10 Gigabit pro Sekunde über Kupfer
Die 10GE-Variante für die etablierte Kupfertechnik gemäß 802.3an verspricht Kostenvorteile gegenüber Glasfaser. Doch erfordert 10GBASE-T einigen Aufwand, so beim Physical Layer der Netzwerkkarte und bei der Verkabelungstechnik.
- Jörg Rech
Zweifellos hat sich Ethernet als drahtgebundene Vernetzungstechnik durchgesetzt: Jedes netzwerkfähige Produkt – vom einfachsten 10-Euro-Switch bis zum digitalen Videorecorder – besitzt heute einen Fast-Ethernet-Anschluss für 100 MBit/s. Bei PCs und Notebooks ist selbst der zehnmal so schnelle Gigabit-Port üblich.
Seit März 2002 ist die nochmals schnellere 10-Gigabit/s-Ethernet-Technik auf Glasfaserstrecken mit der Verabschiedung des IEEE-802.3ae-Standards Realität. Sie kommt als Backbone von Unternehmensnetzen und in Städteverbindungen (Wide-area Network, WAN) zum Einsatz. Für die PC-Anbindung am Arbeitsplatz oder bei LAN-Partys erscheint 10GE über Glasfaser jedoch überdimensioniert.
Die 10GE-Variante für die etablierte Kupfertechnik (Twisted-Pair-Kabel, kurz TP) gemäß 802.3an soll hingegen die rasante Verbindung innerhalb von Gebäuden zu geringeren Kosten ermöglichen. Die 10GBASE-T-Implementierung verlangt den Chipherstellern und Systemeinrichtern jedoch einiges ab. Der Physical Layer (PHY) auf der Netzwerkkarte wird deutlich aufwendiger, ebenso die Verkabelungstechnik.
Bevor es an die Eigenschaften des neuen PHY und seine Anforderungen ans Kabel geht, zunächst ein kurzer Rückblick auf die Glasfaser: 802.3ae spezifiziert für flexiblen Einsatz sieben verschiedene Schnittstellen-Varianten mit unterschiedlichen Fasertypen und Transceivern, die Namen wie 10GBASE-SR oder 10GBASE-LX4 tragen. Sie überbrücken Distanzen zwischen 26 Metern und 10 Kilometern. Als Exot für kurze Strecken von maximal 15 Metern innerhalb von Rechenzentren erschien 2004 der Standard 802.3ak (10GBASE-CX4). CX4 läuft zwar auch über Kupferdrähte, benötigt aber anders als die etablierte Ethernet-Technik Spezialstecker und Kabel mit acht Aderpaaren.
Bei den optischen 10-GBit-Lösungen sind die Kosten pro Port recht hoch. Beispielsweise kostet ein 10GBASE-SR-Glasfasermodul für Nortel-Switches derzeit rund 1100 Euro (ARtikel AA1403005). Das führt zum Wunsch nach 10GBASE-T. Es soll die gewohnte Technik mit vier Aderpaaren und RJ45-Steckern fortschreiben und mittelfristig nur ein Drittel der optischen Variante kosten. Das erste Treffen der IEEE-Arbeitsgruppe für den neuen Standard 802.3an fand bereits im November 2002 statt. Schnell war klar, dass 10GBASE-T als Glasfaser-Alternative nur akzeptiert wird, wenn es wie sein Gigabit-Vorgänger ebenfalls 100 Meter überbrückt. Wie zuvor soll eine typische Übertragungsstrecke aus 90 m Verlegekabel und zwei 5-m-Patchkabeln mit insgesamt vier Steckverbindungen bestehen.
Weitere Eckpunkte waren, das 802.3-Frame-Formats und der MAC-Schnittstelle beizubehalten, es galt, ein PHY-Interface für 10 GBit/s zu entwerfen, nur noch Vollduplex-Übertragung zu unterstützen und international festgelegte Störstrahlungsgrenzen einzuhalten (CISPR/FCC Class A). 802.3an stellt also eine Erweiterung auf der untersten Ebene des OSI-Referenzmodells dar, die höheren Schichten bleiben gleich. So muss ein 10GE-Kartenhersteller lediglich den PHY-Chip und den Leitungsanschluss austauschen, um eine TP-fähige Variante auf den Markt zu bringen.
