Vertiefung (Feynman, die erste)

Wenn ich Urlaub mache, lese ich unglaublich viel. Anekdoten aus dem Leben eines Physikers sind da gerade noch erlaubt, lassen dann aber meine Gedanken zu den Java-Programmierern in Indien schweifen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 14 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Nicolai Josuttis

In meinem letzten Urlaub habe ich "Sie belieben wohl zu scherzen, Mr Feynman!" gelesen, ein Buch von und über Richard P. Feynman, einem Nobelpreisträger für Physik, der als Wissenschaftler und Mensch offensichtlich ein unglaubliches Maß an Neugier und Unabhängigkeit mit Witz, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit paarte (ich kenne ihn nicht, aber man kann es aus dem Buch überall herauslesen).

Ein Credo von ihm war, dass er immer Wert darauf legt, dass Menschen Wissen auch verstehen. So gab es mehrere Stories über Studenten und Experten, die absolut nicht in der Lage waren, Sätze und Gesetze bei Alltagsbeispielen anzuwenden. Sie konnten ihr Wissen schlichtweg nicht anwenden, weil sie im Grunde Nichts verstanden hatten. Dennoch bestanden sie Prüfungen und gaben Expertisen ab.

Das erinnert mich an das Buch "My Job went to India" von Chad Fowler. Das Buch lernte ich kennen, als ich bei einem Kunden war, bei dem eine Abteilung nach der anderen nach Indien verlagert wurde (interessanterweise trägt die zweite Auflage einen neuen Titel "The Passionate Programmer"; das Thema Indien zieht anscheinend nicht mehr so).

In einem Abschnitt des Buchs ging es um die Frage, wie man bei einem Bewerbungsgespräch herausfindet, ob ein Java-Programmierer ein wirklich guter Java-Programmierer ist. Das Problem war, dass alle Bewerber natürlich immer alle Zertifikate hatten und alle Standard-Programmierfragen perfekt beantworten konnten. Und doch stellte sich heraus, dass diese Programmierer nicht wirklich wussten, was sie taten, weil sie nur "oberflächlich" gelernt hatten.

Der Trick zum "Enttarnen" dieser Pseudo-Experten bestand nun darin, eine Frage zu stellen, die man nicht oberflächlich beantworten konnte. Im Buch wurde den Programmierern beim Vorstellungsgespräch dazu einfach nur folgende Frage gestellt: Wie würden Sie nur mit reinem Java-Code ein Programm schreiben, dass die JVM zum Absturz bringt?

Die im Buch beschriebenen Antworten waren: "Äh, können Sie die Frage noch mal wiederholen?", "Oh, das musste ich bisher noch nicht machen", "Das macht doch keinen Sinn!" oder einfach nur Stille. Aber wie soll jemand ein gutes Java-Programm schreiben (wozu natürlich gehört, dass es nicht abstürzt), wenn er nicht weiß, wie man einen Absturz vermeidet? Und wie kann man wissen, wie man einen Absturz vermeidet, wenn man nicht weiß, was einen Absturz verursachen kann?

Wirklich tiefes Wissen und Verständnis ist das, was ein Experte braucht. Dazu gehören übrigens auch Neugier und Misstrauen. Überprüfe Behauptungen (auch wenn sie von Experten kommen) und hinterfrage alles.

Da wird man natürlich leicht zum Querulanten. Um als derart kritischer Geist zu überleben, braucht man dann natürlich auch noch Freundlichkeit und Humor, der aber wohl nicht immer geteilt wird. Ein schönes Beispiel ist Feynmans Beschreibung eines Gesprächs mit einer dänischen Prinzessin im Rahmen seiner Nobelpreisverleihung:

Sie wandte sich zu mir und sagte: "Oh! Sie sind einer der beiden Nobelpreisträger. Auf welchem Gebiet arbeiten Sie?"

"Auf dem Gebiet der Physik", sagte ich.

"Oh. Nun, davon versteht niemand etwas, sodass wir uns wohl nicht darüber unterhalten können."

"Im Gegenteil", antwortete ich. "Wir können uns deshalb nicht über Physik unterhalten, weil jemand etwas davon versteht. Es sind die Dinge, von denen niemand etwas versteht, über die wir diskutieren können. Wir können über das Wetter reden; wir können über soziale Probleme reden; wir können über Psychologie reden; wir können über das Finanzwesen reden – über den Goldtransfer können wir nicht reden, denn den hat man verstanden – es sind also Themen, über die niemand etwas weiß, über die wir uns alle unterhalten können!"

Damit war das Gespräch beendet. Oder um es mit Feynman Worten zu sagen:

"Ich weiß nicht, wie sie das anstellen. Aber irgendwie können sie auf der Oberfläche ihres Gesicht Eis entstehen lassen, und das tat sie! Sie wandte sich ab, um mit jemand anderen zu sprechen." ()