ProzessorgeflĂĽster

Während AMD/ATI frühestens 2008 mit hochintegrierten Bausteinen - CPU, Grafik und Speicher-Controller auf einem Chip - auftrumpfen will und sich Intel nach verlustbringenden Erfahrungen mit derartigen Handy-Chips erst einmal vornehm zurückhält, will Texas Instruments in die Bresche springen und die Zielmärkte nicht nur für Autos und Industrie, sondern auch für kleine mobile Videogeräte schon mal vereinnahmen.

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Von
  • Andreas Stiller
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Für den Blick in die Zukunft sind bei amerikanischen Firmen die Visionäre zuständig, sogenannte Fellows, die zumeist von lästigen dienstlichen Pflichten freigestellt sind, um Zeit für die Ideenfindung zu haben. Bei Texas Instruments etwa ist Gene A. Frantz als „Principal Fellow“ für diesen Job zuständig, hier insbesondere, um über zukünftige Einsatzmöglichkeiten von digitalen Signalprozessoren nachzudenken. Schließlich ist TI auf diesem Gebiet der Platzhirsch und konnte zudem im Handy-, Smartphone- und PDA-Bereich mit seiner auf ARM aufbauenden OMAP-Plattform (Open Multimedia Applications Protocol) den Angriffen von Intel und Co. erfolgreich standhalten.

Anlässlich der electronica in München erläuterte Frantz in einem Gespräch mit c't seine Ideen, kurz bevor er auf der Pressekonferenz die neuen DSP-Linien vorstellte. Etwa den neuen, preiswerten DSP-Controller C2000 (mit 60 MHz DSP, ab 3,25 US-Dollar), der vor allem beim Stromsparen helfen soll, sei es in der Waschmaschine zu Hause, beim effizienten Ausnutzen erneuerbarer Energien oder in der Steuerung von Industriemotoren. Gerade bei letzteren schlummert ein gigantisches Einsparpotenzial, denn laut TI werden zwei Drittel des Industriestroms für Motoren verwendet, von denen derzeit nur fünf Prozent mit einer Geschwindigkeitssteuerung ausgestattet sind. Und solche Steuerung könnte den Verbrauch gegenüber einem konstant laufenden Motor auf bis zu ein Achtel senken.

Stromsparen, so Frantz, ist auch eine der wesentlichen Herausforderungen bei all den Handhelds und Gadgets, wobei die aber gleichzeitig mehr leisten sollen. Er sieht kleine handliche Geräte, den Ultramobile-PCs nicht unähnlich, zum Anschauen von Filmen und Bildern, zum Musikhören, auch zum Telefonieren und Surfen - die im Unterschied zu den aktuellen, sehr „kurzlebigen“ UMPCs aber gut zwei Wochen im Normalbetrieb durchhalten sollen, bevor man sie wieder aufladen muss. Und deutlich preiswerter als die edlen UMPCs sollen sie auch sein. TIs neue DaVinci-DSP-Versionen weisen genau in diese Richtung. Die DM643x-Familie fängt bei 9,95-US-Dollar (ab 10 000 Stück) an, der leistungsfähigste Vertreter DM6437 bietet für 22,95 US-Dollar neben dem C64+-DSP-Kern mit 600 MHz Takt, Video in und out, ein Video-Processing-Subsystem mit Encoder und Decoder, Netzwerkanschlüsse, PCI, diverse serielle Interfaces und einen DDR2-Speicher-Controller. Auch der CAN-Bus ist selbstredend dabei - klar, denn die Automobilindustrie ist ein wichtiger Zielmarkt.

Zu solch hochintegrierten Chips wollen die Kollegen von Intel und AMD erst wieder in einigen Jahren hin - dabei schwören sie auf x86-Kerne und haben die anderen Architekturen, Xscale hier und Alchemy/MIPS da, schon mal entsorgt.