Der Physical Layer definiert, wie Daten über das Übertragungsmedium fließen. Für 10GBASE-T hat man seine Komponenten PCS (Physical Coding Sublayer) und PMA (Physical Medium Attachment) neu spezifiziert. Sie verbinden die bestehende medienunabhängige Schnittstelle (XGMII, 10 Gigabit Media Independent Interface) mit dem Übertragungsmedium TP-Kabel. Der PCS wandelt die wortweise angelieferten Daten so um, dass sie als serieller Bitstrom über das Kabel gehen. Der PMA setzt auf das MDI (Medium Dependent Interface) auf und ist für die Signalwandlung zuständig.
10GBASE-T-Parameter | |
Modulation | PAM16, 4 Bit pro Schritt |
Symbolrate | 800 MSymbole/s, vollduplex |
Kodierung | 128-DSQ, LDPC |
Framegröße | 3250 Bit Nutzdaten |
Anschluss | RJ45, vier Aderpaare |
Reichweite | 55 Meter mit CAT6e (500 MHz), 100 Meter mit CAT6a (625 MHz) |
Trickkiste
Trickkiste
10GBASE-T nutzt wie Gigabit-Ethernet alle vier Aderpaare eines Twisted-Pair-Kabels. Die Datenrate pro Aderpaar – jedes ein eigener Übertragungskanal – reduziert sich damit zwar auf ein Viertel (2,5 GBit/s), doch das ist immer noch das Zehnfache gegenüber 1000BASE-T. Die Maximalfrequenz des Kabels begrenzt die Übertragungsbandbreite, sodass man die Kanalkapazität durch verbesserte Kodierverfahren hochtreiben muss.
Anstelle einfacher binärer Verfahren bieten sich welche mit vielen Signalniveaus an, die mehrere Bit pro Übertragungsschritt (Zustandswechsel auf der Leitung) transportieren. Doch auch solches Vorgehen hat technische Grenzen, weil mit zunehmender Zahl der Signalniveaus deren Abstand schrumpft und das Signal anfälliger gegen Störungen wird: Mit jedem zusätzlichem Bit pro Schritt verdoppelt sich nämlich die Zahl der nötigen Signalniveaus. Um drei Bit zu kodieren, braucht man acht Zustände, für vier Bit aber schon 16.
Parallel muss die Qualität des analogen Übertragungskanals – Transceiver und Aderpaar – steigen. Doch die lässt sich nicht beliebig hochtreiben, denn Sendepegel und Empfängerempfindlichkeit sind begrenzt. Die 802.3an-Arbeitsgruppe entschied sich nach langen Beratungen für PAM16 (Pulse Amplitude Modulation mit 16 Stufen). Sie bildet vier Bit in einen Übertragungsschritt ab.
Umgeformt
10GBASE-T stützt sich verstärkt auf digitale Signalverarbeitung (DSP, Digital Signal Processing) in den PHY-Chips. Der PHY-Datenpfad besteht aus fünf Stufen: einem selbst synchronisierenden Scrambler, einer 128-DSQ-Kodierung, einem LDPC-Block-Kodierer, dem Tomlinson-Harashima-Precoding und der PAM16-Modulation. Die Daten durchlaufen diese Stufen der Reihe nach in Senderichtung, ihre Gegenstücke umgekehrt beim Empfang.
Am Anfang der Kette erhält der PCS über sein 32-Bit-Interface acht Datenbyte in zwei aufeinander folgenden Transfers. Vor die 64 Datenbits setzt er noch ein Kontrollbit, bevor der Block an den Scrambler geht. Der mindert unerwünschte Abstrahlung und Gleichanteile auf der Leitung. Dazu verwürfelt der Scrambler die Datenblöcke mit einer verabredeten, pseudozufälligen Sequenz, sodass das Signal rauschähnlich wird: Seine Energie verteilt sich übers ganze Spektrum, Spitzen bei einzelnen Frequenzen unterbleiben. Außerdem erscheinen so bei längeren Eins- oder Nullfolgen in den Nutzdaten keine anhaltenden Plus- oder Minuspegel auf dem Kabel, die die Übertrager am Kartenanschluss sättigen könnten. Schließlich treten keine gleichen Symbole auf den Aderpaaren auf und ein- und ausgehender Datenstrom unterscheiden sich. Dadurch funktionieren Echo- und Crosstalk-Unterdrückung besser.
