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ANC-Kopfhörer Marshall MID A.N.C. im Test

ANC-Kopfhörer Marshall MID A.N.C. im Test
VORTEILE
  • Gute Sprachwiedergabe
  • Ordentliche ANC-Fähigkeit
  • Bequemer Sitz
NACHTEILE
  • Schwacher Tiefen
  • Unausgewogener Klang

Retro-Design alleine genügt nicht mehr: Beim MID A.N.C. wollen die Macher der Marshall-Kopfhörer mit aktuellen Features punkten. Ob das gelingt, verrät der Test.

Der Test zum Marshall MID A.N.C. fällt in unsere Themenwelt Kabellose ANC-Kopfhörer. Dort sind bereits Tests zum Sennheiser PXC 550 , dem Bose NC 700 oder zu den Surface Headphones von Microsoft und weiteren ANC-Kopfhörern erschienen.

Design und Hardware

Kennt man einen Marshall-Kopfhörer, kennt man alle – jedenfalls äußerlich: Acht verschiedene On- und Over-Ear-Kopfhörer in drei Bauformen werden auf der Marshall-Webseite aufgeführt, selbst ohne das große Logo würde man die Kopfhörer sofort als Marshall-Headsets identifizieren. Der MID A.N.C. ist nahezu baugleich mit dem MID Bluetooth: Es handelt sich um einen On-Ear-Kopfhörer, die Ohrpolster liegen auf dem Ohr, umschließen es also nicht. Dadurch fällt die bei Over-Ear-Kopfhörer bereits vorhandene physikalische Geräuschabschirmung weg. Der Kopfbügel ist auf der Innenseite gefüttert und mit einem festen Stoff aus Mikrofaser bezogen. Außen dominiert am Bügel und an den Ohrhörern Kunstleder, die Polster der Hörschalen sind angenehmen weich. Der Kopfhörer ist ein paar Zentimeter in der Größe verstellbar, auch die beiden Scharniere der Halterung sind sehr flexibel: Der mit 210 g sehr leichte Kopfhörer lässt sich so angenehm tragen und bei Nichtgebrauch sehr klein zusammenfalten.

Leicht und zusammenfaltbar

Zur Bedienung des Kopfhörers dient ein runder Messingknopf an der hinteren Seite des linken Ohrhörers. Hierüber wird der MID A.N.C. an- oder ausgeschaltet, Bluetooth aktiviert und Musik per Druck gestartet oder gestoppt. Wird der Knopf wie ein Joystick bewegt, verändert sich die Lautstärke oder springt der verbundene Player einen Titel vor oder zurück. Die minimalistische Bedienung ist simpel und doch perfekt, selbst mit einem dünnen Handschuh lassen sich die Funktionen gut nutzen. Auf der rechten Seite befindet sich der Schieberegler für die Geräuschabschirmung. Hier kennt der MID A.N.C. nur zwei Positionen: an und aus. An der unteren Kante befindet sich der Micro-USB-Anschluss zum Aufladen. Ist der Akku leer, dürfen Nutzer den Kopfhörer auch per Klinkenkabel weiternutzen. Der Anschluss kann aber noch mehr: Wird daran ein zusätzlicher Kopfhörer per Kabel angeschlossen, lässt sich Musik mit jemanden teilen und zu zweit hören.

Perfekte Bedienbarkeit über simplen "Messingknopf"

Das Design des Kopfhörers ist gut gelungen und passt hervorragend zum Rest des Marshall-Line-ups. Auch die Verarbeitung ist prima, der Sitz komfortabel. An die minimalistische Bedienung mit nur einem Knopf müssen Nutzer sich ein wenig gewöhnen, werden sie aber nach einer Weile nicht mehr missen wollen. Den Marshall MID A.N.C. gibt es nur in der Farbe Schwarz. Im Karton liegt noch eine faltbare, mit Kunstleder überzogene Transportschachtel, ein Micro-USB-Kabel und ein Klinkenkabel mit Fernbedienung.

Mehr Retro geht kaum: Samtige Transportbox

Sound und Noise Cancelling

Beim Übertragungs-Codec lässt sich der MID A.N.C. mit aptX nicht lumpen, auch bei Filmen wird der Sound ohne wahrnehmbare Latenz übertragen. Name und Design des Kopfhörers wecken die Hoffnung, dass es sich um einen echten Rockstar handelt. Doch die Wahrheit ist: Nur weil man eine Lederjacke trägt, ist man noch lange kein Rocker, manchmal schlägt im Inneren ein sensibles Herz. Das gilt auch für die Band Wilco. In deren Song „Quiet Amplifier“ lassen die Musiker erst einmal ganz langsam Drums und Akustik-Gitarre erklingen. Die rauchige Stimme von Jeff Tweedy singt davon, sich falsch in der Welt zu fühlen. Jedes Wort sitzt, jeder Ton wird von MID A.N.C gut dargestellt – bis auf den Punkt, dass die Instrumente zu viel Raum einnehmen und sich nicht mehr klar voneinander abheben. Der Kopfhörer schafft es trotz der starken Mitten nicht, hier für mehr Transparenz zu sorgen.

