt – kaum verwunderlich, denn hier findet die Vereinfachung statt. Sie findet jedoch nur hier statt, und Vergleichsbilder Hubkolbenmotor-Elektromotor führen in die Irre, weil der empfindliche Teil des Antriebs in Akku und Thermomanagement liegt, deren Komplexität im Vergleich zur ersten E-Generation erheblich gestiegen ist. Der Rest des Autos ist genauso komplex wie ein Verbrenner, und aufgrund der tendenziell besseren Ausstattung sogar eher komplexer.

In den USA rangiert Tesla selbst nach den aktuellen Produktions-Verbesserungen auf Platz 23 von 30 der Zuverlässigkeitshitliste von Consumer Reports. Grund sind die Verarbeitungsmängel der Karosserie, aber auch viele „Elektronik“-Probleme, zu denen Software-Probleme zugeschlagen werden [5]. Tesla-Fahrer sind dennoch meistens zufrieden. Sie müssen Ihre eigene Zufriedenheits-Bewertung einrechnen, die bedenkt: Wer sein Fahrzeug liebt [6], der blendet Schwächen aus. Wer sein Fahrzeug aus kalter Kalkulation kaufen will, sollte sie jedoch einberechnen.

Kosten eines Batteriemangels

Beim Verbrenner sind es in den ersten Jahren hauptsächlich Ölwechsel und Kupplungs-Service, die Mehrkosten ausmachen können. Beim E-Motor steht das Batteriesystem mit Thermo-Management im Mittelpunkt des Wartungsplans. Diese Systeme sind jedoch bisher nicht auffällig. Was jeder einkalkulieren sollte, der ein E-Auto länger halten will, sind die Kosten eines Batteriemangels außerhalb der Garantiebedingungen. Diese Kosten stehen dann gegen die Kosten der ersten Reparaturwelle eines Verbrenner-Antriebs, wenn Getriebe und Motor mit einiger Wahrscheinlichkeit teure Laufschäden aufweisen können.

Dass ein Akku gar nicht mehr funktioniert, passiert nach aktuellem Stand in unseren Breiten üblicherweise erst bei hohen sechsstelligen Laufleistungen. Der bekannte Fall von Tesloop zeigte etwa alle 200.000 km einen Batterietausch. Was jedoch vorher passiert, sind geringere Laufleistungen. Sie sollten hier also nicht zu knapp kalkulieren mit der Akkukapazität (Mehrkosten einerseits), sonst müssen Sie am Ende das Auto früher als geplant tauschen, weil es den Einsatzzweck nicht mehr schafft (Mehrkosten andererseits).

Wertverlust / Wiederbeschaffungswert

Der größte Kostenposten jedes Neuwagenkaufs heißt: „Wertverlust“. Gleichzeitig ist das der Posten, den Autokäufer am liebsten ignorieren. Am besten tauscht man Wörter, um die Relevanz zu erkennen: Wie viel Geld brauche ich am Ende meiner Haltungsdauer, um den Wagen zu ersetzen? Dann steht die Differenz Restwert gegen Wiederbeschaffungswert auf der Kostenseite. Elektroautos unterliegen durch ihren hohen Kaufpreis hohen absoluten Wertverlusten, auch wenn die relativen Wertverluste bei manchen Modellen günstiger ausfallen können als bei gleich teuren Verbrennern. Teslas Model S punktet hier.

Platz, Verbrauch

Wie bei Verbrennern auch müssen diese Verluste Schätzungen bleiben. Den Dieselwertverlust haben Kunden vorher nicht geahnt. E-Up-Kunden der ersten Generation ahnten nicht, dass eine zweite, viel bessere Version so viel günstiger wird, auch wegen erhöhter Förderung. Jedem Kunden muss klar sein: Die nächsten Generationen von E-Autos werden sich immer mehr am Massenmarkt orientieren, und ich bin nicht der Einzige, dem die Kosten zu hoch sind. Das bedeutet: Der technische Fortschritt wird für erheblichen Wertverlust sorgen. Was die Politik machen wird, kann kein Kunde sicher vorhersagen. Lieber ein bisschen konservativer schätzen.

Platz

Beachten Sie, dass Elektroautos mit einem speziellen E-Chassis, also alle Autos, die keine Ableger mit Verbrenner mehr haben, innen meistens mehr Platz haben als vergleichbare Autos derselben Klasse mit Verbrennerantrieb. Das heißt, Sie können durchaus erheblich und sinnvoll Geld sparen, indem Sie eine Klasse kleiner kaufen. Ein VW ID.3 [7] bietet laut VW innen so viel Platz wie ein Passat [8]. Obwohl er nicht so aussieht, bietet Jaguars I-Pace [9] einen erstaunlich großzügigen Innenraum. Teslas Model S war von Anfang an als Platzwunder bekannt. Und so weiter. Bei dieser Überlegung fallen natürlich alle Konstruktionen hinaus, die sich eine Plattform mit Verbrennern teilen, also Stand 2020 Mercedes, Audi, Hyundai, Kia, PSA/Opel und die Volkswagengruppe exklusive des ID.3. Ein Laien-brauchbarer Indikator für gute Innenraumnutzbarkeit sind (relativ zu den Karosseriemaßen) lange Radstände.