Hinter dem Scrambler sammelt der PHY zunächst 50 65-Bit-Blöcke, die den Nutzdatenteil eines 10GBASE-T-Frames bilden. Davor setzt er ein Auxiliary Channel Bit, dahinter eine acht Bit lange Prüfsumme (CRC-Feld, Cyclic Redundancy Check), sodass insgesamt 3259 Bit im Frame stecken. Die müssen nun durch Symbole kodiert und auf die vier Aderpaare verteilt werden.
Symbolik
Symbolik
10GBASE-T verwendet eine zweidimensionale 128-DSQ-Kodierung (Double Square), um sieben Bits auf ein Symbol abzubilden. Das schachbrettartige Auslassen jedes zweiten Punktes einer 16×16-Matrix steigert den Abstand und damit die Übertragungssicherheit. Einen Teil des Bitstroms sichert der PHY gegen Fehler mit LDPC-Block-Codes (Vorwärtsfehlerkorrektur, FEC, 1723 kodierte Bits pro Frame) und belegt damit vier 128-DSQ-Bits (Ort in einer Gruppe). Die restlichen drei Bit kodiert er als Gruppenauswahl (acht Gruppen).
Die Tomlinson-Harashima-Precoder (THP) sorgen dafür, dass Signalsprünge am Ausgang nicht zu hoch werden. Das mindert Eigenstörungen (Intersymbol Interference) durch Echos auf dem Kabel. Anschließend durchlaufen die Symbole ein digitales Filter, das die Signalfrequenz zu Gunsten besserer EMV (Elektromagnetische Verträglichkeit) nach oben begrenzt. Dann endlich setzen vier Digital-Analog-Wandler die PAM16-Symbole in ein elektrisches Signal um.
Der Sendezweig eines 10GBASE-T-PHY gibt typischerweise 2,0 bis 3,3 Milliwatt Leistung auf ein Aderpaar, was für die angepeilte 100-Meter-Distanz genügt. Bei kürzeren Strecken kommt das System aber mit weniger aus. Dann kann der PHY durch Zurückfahren der Leistung unerwünschte Abstrahlung und damit die Beeinflussung parallel laufender Kabel reduzieren (Power Management im 802.3an-Standard). Die Link-Partner können die Sendeleistung achtstufig in 2-dB-Schritten zwischen 0 (keine Senkung) und 14 dB (Senkung auf 1/25) herunterfahren.
Echo-Bremse
Die Anschaltung an das Kabel geschieht wie bei Gigabit-Ethernet mittels Übertragern, die den analogen Teil der Echo Compensation erledigen. Integrierte Analogschaltungen (Hybride) subtrahieren das eigene, bekannte Sendesignal, sodass der Empfangszweig nur das Signal der Gegenstelle erhält. So kann die Übertragung auf einem Aderpaar in beide Richtungen gleichzeitig erfolgen. Da das nicht perfekt klappt, hilft digitale Signalverarbeitung im Chip nach.
Bevor Daten fließen können, müssen die Schnittstellen an den Kabelenden im Trainingsmodus den Übertragungskanal ausmessen. Danach stellen sie die Sendeleistung ein, tunen ihre Tomlinson-Harashima-Precoder und passen die Parameter ihrer Empfänger an (Variable Gain Amplifier, Echo- und Crosstalk-Kompensation). Dabei tauschen die PHYs Link-Parameter und ihre Sender-Einstellungen über ein 16 Byte langes Info Field aus.
Training
Während des Trainings generiert der PCS PAM2-Trainings-Frames, anhand derer sich die Gegenseite synchronisieren kann, bevor sie in den normalen Betriebsmodus übergeht. Außerdem prüfen die PHYs über eine Symbolsequenz die aktuelle Aderpaar-Zuordnung und Polarität. Durch internes Umlenken der Datenströme kompensieren sie Abweichungen vom Standard (Auto-MDI/MDI-X). Wie schon bei Gigabit-Ethernet braucht man deshalb auch bei 10GBASE-T keine Crossover-Kabel mehr.
Sobald der Link aufgebaut ist, tauschen die Partner kontinuierlich PHY-Frames voller Größe aus. Stehen Daten- und Kontrollsymbole zur Übertragung an, dann betten die PHYs diese in ihre kontinuierlichen Frames ein. 10GBASE-T arbeitet mit einer Symbolperiode von 1,25 ns (800 MSymbole/s), woraus sich eine Nyquist-Frequenz (höchste auftretende Frequenz im Signal) von etwa 400 MHz ergibt. Die 802.3an-Arbeitsgruppe hat deshalb für das TP-Kabel die Grenzfrequenz auf 500 MHz festgelegt.