Es sind Stimmen, auf die der Kopfhörer steht, „Der Rest meines Lebens“ von Kraftklub ist sehr schön belegt. Sänger Felix Kummer hat für den Track über das Älterwerden Max Raabe eingeladen. Die Hintergrundmusik, eher als uninspirierte Soundcollage zu beschreiben, dient nur zur Untermalung der beiden sehr unterschiedlichen Stimmen und Gesangstechniken, denen der Kopfhörer viel Raum zur Entfaltung gibt.

Lässt man Stimmen aber weg, etwa bei „Still Life“ von Tourist, macht der Marshall-Kopfhörer seine Sache zwar ganz gut, setzt aber keinerlei Akzente. Obwohl die Tiefen nicht wirklich dominieren, überlagern die wabernden Bass-Läufe die restlichen Loops und Samples. Alles fließt zu einem seelenlosen und unausgewogenen Klangcocktail zusammen – fürs Kopfnicken zu wenig, fürs Chillen zu viel.

Also ein paar E-Gitarren: Jimmy Eat World lässt bei „Surving“ ein paar Riffs erklingen, die perfekt vom MID A.N.C. abgebildet werden. Die Drum setzen ein, Jim Adkins sing seine Zeilen, die E-Gitarre verliert sich im Instrumenten-Allerlei. In den Spitzen fängt es leicht an zu zerren, die Mitten sind flach, die Tiefen belanglos. Ein Trauerspiel für einen Kopfhörer, der nach Rock ‚n‘ Roll aussieht. Aber in den 1960er Jahren hörte sich Live-Musik auf den Bühnen häufig eher mau an, sogar die Musiker konnten sich nicht richtig verstehen. Wenn es das ist, was Marshall mit seinem Retro-Sound abbilden will: Herzlichen Glückwunsch, Mission erfolgreich abgeschlossen. Bei allem, was mit Sprache zu tun hat, ist der Kopfhörer allerdings eine Bank: Podcasts, Hörbücher und Filme hören sich damit Klasse an.

Der Klang ist nicht ausgewogen genug

Die Geräuschreduzierung des MID A. N. C. ist recht gut geglückt. Ist die Funktion per Schieberegler aktiviert, wird Straßenlärm auf ein erträgliches Maß reduziert. Im Büro, in dem dieser Text entstand, war ein permanenter Brummton eines Kühlschranks zu hören. Sobald ANC aktiviert wurde, war der Ton verschwunden. Gespräche von Kollegen sind zwar noch wahrnehmbar, aber deutlich gedämpfter. Obwohl Sony mit dem WH-1000 XM3 (Testbericht) und Bose mit seinen NC 700 (Testbericht) und Quietcomfort 35 II (Testbericht) Außengeräusche besser im Griff haben, macht der Marshall seine Sache in dieser Disziplin erfreulich gut. Telefonate klingen auf beiden Seiten passabel.

Akku

Laut Hersteller hält der nicht wechselbare Akku abhängig von der gewählten Lautstärke lediglich bis zu 30 Stunden durch, wenn entweder Bluetooth oder ANC aktiviert sind. Mit beiden Funktionen sind immerhin noch 20 Stunden drin. Bis zu drei Stunden dauert es, bis der Kopfhörer wieder voll aufgeladen ist.

Preis-Leistung

Die UVP des Marshall MID A. N. C. liegt immer noch bei 269 Euro, ein viel zu hoher Preis für die Leistung – gerade im Vergleich mit den anderen bisher getesteten ANC-Modellen. Doch der Marktpreis des Kopfhörers liegt deutlich darunter, teilweise im dreistelligen Bereich. Damit wird der MID A. N. C. zwar nicht zu einem Rockstar, aber immerhin zu einem passablen und bezahlbaren Begleiter.

Fazit

Der Marshall MID A. N. C. ist wie alle Marshall-Produkte eine kleine Mogelpackung: Äußerlich ein echter Rocker, im Inneren eher skandinavisch zurückhaltend. Die Verarbeitung ist gut und der Sitz – vor allem durch das geringe Gewicht – bequem. Der Klang des MID A. N. C. ist ganz nett, kann aber nicht voll überzeugen. Dafür ist er zu diffus und kraftlos, zu unausgewogen und ohne eigenen Charakter. Ein äußert beliebiger Klang – was für ein Produkt mit einem optisch so starken Auftritt ein wenig enttäuschend ist.

Wo der Sound bei Musik mit großer Instrumentierung wischiwaschi ist, macht der Kopfhörer bei der Sprachwiedergabe einen ausgezeichneten Job. Die ANC-Fähigkeiten sind nicht herausragend, aber im Alltag in den meisten Szenarien ausreichend, monotone Geräusche werden ordentlich abgeschirmt. Die minimalistische Bedienung über einen kleinen Joystick ist gut gelöst und geht nach kurzer Übung leicht von der Hand. Auch wenn der Sound eher Mittelmaß ist: Das Design des Marshall MID A. N. C. fällt auf – und das ist ja auch ein wenig Rock ‚n‘ Roll.