EU verpflichtet Hersteller zu Software-Aktualisierungen
Ein Regelungspaket der EU soll für besseren Verbraucherschutz bei digitalen Produkten sorgen. Anwender können dann beispielsweise Updates für ihre Smartphones fordern.
Mit großer Mehrheit hat das EU-Parlament Ende März zwei Richtlinienentwürfe beschlossen, mit denen der Verbraucherschutz gestärkt und das Vertragsrecht modernisiert werden soll. Die neuen Regeln gelten einerseits für den Warenkauf über das Internet oder im Laden, andererseits für das Herunterladen etwa von Apps, Musik, Videos, E-Books oder Spielen sowie die Nutzung von Cloud-Diensten. Ihre endgültige Verabschiedung im EU-Rat noch vor den Wahlen am 26. Mai gilt als ausgemacht. Die Vorgaben der Richtlinien zum Verbraucherschutz müssen dann innerhalb von etwa zwei Jahren in allen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt sein.
Laut dem Richtlinienentwurf für digitale Inhalte und Dienste erhalten Verbraucher umfangreiche Gewährleistungsansprüche etwa auf Reparatur, Updates oder Rückgabe, wenn sie für die Ware klassisch, per E-Coupon oder national anerkannten Kryptowährungen bezahlen. Wenn es nicht möglich sein sollte, fehlerhafte Inhalte oder Dienste innerhalb einer angemessenen Frist zu korrigieren, hat der Verbraucher künftig Anspruch auf eine Preisminderung oder eine vollständige Rückvergütung innerhalb von 14 Tagen.
Hat ein Nutzer einen Film von einer legalen Bezahlplattform heruntergeladen und kann ihn anschließend aufgrund schlechter technischer Qualität nicht auf seinem Rechner anschauen, erhält er nach bisher geltendem Recht meist nur einen Preisnachlass für künftige Downloads. Künftig kann er dagegen von dem Anbieter unter anderem eine andere, korrekt funktionierende Version verlangen.
Sollten Mängel an einem digitalen Produkt innerhalb eines Jahres nach Lieferdatum auftreten, wird fortan vermutet, dass sie bereits vorhanden waren. Der Verbraucher braucht dies nicht mehr zu beweisen, wie es in einigen EU-Ländern derzeit noch Pflicht ist. Der Hersteller muss dagegen belegen, dass die ausgegebene Ware in Ordnung war. Bei integrierter Software, die etwa in smarten Geräten eingebaut ist, soll die Beweislastumkehr ebenfalls für ein Jahr lang gelten, bei längerfristigen Verträgen etwa für Cloud Computing oder soziale Netzwerke die ganze Laufzeit über.
Die Regeln greifen prinzipiell auch bei kostenlosen Diensten, für die Nutzer im Gegenzug etwa für den Zugang zu einem Online-Dienst wie E-Mail, Chat oder Social Media ihre persönlichen Daten abgeben. Die Verbraucher erhalten im Zusammenhang mit solchen Geschäftsmodellen ebenfalls „Anspruch auf vertragliche Rechtsbehelfe“, heißt es in Erwägungsgrund 24 der Richtlinie. Eine Rückgabe macht hier praktisch aber wenig Sinn: Breite Rechte auf Auskunft über seine Daten oder deren Mitnahme zu anderen Diensten bestehen für die Nutzer schon aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung, ebenso Rechte auf Widerruf und Löschung der Daten.
Offene Fragen
Auch in der neuen Richtlinie bleibt hingegen die Verwendung von Metadaten wie Informationen zum Gerät des Verbrauchers oder zum Browserverlauf durch die Anbieter außen vor, falls im nationalen Recht nichts anderes geregelt ist. Ob schon eine Bannerschaltung beim Zugang zu Inhalten in den Anwendungsbereich fällt, können die Mitgliedsstaaten selbst bestimmen.