Kabelfragen
Kabelfragen
Das Twisted-Pair-Kabel konfrontierte die IEEE-Ingenieure bei den schnellen Ethernet-Varianten mit Phänomenen wie Crosstalk und Signaleinstreuungen. Auch unerwünschte Abstrahlungen sind nach internationalen Normen begrenzt. Diese Effekte waren schon bei der 1-GBit/s-Ethernet-Entwicklung eine Herausforderung, sodass das IEEE den PHY fürs TP-Kabel seinerzeit zunächst ausklammerte und einer gesonderten Arbeitsgruppe übergeben hat, die dann nahezu zwei Jahre am 802.3ab-Standard feilte.
10GBASE-T stellt eine noch höhere technische Hürde dar – gewiss einer der Gründe für seinen dreieinhalbjährigen Standardisierungsprozess. Beispielsweise muss die Echo-Kompensation um 25 dB (Leistungsfaktor von 316) besser arbeiten, und die Analog/Digital-Wandler im Empfänger müssen drei bis vier Bit mehr Auflösung bei 6,4facher Wandlungsrate liefern.
10-GBit/s-Ethernet setzt TP-Verkabelung mit 500 MHz Grenzfrequenz voraus. Bei Gigabit-Ethernet ist es gerade mal ein Achtel (62,5 MHz). Zwar plante die 802.3an-Arbeitsgruppe ursprünglich, 10GBASE-T auf CAT5e-Kabeln zu realisieren, was wegen dessen zu niedriger Grenzfrequenz aber auf keinen Fall klappt (zu den Kabelkategorien siehe Klassen und Schirme). Während der 10GBASE-T-Entwicklung zeigte sich, dass auch die nächstbessere Sorte CAT6 noch nicht reicht. So entschied sich das Gremium, die Kategorie 6 in weitere Klassen zu teilen: das originale CAT6 mit einer Grenzfrequenz von 250 MHz, das erweiterte CAT6e für 500 MHz sowie CAT6a mit bis zu 625 MHz.
Über CAT6a-Kabel schafft 10GBASE-T die angestrebten 100 Meter, über die CAT6e-Variante immerhin noch 55 Meter. Hintergrund der Aufteilung in 6a und 6e ist eine Statistik des Ingenieurbüros Mazzetti and Associates. Nach der weisen 82 Prozent von 15.000 überprüften Installationen Strecken von maximal 45 Metern auf, sodass ein großer Teil der Nutzer mit dem etwas günstigeren CAT6e-Kabel auskommen könnte.
CAT6a und CAT6e bestehen wie ihre Vorgänger aus acht Adern, die paarweise verdrillt sind. Jedes Paar trägt ein komplementäres Signal. Die Verdrillung reduziert unerwünschte Abstrahlungen und den Einfluss von außen induzierter Störungen. Wie gut die Verdrillung wirkt, hängt allerdings von ihrer Homogenität und der Laufweite, dem Abstand der Dreher im Paar, ab. Bei den neuen Kabelmodellen verkürzen die Hersteller die Laufweite drastisch. Außerdem haben die Aderpaare unterschiedliche Laufweiten. Weil damit kein Gleichlauf zwischen den Aderpaaren mehr auftritt, nehmen die unvermeidlichen Störungen innerhalb des Kabels ab: Die gegenseitige Beeinflussung mittelt sich über die Länge heraus.
Ein Kreuzsteg (Separator) zwischen den vier Paaren sorgt dafür, dass diese sich nicht zu nahe kommen, was gegenseitiger Beeinflussung ebenfalls vorbeugt. So wächst der Kabeldurchmesser allerdings von knapp sechs auf acht bis neun Millimeter. Die Installationshinweise der Hersteller sind genau zu beachten, etwa bezüglich der Biegeradien. Bei CAT6a gilt typischerweise als zulässiger Radius mindestens der achtfache Außendurchmesser beim Einziehen, der vierfache Durchmesser bei fester Verlegung. Werden diese unterschritten, können sich die Aderpaare näher kommen und erhöhtes Nebensprechen auftreten.
