Apple Vision Pro: Einsatz in geschäftlichen und industriellen Anwendungen

Der Blog möchte nicht auf einen fahrenden Zug aufspringen, sondern erläutern, wie sich das Konzept der Vision Pro in industriellen Umgebungen nutzen lässt.

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Kult oder Kultur? Apple's Vision Pro Konzept.

(Bild: apple.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Dr. Michael Stal

Auf der diesjährigen WWDC 2023 (World Wide Developer Conference) von Apple hat Tim Cook die seit Jahren "sagenumwobene" Vision Pro Brille vorgestellt. Auf YouTube finden sich hierzu viele Videos, weshalb sich dieser kurze Beitrag eine Wiederholung der dortigen Erkenntnisse spart.

Der Pragmatische Architekt – Michael Stal

Prof. Dr. Michael Stal arbeitet seit 1991 bei Siemens Technology. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Softwarearchitekturen für große komplexe Systeme (Verteilte Systeme, Cloud Computing, IIoT), Eingebettte Systeme, und Künstliche Intelligenz. Er berät Geschäftsbereiche in Softwarearchitekturfragen und ist für die Architekturausbildung der Senior-Software-Architekten bei Siemens verantwortlich.

Eines vorweg: es geht hier nicht primär um Apple und sein neuestes Produkt, sondern um die Betrachtung des zugrundeliegenden Konzepts und seiner möglichen Einsatzgebiete.

Aber etwas Kontext muss trotzdem sein: Jedenfalls soll die Vision Pro dank vieler Sensoren und Kameras sowie einer Auflösung von 4K für die beiden Bildschirme ein Augmented Reality der Zukunft bieten. Apple nennt dies bewusst Spatial Computing (räumliche Verarbeitung) statt auf überfrachtete Terminologie wie AR (Augmented Reality) oder MR (Mixed Reality) zurückzugreifen. So lassen sich im realen Raum virtuelle Hintergründe oder Umgebungen integrieren, in deren Kontext Anwender ihre Arbeits- oder Entertainment-Umgebung gestalten können. Der Grad an Virtualität ist also nach eigenem Gusto steuerbar.

Mit einem veranschlagten Preis von 3500 US-Dollar gehört das neue Gadget nicht gerade zu den Schnäppchen. Was aber viele übersehen: Apple sieht sich hier nicht im Wettbewerb mit Giganten wie Meta und deren Oculus-Produktfamilie, sondern adressiert eher das Marktsegment, das auch die 3200-US-Dollar teure Hololens von Microsoft abdeckt. Und das sind eher Businessanwender und vielleicht ein paar Technologie-Junkies mit großem Sparstrumpf. Ein Spielzeug für Gamer ist die Brille also nicht. Daher ist zu erwarten, dass Apps für die Vision Pro ebenfalls dieses Marktsegment adressieren und sich nicht unbedingt im unteren Preissegment tummeln.

Nach Ansicht des Autors könnte das Produkt gerade für geschäftliche und industrielle Umgebungen interessant sein. So erschließt das Konzept folgende Domänen und Anwendungsfälle:

  • Wartungsszenarien: Hier nutzen Wartungsspezialisten die Brille, um sich in der Fabrik oder Anlage interne Details zu gerade betrachteten Komponenten in der Brille anzeigen zu lassen oder generell Hilfe für die Wartung zu erhalten.
  • Medizinische Geräte: Über Wartungsszenarien für Modalitäten oder für Labordiagnostik hinaus könnten Ärzte die Brille für die Befundung verwenden, etwa in Zusammenhang mit einem Bildarchivierungssystem.
  • Navigations- und Logistikanwendungen: Für mobile Wartungsexperten und Lagermitarbeiter wäre der Einsatz der Vision Pro denkbar, um sich an die richtigen Orte leiten zu lassen.
  • Bedienen und Beobachten: In der Industrieautomatisierung wäre ein Konzept überlegenswert, das ein Bedienen oder Beobachten einzelner SPSen (Speicher Programmierbare Steuerungen), SCADA-Systeme und anderer Systeme ermöglicht.
  • Kreativität: Eine Vision Pro ließe sich für den Entwurf neuer Schaltungen, Architekturen und künstlicher Artefakte einsetzen, an denen Anwender weitgehend ohne Ablenkung virtuell arbeiten könnten.
  • Militär: Dass sich die Vision Pro für militärische Anwendung zweckentfremden ließe, steht außer Frage, etwa für die Anzeige wichtiger Informationen auf dem Feld.

Gerade die Mobilität der Brille erweist sich in diesen Szenarien als Vorteil, mal abgesehen von dem signifikanten Nachteil, dass der separat erhältliche Hochleistung-Akku gerade mal zwei Stunden durchhält. Natürlich stellt all das nur die Spitze des Eisbergs dar. Da noch niemand die Vision Pro in der Praxis prüfen konnte, gibt es viel Raum für reine Spekulation. Interessierte Entwicklungsschmieden und User sollten sich trotzdem schon jetzt ein paar Gedanken über mögliche Anwendungen machen.

All das führt natürlich unweigerlich zu Überlegungen hinsichtlich von Software- und Systemarchitektur der entsprechenden Systeme und Anwendungen. Auch die Kombination mit KI in einer Spatial-Computing-Anwendung könnte sinnvoll sein, etwa für die visuelle Einschätzung möglicher Fehlerursachen bei der Systemwartung.

Die Apple Vision Pro ließe sich ergo als wichtiger Bestandteil neuer oder geänderter Anwendungsfelder etablieren. Ob die Konkurrenz dem etwas entgegensetzen will beziehungsweise kann, bleibt abzuwarten. Zumindest sollte das Konzept Entwickler und Anwender anregen, wie sie diese Art von Produkt sinnvoll und produktiv in ihren Domänen oder für sich selbst nutzen können. Die Zukunft beginnt jetzt.

(rme)