Der Traum vom modularen Smartphone

Das "Phonebloks"-Smartphone aus leicht austauschbaren Komponenten soll die Umwelt entlasten - aber kann die Idee funktionieren?

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Phonebloks: Display, "Base" und die darauf aufgesteckten Module ergeben ein Sandwich mit drei Schichten.

(Bild: Phonebloks.com)

Der Niederländer Dave Hakkens hat sein Konzept des modularen Smartphones Phonebloks vorgestellt. Es ist zurzeit nur eine Idee, er möchte mit der Veröffentlichung Nachfrage erzeugen. Wie Hakkens selbst schreibt, müssten mehrere Firmen kooperieren, um Phonebloks realisieren zu können.

Bisher sind allerdings viele Fragen offen - zu viele, um beurteilen zu können, unter welchen Bedingungen das Konzept überhaupt das angestrebte Ziel erfüllen kann, nämlich die Umwelt zu entlasten. Hakkens geht davon aus, dass weniger Elektroschrott anfällt, weil sich das modulare Smartphone leicht reparieren und an die sich verändernden Wünsche des Nutzers anpassen lässt. Dadurch soll es länger benutzt werden als bisherige Smartphones. Das stimmt aber nur, wenn ein nennenswerter Teil der zuerst gekauften Komponenten tatsächlich länger zum Einsatz kommt und wenn für die modulare Bauform nicht zu viel zusätzliches Material nötig ist.

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Logischerweise versucht jeder Handy-Hersteller, möglichst wenige Chips, möglichst kleine Platinen, möglichst kompakte Akkus und möglichst flache Displays zu verwenden: Das spart nämlich Kosten. Zu den für die Umwelt besonders kritischen Komponenten gehören die Halbleiterbauelemente mit größerer Chipfläche, weil zu ihrer Fertigung viel Energie nötig ist und viele giftige Chemikalien sowie seltene Elemente zum Einsatz kommen. Auch die Platine steckt voll aufwendig gewonnener Metalle, wertvoll sind Kupfer und Gold - die lassen sich andererseits recht gut recyclen. Im Display stecken außer Glas und Kunststoff nur hauchdünne aktive Schichten, von denen vor allem die Metalle interessant sind. Schließlich wäre noch der Akku zu nennen, in dem oft Kobalt steckt; in den Kondensatoren kommt Tantal zum Einsatz. Die absoluten Mengen sind bei einem Smartphone winzig, denn es muss ja leicht sein und ein großer Teil des Gesamtgewichts entfällt auf das Gehäuse.

Bei einem modularen System dürfte im Vergleich zu einem superdünnen Smartphone mit ähnlichen Eigenschaften - gleich großes Display, gleiche Performance, gleicher Speicherplatz, gleiche Akkukapazität - der Materialeinsatz deutlich höher sein: Jedes Modul braucht ein eigenes Gehäuse mit einer gewissen Stabilität und die Basis (Phonebloks-"Base") auch eine zusätzliche Platine. Die gesamte Konstruktion wird größer und voluminöser, weil sich beispielsweise der Akku nicht optimal in den freien Platz schmiegen kann, denn die Hauptplatine frei lässt, sondern eben als Block nur wenige festgelegte Formen annehmen kann. Die wichtigsten Teile eines Phonebloks-Gerät – Base, Prozessormodul, Akkumodul, Display – müssten also schon wesentlich länger benutzt werden als ein normales Handy, damit ein positiver Umwelteffekt eintreten kann. Beim Vergleich ist zu beachten, dass auch teure Smartphones recht häufig weiterverkauft werden, also länger benutzt werden als vom ursprünglichen Käufer alleine.