Als RJ45-Verbinder kommt entweder die ungeschirmte Version nach IEC 60603-7-4 oder die geschirmte Variante nach IEC 60603-7-5 zum Einsatz. Bei deren Anschluss ist entscheidend, dass die Verdrillung der Aderpaare und die Schirmung so weit wie möglich erhalten bleibt. Für Letztere ist eine niederimpedante Anbindung unverzichtbar.
Klassen und Schirme
Die Electronics Industries Association/Telecommunication Industry Association (EIA/TIA) teilt Twisted-Pair-Kabel in sieben Kategorien mit elektrischen Mindestanforderungen ein. Hauptmerkmal jeder Kategorie ist ihre maximale Übertragungsfrequenz, bei der für Fast- und Gigabit-Ethernet ausreichenden Kategorie 5 (CAT5) beispielsweise 100 MHz. Kategorie 6 schafft 250 MHz und Kategorie 7 schließlich 600 MHz. Die europäische Norm EN50173 respektive die internationale ISO/IEC 11801:2002 stuft TP-Kabel in die Klassen A bis F ein, deren Eckdaten mit denen der Kategorien 1 bis 7 vergleichbar sind. Klasse D entspricht beispielsweise CAT5, Klasse F der Kategorie 7.
Optionale Schirme reduzieren von außen kommende Störungen und unerwünschte Abstrahlungen. Dabei gibt es mehrere, verschieden wirksame Bauformen: UTP (Unshielded Twisted Pair) besitzt keine Schirme, also auch keinen zusätzlichen Schutz über die Verdrillung hinaus, ist aber günstig und lässt sich leichter verlegen als die geschirmten Varianten.
Liegt ein Schirm um jedes Aderpaar, heißt das Gebilde Unshielded/Foiled Twisted Pair (U/FTP, auch PiMF, Pair in Metal Foil). Bei der Variante S/FTP (Screened/Foiled TP) kommt noch ein zusätzlicher Schirm aus metallisierter Folie plus Kupfergeflecht um das gesamte Bündel. S/FTP bietet die beste Immunisierung gegen Störungen von außen sowie der Paare untereinander. In den USA kommt überwiegend UTP zum Einsatz, hierzulande gibt man U/FTP respektive S/FTP den Vorzug.
Messlatte
Messlatte
Bei 10GBASE-T kommt zu den üblichen Kabelparametern
- (Einfüge)Dämpfung (Attenuation, Insertion Loss)
- Nahnebensprechen (Near End Cross Talk, NEXT)
- ACR (Attenuation to Crosstalk Ratio)
- Fernnebensprechen (Far End Cross Talk, FEXT)
- ELFEXT (Equal Level Far End Cross Talk) und
- Rückflussdämpfung (Return Loss)
das Alien Crosstalk (AXTLK, Fremdnebensprechen) hinzu, denn bei den für 10GBASE-T nötigen hohen Frequenzen beginnen sich auch Kopplungseffekte zwischen Twisted-Pair-Kabeln auszuwirken, die in einem Bündel benachbart liegen. Außerdem wird das System empfindlich gegen Emissionen anderer Geräte (EMI, Electromagnetic Interference).
Alle Parameter hängen sehr stark von der Signalfrequenz ab, generell steigen sie mit der Frequenz. Die Dämpfung bewirkt, dass das Signal entlang des Kabels stetig schwächer wird; sie ist einer der begrenzenden Faktoren für die Reichweite. Da zwischen benachbarten Aderpaaren unweigerlich kapazitive und induktive Kopplung auftritt, stören sie sich gegenseitig (Neben- respektive Übersprechen). Der Parameter Nahnebensprechen gibt an, wie stark das Sendesignal auf einem Aderpaar die Signale auf den anderen drei Paaren am selben Kabelende beeinträchtigt. ACR ist das Verhältnis aus Dämpfung und Nebensprechdämpfung, es drückt die wichtigsten Leitungsparameter in einer Zahl aus.
Als Variante des Nahnebensprechens gibt das Fernnebensprechen an, wie stark ein Sendesignal auf Aderpaar 1 die Eingangssignale der Paare 2 bis 4 am fernen Ende beeinflusst. ELFEXT ist eine relative Größe, die das Verhältnis des Fernnebensprechens zum gedämpften Nutzsignal beschreibt. Schließlich bietet die Rückflussdämpfung eine Aussage über das reflektorische Verhalten eines Datenkabels: Weil die Übertragungsstrecke nicht perfekt ist, kommt stets ein kleiner Teil des Sendesignals als Echo zurück. Neben den Einzelparametern werden einige Parameter noch als Summenangabe (Power Sum) beschrieben, die die Beeinflussung zwischen allen Aderpaaren einer Kabelstrecke beschreiben (PSFEXT, PSNEXT und PSELFEXT).
