Gefälschte USB-Sticks und MicroSD-Karten bei Joom.com, eBay und Amazon
Neue Shopping-Plattform, alte Fälschungen: Nach dem Vorbild von AliExpress und Wish.com verramscht auch Joom.com Billigware aus China als Direktimporte, darunter gefälschte Flash-Speichermedien.
Die mehr als zehn Jahre alte Masche der gefälschten Flash-Speichermedien zieht noch immer. Auch auf der jungen Shopping-Plattform Joom.com verkaufen betrügerische Anbieter typische Nepp-Produkte: USB-Sticks für unter 10 Euro mit angeblich 1 oder 2 Terabyte Speicherkapazität, aber auch MicroSD-Karten mit 256 oder 512 GByte. Wir haben acht solcher Produkte eingekauft, von denen sieben nach wenigen Wochen eintrafen – allesamt mit höchstens 32 GByte tatsächlich vorhandener Kapazität. Schreibt man mehr Daten auf ein solches „Fake Flash“-Medium, verschwinden ältere Daten unrettbar im Nirwana: Es handelt sich um bösartige Datenschredder.
Auch bei Amazon – genauer: auf dem Amazon-Marktplatz (Marketplace) –, bei gewerblichen eBay-Händlern sowie bei Wish.com haben wir in den vergangenen Wochen wieder verdächtige Angebote entdeckt. Ein Händler auf Wish.com treibt das Spiel auf die Spitze: Er verkauft für weniger als 10 Euro eine MicroSD-Karte mit angeblich 1 TByte, auf die er das Wort „Fuck“ und einen ausgestreckten Mittelfinger druckt. Dass das Kärtchen tatsächlich 1 TByte Flash-Speicher enthält, ist so gut wie ausgeschlossen. Im Einkauf würden NAND-Flash-Chips mit zusammen 1 TByte Kapazität derzeit mindestens 70 US-Dollar kosten.
Bei unserer letzten Recherche zum Thema Fake Flash gab es auf dem Markt noch keine echten (Micro-)SD-Karten mit 1 TByte Kapazität. Die gibt es jedoch mittlerweile tatsächlich etwa von den Marken Lexar und Sandisk, aber sie kosten mindestens 300 Euro. USB-Sticks mit 1 TByte verkaufen etwa Corsair, Kingston, Patriot und PNY, hier geht es bei knapp 160 Euro los – siehe Tabelle. Den einzigen 2-TByte-Stick hat weiterhin Kingston für fast 1000 Euro im Angebot.
Wenn Sie auf Angebote für Speichermedien stoßen, die wesentlich billiger sind als in der Tabelle erwähnt, sollten Ihre Alarmglocken schrillen. Achten Sie außerdem auf eine Angabe zur Schreibgeschwindigkeit: Lahmer Flash-Speicher nervt beim Benutzen, flottere Versionen sind nur wenig teurer. Aktuell raten wir zu mindestens 60 MByte/s beim Schreiben – das trennt auch die Spreu vom Weizen, hier fallen bei einer Preisvergleich-Suche viele minderwertige Offerten durchs Raster.
Typische Verdachtsfälle
Anscheinend fällt es Betreibern von Shopping-Plattformen trotz aller typischen Merkmale sehr schwer, Fake Flash zu erkennen. Der Facebook-Algorithmus kann es besser, weil er dem Autor dieses Artikels, der auch bei Facebook über das Thema berichtet, immer wieder „passende“ Werbeangebote in die Timeline spült – auch die von Joom.com.
Typisch für gefälschte USB-Sticks ist auch die längst nicht mehr zeitgemäße USB-2.0-Schnittstelle. Einer der bei Joom gekauften Sticks wurde mit USB 3.0 beworben, hatte aber lediglich einen USB-Stecker mit blauem Isoliermaterial – tatsächlich beherrschte er nur USB 2.0 und arbeitete sogar noch weitaus langsamer, als damit möglich wäre.
