Der Abstieg vom Gipfel

Während Länder wie Südkorea und Japan bei Breitbandanschlüssen konsequent auf Glasfaser setzen, bewegt sich Deutschland im internationalen Vergleich ans Tabellenende; der IT-Gipfel der Bundesregierung dürfte daran nur wenig ändern.

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Von
  • Richard Sietmann
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Die Entwicklung der FTTH- beziehungsweise FTTB-Anschlüsse in Europa: Innerhalb der EU entfallen drei Viertel aller Haus- und Haushaltsanschlüsse auf sechs Länder, Deutschland ist nicht darunter.

Die Zukunft der Breitbandkommunikation, das war immer schon der Anschluss von Haushalten per Glasfaser – und nicht etwa die Backbone-Anbindung einer DSL-Infrastruktur über Glasfaser, wie in Deutschland bei VDSL praktiziert. Nach Ansicht vieler Fachleute wird Fiber-to-the-Home (FTTH) jedoch hierzulande auch weiterhin eine Zukunftstechnologie bleiben. Einer Umfrage des Münchner Kreises für den „IT-Gipfel“ der Bundesregierung zufolge erwarten die meisten Experten, dass der Netzzugang über einen optischen Teilnehmeranschluss in Deutschland „noch auf viele Jahre“ höchstens in Ballungsgebieten angeboten wird.

„Erst ab dem Jahr 2025 wird Fiber-to-the-Home flächendeckend in Deutschland genutzt werden“, lautet die Quintessenz der „Internationalen Delphi-Studie 2030“, in der mehr als 500 Insider zur „Zukunft und Zukunftsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien und Medien“ befragt wurden. „Viele Länder Europas werden Deutschland in diesem Punkt dann um fünf Jahre überholt haben und bereits ab dem Jahr 2020 über ein flächendeckendes Breitbandnetz auf der Basis optischer Fasern verfügen“. Die jüngsten Zahlen des FTTH-Council Europe stützen das Ergebnis dieses tiefen Blicks in die Kristallkugel. Die Daten des Branchen-Verbands von Firmen der optischen Netztechnik zeigen erhebliche regionale Ungleichgewichte auf. Selbst wenn man vom Sonderfall Russland absieht, wo der zweitgrößte Mobilnetzbetreiber VimpelCom (Markenname „Beeline“) im Zuge der Mobilfunk-Festnetz-Konvergenz mit 7,5 Millionen anschlussfähigen und 724 000 angeschlossenen Haushalten das Land fast aus dem Stand an die Spitze der Statistik setzte, entfallen allein drei Viertel aller Haus- und Haushaltsanschlüsse auf sechs EU-Länder – Deutschland ist nicht darunter.

Globales FTTH/FTTB-Ranking (Stand 6/2009): Im Prozent-anteil der angeschlossenen Haushalte (FTTH) liegt Japan an der Spitze, bei den angeschlossenen Gebäuden (FTTB) Südkorea.

Dabei bildet Europa unter den großen Wirtschaftsräumen ohnehin das Schlusslicht. Hier verzeichnete der Verband bis Juni 2009 insgesamt lediglich 2 Millionen Teilnehmer mit optischem Netzzugang; in Nordamerika sind es bereits knapp 7 Millionen und im asiatisch-pazifischen Raum 38 Millionen, wo Länder wie Südkorea und Japan bei den Glasfaser-Hausanschlüssen eine Spitzenstellung einnehmen. In Japan setzte der Umschwung 2006 ein; seither steht dort dem Anstieg bei FTTH ein Rückgang bei den DSL-Anschlüssen gegenüber.

Als nächstes Schwergewicht steigt nun Australien in den Ring. Im April kündigte die Regierung in Canberra ein umgerechnet 26,5 Milliarden Euro schweres „Fiber-to-the-Premises“-Programm an, das die Glasfaser landesweit binnen acht Jahren so bis an die Grundstücksgrenzen führen soll, dass für 90 Prozent der 7,5 Millionen Haushalte auf dem dünn besiedelten Kontinent 100 MBit/s verfügbar werden; alle anderen, bei denen sich aufgrund der abgeschiedenen Lage die Verkabelung partout nicht rechnet, sollen über terrestrische oder Satelliten-Funkanschlüsse wenigstens 12 MBit/s erhalten.