Intel hatte zwar vor ein paar Jahren mit Timna bereits ein hochintegriertes Design entwickelt, es aber noch vor der Markteinführung wieder eingestampft, unter anderem deshalb, weil man auf das falsche Speicherpferd, nämlich den unbeliebten Direct Rambus, gesetzt hatte. AMD hat mit dem Geode GX ebenfalls ein von Cyrix/National übernommenes Design mit Grafik- und Speicher-Controller im Angebot, das aber schon recht altbacken ist und im unteren Performancebereich dümpelt. Also schickte auch AMD einen Visionär an die (Telefon-)Front, um über Zukunftspläne auf diesem Gebiet zu berichten. Der zuständige Senior Fellow heißt hier Steve Polzin, er leitet als „Chief Platform Architect“ nebenbei auch ein 2004 gegründetes AMD-Entwicklungslabor in Japan. Die AMD-Zukunftspläne tragen bereits einen schönen neuen Namen: Fusion. Der gesellschaftlichen Verbindung mit ATI soll 2008 eine Silizium-Verbindung folgen, ein Kombichip von AMD-CPU und ATI-GPU. Man will den gesamten Bereich von Palmtops bis Petaflop-Computern adressieren, aber zunächst, so Polzin, stünde der mobile Bereich im Vordergrund. Hier könnte ein Kombichip in Bezug auf Herstellungskosten und Energiebedarf enorme Vorteile bringen.

Da trifft es sich gut, dass der eingekaufte Partner ATI nicht nur bei High-End-Grafikkarten kompetent ist, sondern auch ein gerütteltes Maß an Erfahrung aus dem PDA-, Handy- und Embedded-Bereich mitbringt. Von den hier verbreiteten Imageon-Grafikchips hat ATI laut Jahresbericht 2005 mit rund 40 Millionen Stück ungefähr ebenso viele ausgeliefert wie diskrete (Radeon-)GPUs für Desktop-PC-Grafikkarten.

Intels Visionäre halten sich mit ihren Fusionsplänen demgegenüber bislang noch zurück. Als sicher gilt die Integration von Speicher-Controllern zunächst in die Itanium-Linie (Tukwilla). Grafikchips mit mäßiger 2D/3D-Leistung hat Intel bislang nur in die Chipsätze verbaut, Pläne für eine Integration - etwa zusammen mit dem Merom-Kern - sind bislang noch nicht bekannt, das könnte sich aber bald ändern. Zunächst aber wird mit der Santa-Rosa-Plattform eine „dramatisch schnellere“ Gen4-Grafik in die Chipsätze der nächsten Notebook-Generation Einzug halten.

Manche Auguren der Szene sehen schon eine Intel/Nvidia-Notgemeinschaft, die sich gegen AMD/ATI wird stemmen müssen. Ob diese Fusion je zusammenkommt, steht in den Sternen und Streifen, aber auch der jetzt von der Bush-Administration genehmigten transatlantischen Gigantenhochzeit zwischen Lucent und Alcatel ging ja ein vieljähriges Vorgeplänkel voraus.

Zum 35. Geburtstag des 4004-Mikroprozessors am 16. November hat sich Intel etwas Besonderes einfallen lassen. Im hauseigenen Museum im Robert Noyse Building in Santa Clara nahm ein Nachbau des 4-Bit-Mikroprozessors den Betrieb auf - aus 2300 diskret aufgebauten Transistoren. Datenblätter, Chip-Bilder, das Manual des ersten damit bestückten MCS-4-Rechners sowie einige Schematics sind online im virtuellen Museum ausgestellt. Bei den Schematics handelt es sich aber keineswegs um Schaltpläne, sondern nur um ein paar Layout-Folien. Echte Schaltbilder zum Nachbauen und einen Java-Simulator findet man auf der „inoffiziellen 4004-Site“ www.4004.com des MIT-Mitarbeiters Tim McNerney. Was man davon und von anderen Dingen hält, kann man nun auch in den Kommentaren zu den neu eingerichteten Intel-Blogs niederlegen, wo einige Top-IT-Leader ihre Gedanken zu Intel, Gott und der Welt zum Besten geben. (as)