Verbrauch

Grobe Faustregel: Je mehr Sie in kurzer Zeit fahren (wenn es nicht gerade Kurierdienst-Autobahnetappen sind), umso mehr lohnt sich wahrscheinlich ein Elektroauto. Und natürlich: Umso mehr Strom Sie geschenkt kriegen – vom Arbeitgeber, von Aldi, von Ikea, egal. Denn der Strom ist teuer und die Verbrauchsangaben der E-Auto-Fahrer selbst nur die halbe Wahrheit, nur relevant für die Reichweitenberechnung. Für die Kostenrechnung müssen Sie die Ladeverluste einkalkulieren, weil Sie die ja mitbezahlen müssen. Deshalb messen sowohl der ADAC als auch die gesetzlich vorgeschriebene WLTP-Messung brutto, also inklusive Ladeverluste.

Ein guter Wert für ein Ladegerät sind um die 10 Prozent Verlust (die meisten Hersteller heute). Ein sehr guter Wert sind 5 Prozent (fertig von Zuliefererseite, wird in 5 bis 10 Jahren der Standard sein). Es gibt jedoch auch erheblich höhere Werte, je nach Ladegerät und Effizienz. Renaults Chameleon Charger zum Beispiel wird bei niedrigen AC-Ladeleistungen bekannt ineffizient. Wer Renaults Notladekabel benutzt, kann eigentlich auch gleich Geldscheine unterwegs aus dem Seitenfenster werfen.

Reale Verbrauchskosten

Wenn Sie nun also Kosten rechnen, dann kostet zum Beispiel ein sehr sparsam mit 16 kWh gefahrenes Model 3 zwischen 17,8 und 19,1 kWh auf 100 Kilometer (ADAC-Ladeverlustmessungen) – je nach Antrieb und Ladevariante. Beim effizienten Kia e-Soul maß ich 20,8 kWh / 100 km [10] brutto im Sommer auf Autobahnetappen, und ganz ehrlich: Wenn Sie nicht hinter LKW herschleichen wollen, um einen gesponnenen Wert zu erreichen, sollten Sie das auch von vornherein tun. Bei diesem Verbrauch und dem Schnelllader-Preis von 39 Cent / kWh kosten im Kia 100 km 8,11 Euro.

Am AC-Lader kosten sie 6,03 Euro. Damit liegen Sie nur wenig unter den Energiepreisen eines kleinen Diesels beim selben Autobahntempo (maximal 130 km/h). Besser sieht es auf der Landstraße aus. Ich habe festgestellt, dass extremer Kurzstreckenbetrieb nicht nur bei Verbrennern (wegen enormen Kaltlauf-Verbräuchen), sondern auch bei E-Antrieben zu höheren Verbräuchen führt, dort wegen der Klimatisierung/Heizung. Nicht vergessen: Der Akku muss immer mittemperiert werden, nicht nur die Kabine. Übers gesamte Jahr betrachtet sind daher auch die Bruttoverbrauchsmessungen des ADAC zu niedrig, weil deren Messung bei rund 22° C stattfindet. Typischerweise brauchen E-Antriebe im Winter 20 bis 30 Prozent mehr Strom. Bei ungünstigen Bedingungen wie extremem Kurzstreckenbetrieb kann der Mehrverbrauch auf über 50 Prozent steigen. Der Verbrenner tunnelt sich ebenfalls nicht durch ein Wurmloch in den Sommer. Er verbraucht bei Kälte typischerweise 10 bis 20 Prozent mehr auf Pendelstrecken. Im extremen Kurzstreckenbetrieb kann der Mehrverbrauch auf über 100 Prozent steigen. Dinge wie Essen auf Rädern lohnen sich also tendenziell eher als 20 km Arbeitsweg.

Kostenrechner, Diskussionen

Wenn die Politik hier steuern will, muss sie entweder die Stromabgaben auf Fahrstrom reduzieren oder die externen Umweltkosten auf fossile Treibstoffe aufschlagen. Für den Kunden bedeutet die derzeitige Situation, dass die erhofften deutlich niedrigeren Kosten eines E-Autos pro Kilometer in der Praxis häufig nicht realisierbar sind, sondern nur geringere Ersparnisse. Extrem günstige Fahrenergiepreise in Vergleichsrechnungen würde ich immer als Warnzeichen sehen, dass auch die anderen Werte zu schön sind, um wahr zu sein. Daher ist ein anderer Punkt eigentlich wichtiger: Planungssicherheit. Treibstoffpreise schwanken so stark, dass sie für die Zukunft nur geschätzt werden können. Fahrstrompreise über einen Ladeverbund sind bisher so stabil, dass man mit einiger Zuversicht mit ihnen rechnen kann.