Ebenfalls nicht erfasst wird gemäß Erwägungsgrund 32 freie und quelloffene Software, solange sie nichts kostet und personenbezogene Daten „ausschließlich zur Verbesserung der Sicherheit, Kompatibilität oder Interoperabilität“ verwendet werden. Damit werden Open-Source-Entwickler von den Pflichten wie regelmäßige Updates gegenüber Nutzern freigehalten, die für kommerzielle Anbieter gelten. Den Mitgliedstaaten steht es aber nach Erwägungsgrund 18 ausdrücklich frei, die Bestimmungen auf weitere Plattformbetreiber auszudehnen.
Die Richtlinie über den Warenhandel gilt etwa für den Kauf eines Haushaltsgeräts, Spielzeugs oder Computers über verschiedene Kanäle. Der Verkäufer haftet hier, wenn sich ein beim Kauf bereits bestehender Sachmangel innerhalb von zwei Jahren nach Erhalt der Ware bemerkbar macht. Mitgliedsstaaten können nach der Richtlinie jedoch längere Mindestgewährleistungsfristen einführen oder – wo sie schon bestehen – weiterhin aufrechterhalten. Die Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers wird nach dem Willen des EU-Gesetzgebers von bislang mindestens 6 Monaten auf ein Jahr verlängert; das nationale Recht kann diese Frist auf bis zu zwei Jahre ausdehnen.
Waren mit digitalen Elementen wie beispielsweise Smartphones, vernetzte TV-Geräte oder Smartwatches mit vorinstallierten Anwendungen fallen ebenfalls unter diese Richtlinie. Käufer erhalten damit erstmals ein Recht auf den Erhalt notwendiger Aktualisierungen einschließlich Sicherheitsupdates. Wie lange dieser Anspruch im einzelnen bestehen soll, lässt sich der Richtlinie allerdings nicht direkt entnehmen. Das Parlament selbst spricht in einer Pressemitteilung zur Verabschiedung der Richtlinie von einem „Zeitraum, der vom Verbraucher als angemessen erwartet werden kann“.
Konkret soll die Frist abhängig sein von der Art und vom Zweck der Waren und der digitalen Funktionen. Sie soll mindestens dem Gewährleistungszeitraum entsprechen, die weitere Ausgestaltung bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen. Wenn der Nutzer aber etwa ein Spiel aus einem App-Store auf sein Handy herunterlädt, gelten dafür allerdings die Regeln der eingangs besprochenen Richtlinie über digitale Inhalte.
Unklarer Zeitrahmen
EU-Verbraucherschutzkommissarin Věra Jourová hatte das Paket bereits 2015 auf den Weg gebracht, um „rechtliche Hindernisse“ im Online-Handel zu beseitigen. Dabei hatte sie betont, dass auch Unternehmen von mehr Rechtssicherheit profitierten. Der Digitalverband Bitkom lehnt hingegen vor allem das Rückgaberecht für Apps als „realitätsferne Überregulierung“ ab. Der EU-Verbraucherschutzbund BEUC begrüßte den Beschluss in einer Stellungname vom 26. März hingegen ausnahmslos.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) lobte die Regelungen zum Rückgaberecht für kostenlose Apps und Online-Dienste ebenfalls: „Dass vom Verbraucher zur Verfügung gestellte Daten als geschützter Wert eingestuft werden, bewerten wir positiv“, sagte der zuständige Referent im vzbv, Florian Stößel, der c’t. Welche Entwicklungen dies in der Praxis nach sich ziehe, insbesondere ob von dem Rückgaberecht tatsächlich Gebrauch gemacht werde, lasse sich im Vorhinein nicht abschätzen. Hinsichtlich des vorgesehenen Zeitraumes, innerhalb dessen der Verbraucher Updates erwarten dürfe, bestehe noch Konkretisierungsbedarf, sagte Stößel: „Es ist aber ein Schritt in die richtige Richtung.“
In der Tat können Verbraucher wohl relativ sicher sein, dass ihnen diese Regulierungen auch tatsächlich zugute kommen, wenn Wirtschafts-Lobbyisten wie der notorische Bitkom von „realitätsferner Überregulierung“ sprechen.
(tig)