Schwieriger zu erkennen sind Fälschungen mit gängigen Kapazitäten: Wir haben auch drei MicroSD-Karten mit angeblich 256 und 512 GByte gekauft, in denen dann aber nur 16 oder 32 steckten. Hier deuteten niedrige Preise auf Fälschungen hin. Außerdem waren sie mit den Logos bekannter Marken bedruckt, wie das Aufmacherbild dieses Artikels zeigt: Kingston, Samsung, Toshiba. Beim Einkauf fiel uns auf, dass diese Markennamen nur auf den Produktbildern zu sehen waren, aber nicht im jeweiligen Angebotstext auftauchten. Vermutlich versuchen die Anbieter, dadurch unter dem Radar der Suchfunktionen der Plattformbetreiber zu bleiben.
Die bewährte Testsoftware H2testw des ehemaligen c’t-Redakteurs Harald Bögeholz enttarnte auch die Fälschungen von Joom.com. Wie bei Fake Flash üblich, dauert die vollständige Prüfung sehr lange, weil sich die Fälschungen nur sehr langsam beschreiben und wieder auslesen lassen – das ist vermutlich Absicht. Im Extremfall dauerte es bei einem „2TB“-Stick insgesamt 6 Tage. Man kann H2testw jedoch anweisen, nur 50 GByte (Eingabe: 50.000 MByte) zu prüfen, denn mehr als 32 GByte „echter“ Speicher steckte in keinem der Prüflinge. Beim Prüfen treten dann nach etwa 4, 8, 16 oder 32 GByte die ersten Fehler auf.
Neue Maschen
Der blaue USB-Stick mit USB-A- und Micro-USB-Steckern trug keinerlei Beschriftung, nur auf der Verpackungstüte klebte ein winziges Etikett mit dem Aufdruck „2TB“. Vermutlich wird derselbe Stick mit lediglich 4 GByte Flash-Speicher auch für Fälschungen mit 64 GByte bis 1 TByte benutzt, bloß mit jeweils passend manipulierter Firmware. Da lohnt es sich nicht, unterschiedliche Gehäuse anzufertigen. Die mit den Logos von Kingston und Samsung bedruckten MicroSD-Karten wiederum trugen auf der Rückseite jeweils dieselbe eingelaserte Typenbezeichnung „MMC08EAX215F-HL XY16A“ eines unbekannten Herstellers aus Taiwan.
Wie erwähnt, haben wir außer bei Joom.com auch bei Wish.com, Amazon und eBay verdächtige Angebote entdeckt. Darauf haben wir die Pressestellen von Amazon und eBay aufmerksam gemacht, beide hatten wir schon vor Jahren wegen des Themas kontaktiert. Wieder blieben die Antworten unbefriedigend, aber verdächtige Produkte wurden entfernt.
Aktuelle Preise fĂĽr Flash-Speichermedien
Bei Wish.com haben wir auf eine Anfrage verzichtet, denn das war schon 2018 erfolglos – wir konnten niemanden finden, der sich für das Problem interessierte. Die Firma Joom mit Sitz im lettischen Riga reagierte auf einen Hinweis an ihre einzige öffentlich auffindbare E-Mail-Adresse support@joom.com mit Rückfragen zur Bestellung – einen Kontakt zur Pressestelle oder Unternehmensführung konnten wir bis Redaktionsschluss nicht herstellen.
Interessanterweise scheint AliExpress Flash-Fälschungen besser zu kontrollieren. Hier fanden wir zwar auch wieder USB-Sticks mit „2TB“, aber zu absurd hohen Preisen über 500 Euro. Die jeweiligen Anbieter gehen wohl davon aus, dass zu diesem Preis niemand bestellt, laden aber dazu ein, bei Interesse eine E-Mail zu senden.
Nicht kaufen!
Gefälschte Flash-Speichermedien vernichten Daten. Auch nach mehr als zehn Jahren Berichterstattung zu diesem Thema fallen offenbar noch zahlreiche Käufer auf Betrüger herein. Wer Speichermedien bei windigen Händlern zu bizarr niedrigen Preisen einkauft, scheint kein Interesse an den Daten zu haben, die er darauf speichern möchte. Da löscht man seine Daten aber besser gleich, statt zuvor fabrikfrischen Elektroschrott klimafeindlich um die halbe Welt versenden zu lassen.
Dieser Artikel stammt aus c't 4/2020.
(ciw)