Finanziert wird das Programm durch öffentliche Anleihen, aber das Bemerkenswerte daran ist: Ausführen soll es eine Gesellschaft, an der die Regierung eine Mehrheitsbeteiligung von mindestens 51 Prozent hält. Mit der National Broadband Network Co. Ltd. (NBN), die fünf Jahre nach dem Aufbau des Netzes privatisiert werden soll, will Premierminister Kevin Rudd erklärtermaßen die Stagnation beim Breitbandausbau überwinden – seit Jahren sind der Ex-Telefonmonopolist Telstra und das Konsortium Terria der alternativen Netzbetreiber weder einzeln vorangekommen noch konnten oder wollten sich die Kontrahenten auf die Konditionen eines gemeinsamen Vorgehens verständigen.

Die Konstruktion der NBN Co. Ltd. sei „die größte Reform der Telekommunikation in zwei Jahrzehnten, weil sie zu einer Trennung von Infrastruktur-Providern und Dienstanbietern führt“, heißt es. Sie beende, erklärte der Minister für Broadband, Communications and Digital Economy (DBCDE), Stephen Conroy, „ein für allemal den inhärenten Konflikt, dass der Eigentümer der vorhandenen Altnetze auch auf den nachgelagerten Wertschöpfungsebenen in Konkurrenz zu seinen Kunden tritt.“

Im europäischen Ländervergleich der angeschlossenen Haushalte (braun) oder Gebäude (gelb) taucht Deutschland gar nicht auf. Über Glasfaser an den Backbone herangeführte VDSL-Anschlüsse werden in dieser Statistik nicht mitgezählt (Stand Juni 2009).

Das derzeit dynamischste Land in Sachen Glasfaser in Europa ist statistisch bisher noch gar nicht in Erscheinung getreten. In Portugal hat die Regierung im Januar mit der ehemals staatlichen PT Comunicações sowie Onitelecom, Zon Multimedia und Sonaecom eine Vereinbarung geschlossen, die die Gewährung von Fördermitteln und Kreditvergünstigungen an die verpflichtende Zusage knüpft, die Voraussetzungen für den Anschluss von insgesamt 1,5 Millionen Haushalten mit 100 MBit/s zu schaffen; allein in diesem Jahr sollten rund 800 Millionen Euro investiert werden. Die Werbung für den Anschluss mit der „fibra óptica“ läuft in dem 10-Millionen-Einwohner-Land bereits auf Hochtouren; 100 MBit/s-Flatrates werden für 40 Euro monatlich angeboten.

In Deutschland sind bisher erst einige City-Carrier mit FTTH aktiv geworden, so beispielsweise in Köln, München, Schwerte und Norderstedt. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Breitband-Strategie – strikt technologieneutral – bis 2014 lediglich 50 MBit/s als Versorgungsziel für 75 Prozent der Haushalte gesetzt. Das lässt sich auch mit VDSL erreichen, und so wird sich in absehbarer Zeit wenig daran ändern, dass Deutschland im EU-Ländervergleich der Haushaltsdurchdringung beim Anteil der optisch angeschlossenen Haushalte oder Gebäude nicht auftaucht. Das ist schon erstaunlich für ein Land, das weltweit als eines der ersten bereits vor einem Vierteljahrhundert im BIGFON-Projekt Erfahrungen mit Glasfaser-Hausanschlüssen sammelte und in dem kein Tag vergeht, an dem nicht irgendein Politiker die Bedeutung von Innovationen im Allgemeinen und der Breitbandvernetzung im Besonderen beschwört.

[1] Ernst Ahlers, Extrabreit, Internet rasant per Glasfaser (jk)