Einfache Wahrheiten

Über die Vereinfachung der Welt in der Managementliteratur.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Bernd Oestereich

In seinem Management-Bestseller "Die kritische Kette" schreibt Eliyahu Goldratt (in Bezug auf Probleme), "je niedriger die Position des Managers, desto eher werden Gründe aufgezeigt, die nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb des Unternehmens liegen". Solche einfache Weisheiten in der Struktur "wenn [...], dann [...]" oder auch "je [...], desto [...]" haben doch eine eigentümliche Kraft. Sie reduzieren die Wirklichkeit auf einen einzelnen Faktor und werden dadurch so wunderbar einfach. Erst zwei Tage nachdem ich den Satz das erste Mal gelesen hatte, hab ich ihn mir nochmal rausgesucht und wirklich hinterfragt.

Zuerst habe ich nach Beispielen gesucht, wo ein niedrig positionierter Manager Gründe innerhalb des Unternehmens (oder Projektes) aufgezeigt hat. Ich habe einige Beispiele gefunden und damit die Aussage bestätigt. Oder nicht? Gegenbeispiele fielen mir jedenfalls auch ein, solche in denen ein hoch positionierter Manager beispielsweise genau zu wissen glaubt, dass seine Mitarbeiter bestimmte Fähigkeiten oder Eigenschaften haben oder nicht haben.

Ist es nicht vor allem so, dass verschiedene Managementebenen einfach andere Perspektiven haben, dass weiter unten noch eine detaillierte Struktur von Problemabhängigkeiten erkannt wird, während weiter oben nicht mehr alle Details aus allen Unterstrukturen erfaßt werden können und deswegen Sachverhalte vereinfacht, vor allem generalisiert werden? Dann wäre Goldratts Aussage die typische Aussage des oberen Managements. Wie kann ich die jetzt in einen Je-Desto-Satz verpacken? Vielleicht so: "Je mehr Details ein Arbeitsbereich umfaßt, desto einfacher die Erklärungen für Phänomene aus diesem Bereich". Oder vielleicht: "Der Unterschied zwischen unterem und oberen Management in der Richtigkeit von Erklärungen ist umso geringer je höher das Management ist".

Einfachheit ist die romantische Sehnsucht des Top-Managements. In der Politik scheinen unzulässige Generalisierungen seltener vorzukommen. Dort werden einfach absolute Wahrheiten gesprochen, ohne "je" und "desto".

Helmut Kohl: Entscheidend ist, was hinten raus kommt.

Guido Westerwelle: Der größte Mist ist der Pessimist.

Johannes Rau: Es gibt Menschen, die, wenn sie das Licht am Ende des Tunnels sehen, ein neues Stück Tunnel kaufen.

Na also. ()