Was kommt nach der Einspeisevergütung?

Wer Ökostrom bezieht, bekommt ihn meist von norwegischen Wasserkraftwerken. Einheimische Wind- und Sonnenenergie blieb bisher im rechtlichen Dickicht stecken. Das könnte sich nun rächen.

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Im ersten Halbjahr 2019 stammten laut Fraunhofer ISE 47 Prozent der öffentlichen Netto-Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen. Zugleich stieg die Nachfrage nach Ökostrom – und zwar von 2013 bis 2017 um 22 Prozent.

Das Bemerkenswerte an diesen Zahlen: Sie haben überhaupt nichts miteinander zu tun. Denn die nach dem EEG geförderte Energie wird ganz normal über die Strombörse vermarktet und wird dadurch zu „Graustrom“. Wer als Haushalt oder Betrieb hingegen einen Ökostromtarif bucht, bekommt den Strom aus ganz anderen Quellen: Er stammt zur Hälfte aus Norwegen und zu 90 Prozent aus Wasserkraft, wie eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes ergab.

Die Logik dahinter: EEG-Strom soll nicht doppelt vermarktet werden – also nicht gleichzeitig von einer EEG-Vergütung profitieren und von einem höheren Marktpreis durch das Label „Ökostrom“.

Nun könnte es Kunden ja prinzipiell egal sein, ob ihr Strom von Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse erzeugt wird – Hauptsache, sauber. Das Problem ist allerdings: Die Entscheidung für einen Ökostromtarif ändert nichts am tatsächlichen Strommix. Es wird dadurch kaum eine Anlage neu gebaut und kaum ein fossiles Kraftwerk abgeschaltet. Stattdessen wird meist Strom aus Wasserkraft, der bisher normal vermarktet wurde, als Ökostrom deklariert. Für dieses Spielchen gibt es noch reichlich Spielraum, denn es ließen sich noch weitere 200 Terawattstunden umetikettieren. „Damit könnte eine gut 30-prozentige Nachfragesteigerung [nach Ökostrom] ohne weiteren Zubau von Erzeugungsanlagen gedeckt werden“, heißt es in der Studie.

Das ist bedauerlich, denn es gibt offenbar eine große Bereitschaft, für sauberen Strom etwas mehr zu zahlen – sei es von Privatpersonen oder von Unternehmen, die ihre Klimabilanz verbessern wollen. Dass diese Bereitschaft völlig am deutschen Strommarkt vorbeigeleitet wird, ist sicherlich ein zentraler Geburtsfehler des EEG, der sich jetzt bemerkbar macht: Die ersten PV- und Windkraftanlagen fallen bald aus der EEG-Förderung, und der 52-Gigawatt-Deckel für Photovoltaik wird wohl in spätestens zwei Jahren erreicht. Anlagenbetrieber dürfen dann nicht mehr wie gehabt einspeisen. Wenn sich am politischen Rahmen nichts ändert, kommt der Zubau nicht nur zum Erliegen – die EE-Leistung könnte sogar zurückgehen.

Es gibt zwar schon jetzt die Möglichkeit, Ökostrom jenseits des EEGs zu verkaufen – beispielsweise durch „Power Purchase Agreements“ oder durch die „sonstige Direktvermarktung“. Doch beides ist für einen Anlagenbetreiber mit vielen Pflichten verbunden und aufwendig, denn er muss einen direkten Vertrag mit einem Abnehmer schließen oder einen Dienstleister beauftragen. Damit „Ökostromprodukte einen zusätzlichen Beitrag zum Gelingen bzw. der Beschleunigung der Energiewende leisten“, schreibt das Umweltbundesamt in seiner Studie, „sollte der Gesetzgeber Maßnahmen ergreifen, die ein zielführendes und akzeptanzförderndes Zusammenspiel zwischen EEG und nachfragebasiertem EE-Ausbau schaffen.“

Das klingt ziemlich vage. Ich hätte da einen konkreteren Vorschlag: Der Netzbetreiber bleibt weiterhin verpflichtet, einheimischen Ökostrom abzunehmen, auch wenn die Anlagen nicht oder nicht mehr dem EEG unterliegen. Dieser Strom kann dann – über ein eigenes Börsensegment oder ähnliche Mechanismen – von Ökostromlieferanten an Bürger oder Unternehmen vermarktet werden.

Für Anbieter und Abnehmer wäre das mit deutlich weniger bürokratischem Aufwand verbunden. Der Preis würde sich wahrscheinlich etwas oberhalb des normalen Börsenstroms einpendeln, weil vielen Menschen das gute Gewissen einen gewissen Zuschlag wert wäre. Das wiederum würde den Erlös für Ökostrom-Anbieter erhöhen und damit einen Anreiz zum Bau neuer Anlagen schaffen.

Der politische Aufwand hielte sich ebenfalls in Grenzen: Der Strommarkt muss dafür nicht neu erfunden werden, es wurde schon viel tiefgreifender am EEG herumgedoktert. Gleichzeitig würde der Markt für Ökostrom einfacher und nachvollziehbarer. Hoffen wir, dass die Bundesregierung irgendwann einmal mit der unseligen Tradition bricht, das EEG mit jeder Novelle noch etwas verworrener zu machen.

(grh)