Die meisten und größten Halbleiterchips stecken im Prozessormodul: Außer dem eigentlichen ARM-SoC mit oft mehr als 100 Quadratmillimetern Die-Fläche – ebensoviel wie ein aktueller x86-Doppelkern – noch mehrere RAM- und oft auch Flash-Dice ähnlicher Größe. Hinzu kommen die Tantalkondensatoren. Ein erheblicher Teil der Umweltlasten konzentriert sich also im Prozessormodul, das deshalb möglichst lange benutzt werden sollte.

Bei den modernsten Applikationsprozessoren steckt gleich das das LTE-Modem mit drin, welches einiges an Rechenleistung, also Siliziumfläche, sowie eigenes RAM benötigt. Hier kann man also nicht sinnvoll nur das Funkmodul abtrennen, also etwa ein UMTS-Gerät nachträglich auf LTE umstellen. Je nach Funkstandard und Frequenzen können auch Anpassungen an den Antennen nötig sein.

Ein "Blokstore" soll dem Handel mit neuen und gebrauchten Modulen unterschiedlicher Hersteller dienen.

(Bild: Phonebloks.com)

Ob der Gebrauchtmarkt für ältere Phonebloks-Komponenten in Schwung kommt, lässt sich kaum abschätzen: Sie sind ja zum Zeitpunkt ihres Verkaufs meistens nicht mehr zeitgemäß, ergeben also nur ein veraltetes Telefon - das man aber nur bauen kann, wenn man auch eine Base kauft. Diese muss folglich billig genug sein, dass sie auch mit älteren Komponenten ein preislich konkurrenzfähiges System ergibt. Doch die Base muss andererseits auch die schnellsten Schnittstellen für die modernsten Module besitzen.

Typisches Smartphone: Der Akku nutzt den Platz, den die Hauptplatine freilässt.

An vielen anderen Stellen lauern Detailprobleme. So wird sich etwa ein Display mit extrem hoher Auflösung vielleicht nicht mit einem älteren oder sehr langsamen Prozessormodul koppeln lassen, weil die GPU-Performance nicht reicht oder die ältere Schnittstellenversion die Auflösung gar nicht bedienen kann. Ein langsames Prozessormodul könnte wiederum zu teuer werden, wenn es trotz niedriger Performance sehr leistungsfähige Schnittstellen bedienen muss. Ähnliches gilt für die Kamera - schnelle Fokussierung, hohe Serienbildraten und feine Videoauflösungen setzen ja auch einiges an Rechenleistung voraus. Wenn es aber zu viele Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Komponenten gibt, dann funktioniert das modulare Konzept nur noch eingeschränkt. Schließlich ist das Problem zu lösen, wie man Treiber für erst später verfügbare Module ins System integriert.

Zu guter Letzt stellt sich die Frage nach dem Äußeren: Ein modulares Smartphone dürfte deutlich dicker werden als integrierte Geräte ähnlicher Ausstattung – und schwerer. Bei einem Aufprall ist dann auch mehr Energie im Spiel, es muss also noch robuster gebaut werden, gerade weil es trotzdem länger halten soll.

Elektroschrott: Der Anteil von Smartphones ist gering.

Am gesamten Elektroschrott-Aufkommen in Deutschland haben Mobiltelefone einen wachsenden, aber doch eher kleinen Anteil. Laut Stiftung Elektro-Altgeräte Register meldeten die Hersteller 2012 eine Verkaufsmenge von knapp 6209 Tonnen - weniger als ein Sechstel der Gerätekategorie, in die etwa Desktop-Rechner und Notebooks gehören. Für alte Handys zahlen Recycling-Firmen außerdem ordentliche Preise, weil sich einige Inhaltsstoffe gut weiterverkaufen lassen. Man muss also auch fragen, wie groß die Umweltwirkung überhaupt sein kann, also ob der Aufwand lohnt: Es ließe sich schon sehr viel ausrichten, wenn die Recyclingquoten ansteigen würden. Doch noch immer landet viel zuviel Elektroschrott im Hausmüll, was die Umwelt mit Schadstoffen belastet und Ressourcen verschwendet. (ciw)