Info-Comics erklären die Welt

Ethik, Quantentheorie, Chaos, Evolution: Zeichenkünstler vermitteln Wissen in bunten Bildern.

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Von
  • Peter Glaser

Ethik, Quantentheorie, Chaos, Evolution: Zeichenkünstler vermitteln Wissen in bunten Bildern.

Wir bewegen uns durch eine Gischt an Informationen und möchten wissen, wie die wichtigen Dinge in der Welt vor sich gehen – und zwar möglichst klar und einfach. Wenn es möglich ist, gerne auch mit einem Schuss Entertainment. Wie funktioniert die Biotechnologie? Was hat Einstein sich da ausgedacht? Wie war das noch mal mit der französischen Revolution und der Aufklärung?

Eine mögliche Lösung haben Zeichenkünstler gefunden, die eine Hand fürs anschauliche Erklären haben: Info-Comics. Die lehrreiche und witzige Form des Genres erlebt auch im Netz fröhliche Fortsetzungen, etwa Harris Science Cartoons Plus oder die Laborratten von Lab Bratz. Zu empfehlen ist auch David Brins Zusammenstellung wissenschaftlich orientierter Webcomics und die Liste mit Sachcomic-Serien aus dem Comicguide.

Es sind Leute wie die Illustratoren-Legende Borin Van Loon, die mit ihren Bildergeschichten nicht einfach nur unterhalten wollen, sondern den Geist der Aufklärung funkeln lassen. Titel wie "Sigmund Freud für Anfänger", "The Manga Guide to Biochemistry" oder "Ökonomie: ein Sachcomic" verheißen Kenntnisse plus Spaß. Selbst Universitäten greifen zur Wissensvermittlung inzwischen auf Bildergeschichten zurück.

Überinformation ist der Smog des Informationszeitalters. Je kompakter und intelligenter jemand heute Information aufbereitet, desto wertvoller wird sein Beitrag. Bekannt gemacht hat die Idee der mexikanische Autor und Karikaturist Eduardo del Rio. Seine Taschenbücher "Kuba für Anfänger" (1960) und "Marx für Anfänger" (1973) gelten als die Gründungsurkunden des Genres – ernste Themen, in Comics verpackt. Die Kunst dabei ist, Wissen aus zahlreichen Quellen in ein pfiffiges Destillat aus Texten und Bildern zu verwandeln. Info-Comics sind die perfekte Einführung in sonderbare, schwierige oder von einem speziellen Jargon vernebelte Themen, in die Quantentheorie beispielsweise, oder in die Volkswirtschaft.

Auch Sex, Atomkraft, Statistik oder Elvis Presley lassen sich mit eleganter Einfachheit erläutern, illustrieren oder collagieren und von der säuerlichen Mühe pädagogischer Vermittlung befreien – it's Pop. Dabei hat die Erzählweise der Comics den Vorteil, dass die Leser mit ihr vertraut sind. Die moderne Welt kennt zwei Erscheinungsformen von Wissen: komplex und kompliziert. Kompliziert ist der negative Aspekt. Dinge sollten nicht kompliziert sein. Komplexität aber ist unvermeidlich. Die Welt ist dazu da, komplex zu sein, und wir arbeiten uns an ihr ab.

Die ersten Sachcomics entstanden in den Vierzigerjahren. In Amerika wollten Comicverlage damit den Beweis antreten, dass dieses Genre durchaus auch pädagogisch wertvoll sein kann. Bis dahin genossen die Bildergeschichten einen schlechten Ruf als Schundhefte. Die ersten Sachcomics erschienen 1941. Die Comic-Reihe True Comics befasste sich mit den Biographien bekannter Persönlichkeiten aus Sport, Politik, Wissenschaft und Militär.

Diese Comics sollten dem wilden Rowdytum der Superheldencomics etwas Gehaltvolleres entgegenzusetzen. Herausgeber waren der Historiker David Marke und der Zeichner Elliot Caplin. Auch andere Verlage nahmen sich der Non-Fiction an, Real Life Comics (1941-1952) oder Real Fact Comics (1946-1949) beispielsweise. Von True Comics erschienen bis 1950 insgesamt 84 Ausgaben.

Den True Comics folgte eine Heftreihe zu biblischen, weltgeschichtlichen und naturwissenschaftlichen Themen genannt "Pictures Stories". Eine anschließende Reihe namens "Classic Comics", später "Classics Illustrated", die Stoffe der Weltliteratur in Comicform adaptierte, konnte große Erfolge verzeichnen. Auch das Militär erkannte bald die Vorteile des Genres der Sachcomics und spielte, wie auf vielen anderen Gebieten, eine bedeutende Rolle hinsichtlich seiner Entwicklung. Im Zweiten Weltkrieg bereits wurde Soldaten praktisches Knowhow mithilfe von Comics vermittelt.

Wer Wissen verbreiten möchte, hat mit Sachcomics auf jeden Fall eine wirkungsvolle Vermittlungswaffe an der Hand. Und das Netz bringt mit seinem Hang zu visuellen, knappen Mitteilungsformen immer neue Variationen zum Thema. Bei VisualLoop etwa kreuzen sich Comic und Infografik, was auch für Cool Infographics und Chart Porn gilt. Und richtig schön wird es in den neuen Regionen der Datenvisualisierung. Sites wie Well-formed Data (mit einem "Data Stories"-Podcast), Information Aesthetics ("Where form follows data") oder das fantastische Dataisnature zeigen, worauf Auge und Gehirn sich in Zukunft freuen können. (bsc)