Zu kompliziert! Wer rechnet es mir?

Es gibt viele Artikel wie diesen, in denen Kosten vorgerechnet werden. Die meiner Meinung nach realistischsten Kosten gibt der ADAC heraus [11]. Der ADAC misst einen eigenen, recht realistischen Messzyklus für den Verbrauch [12], der unserer Realität erheblich näher kommt als die WLTP-Messung [13]. Wenigstens diese Werte sollten Sie auf jeden Fall nutzen, denn sie sind wie gesagt brutto erhoben. Beim Rest sollten Sie beachten, dass der ADAC über 5 Jahre mit 15.000 km/Jahr rechnet und dass er zur Berechnung nicht die eigenen Messwerte, sondern die Zulassungs-Verbräuche verwendet – wahrscheinlich, weil er nicht zu allen Autos eigene Messwerte hat. Sie erhalten hier also bestenfalls ein Bild für Idealkosten nach NEFZ oder WLTP, je nach Zulassungszeit. Das mit den Idealkosten gilt jedoch auch für den Vergleichsverbrenner.

Über 5 Jahre ist ein E-Antrieb bei vielen Herstellern nur wenig günstiger als vergleichbar teure Verbrenner, und günstigere Verbrenner trotz Wartungsnachteil insgesamt günstiger. Über zehn Jahre kann die Rechnung schon anders aussehen, genauso wie bei doppelter Jahreslaufleistung.

Google spuckt bei „Elektroauto Kostenrechner“ viele weitere Rechner aus, jeder davon mit eigenen Problemen. Meistens sind die Annahmen intransparent, eine Mess-Doku wie beim ADAC fehlt (“so schätzen wir den Wertverlust“). Häufig fehlen ganze Kostenblöcke. Beliebt ist z. B., den schwer kalkulierbaren Wertverlust wegzulassen. Lässt man ihn aber weg, bleibt nur, die Gesamtanschaffungskosten des Autos über den Zeitraum anzusetzen (unsinnig, ein Auto verkauft sich nach 5 Jahren in der Regel noch sehr gut) oder den größten Kostenposten wegzulassen (ebenso unsinnig).

Es kommt drauf an

Der öffentliche Diskurs auch zu Elektroautos ist kaputt [14]. Es gibt nur noch das heilige Elektroauto hier mit Sprüchen wie „Verbrenner fahren muss man sich erst mal leisten können“ und die kategorische Verdammnis dort: „Das wird nie was!“ Beide Extrempositionen sind in ihrer Pauschalität falsch. Es kann sich durchaus lohnen, ein E-Auto zu fahren, vor allem für Neuwagenkäufer, Flotten- und Firmenkunden. Dazu kommt das deutlich bessere Fahrverhalten und oft ein gutes Gefühl durch die umweltfreundlichere Antriebsvariante. Es kann aber genausogut günstiger sein, einen Verbrenner zu kaufen.

Hauptmann Mumms Stiefel, Ehrlichkeit

Persönlicher Einzelfall: Bei meinen geringen Fahrleistungen lohnt sich ein E-Up nie. Vergleichs-Ups kosten 3000 Euro, es gibt keine E-Ups in dieser Gegend unter 12.000 Euro. E-Fans legten statt Zweitwagenkauf nahe, den alten Benz [15] durch einen Tesla 3 zu ersetzen, weil wir damit ja dann so viel Geld sparen durch die höhere Laufleistung. Das zeigt ein bisschen, worin die Missverständnisse in dieser Diskussion bestehen. Der Benz hat 3500 Euro gekostet. Er fährt derzeit 8000 bis 10.000 km / Jahr. Ein Model 3 kostet ab 44.390 Euro. Es steht als günstigstes Modell Standard Range mit 733 Euro pro Monat in der Kostenliste des ADAC – wie gesagt: das Meiste davon Wertverlust. So ein Vergleich kann nur hinken, und so wenig wie die Autos zueinander passen dann auch die Argumentationen. Man redet kilometerweit aneinander vorbei.