Zum Beispiel für die gestiegenen Anforderungen ist die FEXT-Dämpfung für CAT7 bei 100 MHz mit 72 dB spezifiziert: Die am fernen Kabelende eingestreute Störleistung darf höchstens ein 15,8-Millionstel des Nutzsignals betragen. Für CAT5e liegt der Wert lediglich bei 35 dB (ein 3160-stel). Am oberen Ende des Spektrums (500 MHz) muss CAT7 noch 62 dB (1,58-Millionstel) bringen, CAT5e ist dort nicht definiert.
E.T. versus E.T.
Zusätzliche Echo- sowie weitgehende NEXT- und FEXT-Löschung erledigt der 10GBASE-T-PHY mittels adaptiver Filterfunktionen onchip. Doch Alien Crosstalk lässt sich – anders als Echo, NEXT und FEXT – nicht vorausberechnen und entzieht sich deshalb der Kompensation. Deshalb muss man AXTLK durch Verkabelungsdesign und Qualität der Infrastruktur vorbeugen. Auch hier unterscheidet 10GBASE-T zwischen dem nahen und fernen Kabelende (Alien NEXT, ANEXT und Alien FEXT, AFEXT).
Die Immunisierung gegen AXTLK setzt an zwei Stellen an: Schirmung und Abstand. Die Schirmung leitet eingestreute Energie größtenteils nach Erde ab, bevor sie die Aderpaare erreicht und begrenzt so die Störung der Signalleitungen. Je höher die Schirmdämpfung, desto besser. Gänzlich ungeschirmte Kabel (UTP) sollte man meiden. Darüber lassen sich, wenn überhaupt, nur kurze 10-GBit/s-Links realisieren.
Durch höhere Abstände zwischen einzelnen Kabeln sinkt die gegenseitige Kopplung und das Störsignal nimmt ab. AXTLK manifestiert sich auch an Patchpanels, bei denen die RJ45-Buchsen zu nah beieinander liegen und unzureichend geschirmt sind. Bei nach Herstellervorschrift installierten, geschirmten CAT6a-Leitungen und einzeln geschirmten Panel-Buchsen ist AXTLK meist vernachlässigbar.
Wer bei der Installation vorausgedacht und den Aufpreis für eine fachmännische CAT7-Verkabelung mit 600 MHz Grenzfrequenz aufgebracht hat, kann dagegen sofort loslegen, weil das 10GBASE-T-Spektrum auf 500 MHz begrenzt ist.
Normkonform
Normkonform
Eine 10GBASE-T-Infrastruktur muss den Spezifikationen mehrerer internationaler Normen genügen: ISO/IEC-11801 (Informationstechnik – Anwendungsneutrale Standortverkabelung, entspricht EN50173-1:2002), EIA/TIA 568B (Commercial Building Telecommunications Cabling Standard) und ISO/IEC TR-24750 (Information technology – Assessment and mitigation of installed balanced cabling channels in order to support 10GBASE-T). Zum Lieferumfang von Neuinstallationen gehört deshalb stets eine Abnahmemessung.
Allerdings gibt es bislang noch keinen Standard für die AXTLK-Messung. Die meisten Messgerätehersteller bieten jedoch inzwischen Messgeräte für die Messung von 10GBASE-T-Links an, welche sich nach den jeweiligen Normenentwürfen richten und später per Firmware-Upgrade angepasst werden können. Ein Beispiel ist das Alien-Crosstalk-Analyzer-Kit für die Testlösung DTX-1800 von Fluke Networks. Die AXTLK-Messung ist aufwendig, da man streng genommen gegen alle unmittelbar benachbarten Leitungen messen muss. Ferner können sich die Messwerte wesentlich ändern, wenn man die Patchkabel austauscht. Dennoch kommen erste Testlösungen heraus, die nach den TIA586B-Anforderungen prüfen können.
Für 10GBASE-T-taugliche Verkabelung bieten zahlreiche Hersteller, etwa ADC Krone oder Kerpen, Produkte an. Zentrales Element sind geschirmte RJ45-Buchsen und Spezialwerkzeug für die Konfektionierung. Als Leitungen kommen vornehmlich PiMF-Kabel zum Einsatz, bei denen die Adern paarweise geschirmt sind.