Hauptmann Mumms Stiefel

Davon abgesehen gibt es einen großen Anteil an Menschen, die sich schlicht keinen Neuwagen leisten können. Für die ist auch der aktuelle E-Gebrauchtmarkt zu jung, zu klein, zu dominiert von den Unwägbarkeiten des technischen und politischen Wandels. Es kann durchaus Fälle geben, in denen ein vergleichsweise neues E-Auto über 10 Jahre billiger würde als ein Gebraucht-Schnapper (zum Beispiel bei geschenktem Strom auf Arbeit), in denen der Interessent aber schlicht nicht genug flüssiges Kapital (oder Kreditwürdigkeit) hat, um die höhere Erstinvestition zu stemmen. Der Heise-Leser kennt diese Zwickmühle aus Terry Pratchetts Scheibenwelt als „Captain Samuel Vimes ‚Boots‘ theory of socioeconomic unfairness [16]“. Solche Schwellenkostendilemmas kann das E-Auto nicht lösen, dafür braucht es Öffi-Angebote.

Das E-Auto muss daher den Weg jeder neuen Technik gehen: Von der Avantgarde über die Interessierten, die es sich leisten können bis zu einer kritischen Masse und einem entsprechenden Gebrauchtmarkt. Die Politik konzentriert sich auf Geschenke für die Autohersteller mit ihrer Förderung. Das ist in unserem Autoland politisch gedacht nachvollziehbar, aber wahrscheinlich nicht der beste Weg. Ich habe es schon einmal gesagt und werde es wieder sagen: Wenn die Regierung jeden Euro, den sie für Neuwagenförderung ausgegeben hat, in günstige Fahrenergie investiert hätte, wären wir schon ein gutes Stück weiter. Sie hätte diese Idee nicht einmal selber haben müssen. Tesla hat sie groß und breit vorexerziert.

Sind wir mal ehrlich

Lassen wir ganz am Ende die eine große Selbstlüge fallen, die hinter allen Berechnungen für etwas steht, das wir haben wollen: Wir sind kein Homo Oeconomicus, wir entscheiden nicht allein nach Kennzahlen, nicht einmal hauptsächlich. Wir entscheiden aus dem Bauchgefallen und suchen uns dann so lange Zahlen, bis die zu dem passen, was wir eh schon wollen. Ja, ich weiß, Sie sind anders. Sie wissen das ganz genau. Sie sollten sich der Wissenschaft zur Verfügung stellen für die Studien, deren Ergebnisse derzeit das Gegenteil dieser Selbstwahrnehmung nahelegen.

Worauf ich hinauswill: Ich will einen VW E-Up [17]. Wenn ich ehrlich zu mir selber und zu Ihnen bin, ist es mir egal, ob der ein bisschen mehr kostet oder weniger als der Benziner, denn den Benziner will ich nicht haben, Punkt, fertig. Aktuell kann ich mir angesichts der nötigen Hausrenovierungen den E-Up nicht leisten, aber diese Lage ändert sich vielleicht irgendwann, und dann werde ich in meinem kleinen weißen Elektro-Toaster herumfahren mit einem Grinsen wie der Prinz von Zamunda, und allen, die fragen, vorrechnen, wie geil das für den Geldbeutel ist. Ich weiß das, weil ich mir damals in einem ähnlich gelegenen Fall total gut ausgerechnet habe, wie sehr es sich für mich als Motorradschreiber lohnt, eine KTM 690 Duke R zu kaufen. Die Rechnung dazu ist der größte Schmarrn unterm Himmel, aber ich würde sie mit Blut und Leben aufs Messer verteidigen. Entspannen wir uns also alle mal ein bisschen und geben häufiger die schlichte Wahrheit zu: „Ich habe das gekauft, weil ich das wollte und konnte.“


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Das-teure-Elektroauto-4642226.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/E-Autos-Hoehere-Foerderung-geplant-4577609.html
[3] https://www.heise.de/news/E-Mobilitaet-Bundestag-befuerwortet-milliardenschweres-Foerderpaket-4582284.html
[4] https://www.tesla.com/de_DE/support/car-maintenance
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Teslas-Flash-Fehlkonstruktion-4563357.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Tesla-schoener-Goetterfunken-4606115.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-VW-ID-3-4516910.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Passat-Variant-GTE-4557723.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Jaguar-I-Pace-4115434.html
[10] https://www.heise.de/autos/artikel/E-Laternenparken-I-Dauertest-Kia-e-Soul-4416759.html
[11] https://www.adac.de/infotestrat/autodatenbank/autokosten/autokosten-rechner/default.aspx
[12] https://www.heise.de/autos/artikel/ADAC-Antriebsvergleich-Weisse-Weste-2788923.html
[13] https://www.heise.de/autos/artikel/BEV-Reichweitenermittlung-nach-WLTP-3891502.html
[14] https://www.heise.de/autos/artikel/Bitte-versachlicht-die-E-Auto-Diskussion-4483529.html
[15] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Hure-gewuerdigt-3780876.html
[16] https://www.goodreads.com/quotes/72745-the-reason-that-the-rich-were-so-rich-vimes-reasoned
[17] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-VW-e-Up-4523711.html