Kabelbetten
Die gesteigerten Anforderungen enden jedoch nicht beim TP-Kabel, sondern ziehen sich durch die gesamte Infrastruktur. So empfiehlt beispielsweise die EN-50174-2-Norm bestimmte Kabeltrassen, einen maximalen Kabelfüllgrad innerhalb der Trassen und ein geeignetes Erdungskonzept. Für die Trassen sollen möglichst geschlossene Konstruktionen anstelle von Gitterstäben oder langlochgeschlitzten Blechen zum Einsatz kommen, denn offene oder gelochte Varianten wirken zu wenig gegen Einstreuungen von außen.
Die Trasse soll nur bis zur Höhe ihrer Seitenwände mit Kabeln belegt werden und idealerweise einen Deckel erhalten, der Störungen durch oder gegen andere Systeme weiter reduziert. Verschiedene Dienste (Telefonie, Kabel-TV, Netzwerk) separiert man mittels metallischer Trennwände. Bei Unterbrechungen wie Wanddurchbrüchen sind die Trassenteile niederohmig zu verbinden, etwa mit einem Erdungsband.
Bei typischen Trassen liegen stets mehrere Netzwerkkabel übereinander, entweder gebündelt oder ungebündelt. Hier entscheidet, wie gut die einzelnen Leitungen geschirmt sind. Der Ausrüster Fluke empfiehlt beispielsweise bei CAT6-Kabeln, nicht mehr als zwei Dutzend lose zu bündeln. Kabelbinder sollen nicht näher als 60 Zentimeter (zwei Fuß) beieinander angebracht sein, weil sie die Leitungen stets etwas zusammenpressen und dadurch der Alien Crosstalk zunehmen kann.
Wer braucht, wer bekommt 10 GbE?
Wer brauchts?
Zwar schafft die alte Kupfertechnik mit reichlich Tricks und Kniffen den Sprung in die 10-Gigabit-Liga, doch ist das nicht solch ein Sonntagsspaziergang wie beim Übergang von Fast- auf Gigabit-Ethernet. So werden wohl einige Administratoren feststellen müssen, dass ihre existierende Twisted-Pair-Verkabelung den 10GBASE-T-Anforderungen nicht gerecht wird. Für die Kabelhersteller kommt 10GBASE-T freilich gerade recht, denn sie werben seit Jahren nicht uneigennützig für CAT7 als Basis eines zukunftsorientierten TP-Systems.
Bei aller Euphorie bleibt die Frage, wer eine Datenrate von 10 GBit/s über Kupfer tatsächlich braucht. Bei aktuellen Arbeitsplatz-PCs mit PCI Express bleibt die Festplatte das Nadelöhr, denn irgendwo müssen die mit 10GBASE-T möglichen 1000 Megabyte pro Sekunde ja her- oder ankommen. Schnelle Festplatten kratzen zwar schon an der Gigabit-Grenze, doch nur beim linearen Lesen oder Schreiben.
So kommt 10GBASE-T vorerst nur für Server und Highspeed-Switch-Verbindungen im Unternehmens-Backbone in Frage. Bei den 10GE-Karten für Server gilt TCP-Offload als wichtiges Merkmal: Die lokale Bearbeitung des TCP/IP-Protokollstapels auf der Karte entlasten die Server-Prozessoren erheblich, damit mehr CPU-Zeit für die Applikationen bleibt und die Antwortzeit sinkt. Schließlich könnte sich 10GE über TP-Kabel zur Konkurrenz für Infiniband entwickeln. Diese pro Kanal 2,5 GBit/s schnelle Verbindung dient in HPC-Clustern (High Performance Computing) oder SANs (Storage Area Networks, abgesetzte Massenspeichersysteme) als I/O-Verbindung. Ein 10GE-Link entspricht vier gebündelten Infiniband-Verbindungen mit SDR (Single Data Rate) oder einer mit QDR (Quad Data Rate).
10GBASE-T wird der Verbreitung von 10-Gigabit-Ethernet gewiss Schub verleihen. Doch selbst wenn die Kosten pro Port in den nächsten Jahren sinken, bleibt offen, ob ein vergleichbarer Preissturz wie nach der Gigabit-Einführung einsetzt. (ssu)