Triton: Vorsicht, Abmahnung!

Das bereits durch spektakuläre Abmahnaktionen in die Schlagzeilen geratene Anwaltsbüro Gravenreuth & Partner hat einen neuen Weg gefunden, Computerhändler zur Kasse zu bitten. Wer ein Motherboard mit Intels Triton-Chipsatz unter Verwendung des Namens Triton bewirbt, soll eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben und gut 5000 DM Anwaltskosten bezahlen.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Die Verwendung von Markennamen und Warenzeichen in der Werbung ist seit jeher eine heikle Angelegenheit. Das mußte ein hannoverscher PC-Händler jetzt schmerzlich erfahren. Er hatte ein Pentium-Motherboard mit dem Hinweis beworben, daß dieses einen Triton-Chipsatz enthält. Dummerweise klingt Triton aber fast so wie Tricon, und diesen Namen hat sich die auf Maschinenbau-Software spezialisierte Firma Tricon Engineering B.V. aus Hoofddorp (Niederlande) erstmals 1987 als Warenzeichen eintragen lassen.

Tricon und die Kanzlei Gravenreuth sehen nun in der Verwendung von Triton für einen Chipsatz Warenzeichenrechte verletzt und fordern den Händler zur Unterlassung auf. Gleichzeitig machen sie Schadensersatzansprüche geltend, die sich momentan auf die Anwaltskosten in Höhe von gut 5000 DM beschränken. Um einer Wiederholung vorzubeugen, wird der Händler aufgefordert, zusätzlich eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Sollte er danach jemals wieder den Namen Triton in der Werbung verwenden, so muß er 20 000 DM an die Firma Tricon zahlen.

Ein mit dem deutschen Gesetzesdschungel nicht vertrauter Computeranwender fragt sich natürlich, wieso es einen Software-Dienstleister stört, wenn ein Hardware-Produkt einen zugegeben ähnlich klingenden Namen führt und warum sich Gravenreuth und Tricon auf einen kleinen Händler stürzen, anstatt sich mit Intel auseinanderzusetzen.

Die Erklärung, die Bernhard Syndikus, der bearbeitende Anwalt aus der Kanzlei Gravenreuth dazu parat hat, klingt zunächst einleuchtend: Tricon fürchte eine "Verwässerung" des eigenen Warenzeichens. Wenn man sich nicht gegen jede Verwendung eines ähnlich klingenden Namens in der EDV-Branche wehrte, verlöre man über kurz oder lang den Schutz des eigenen Warenzeichens.

In der Tat kann ein eingetragenes Warenzeichen seinen geschützten Charakter verlieren, wenn sich der Eigentümer nicht gegen ähnliche Namen wehrt. Daß "Triton" und "Tricon" ähnlich sind, hat das Deutsche Patentamt schon im Oktober 1991 festgestellt, als eine französische Firma versuchte, Triton als Warenzeichen registrieren zu lassen. Auch in diesem Verfahren war es zweitrangig, daß die französische Firma im wesentlichen Hardware und Tricon vorrangig Software produzierte.

Ob aber tatsächlich eine Verwässerungsgefahr vorliegt, wenn nur ein mit Tricon ähnlicher Name für eine ganz spezielle und vermutlich auch relativ kurzlebige Ware, nämlich einen Chipsatz, benutzt wird, ist fraglich. Unklar ist auch, ob die von Gravenreuth beigefügte Entscheidung des Deutschen Patentamts von 1991 heute überhaupt noch greift. Schließlich gibt es inzwischen ein neues Markengesetz, und der Triton-Chipsatz stellt in dessen Sinne eine ganz spezielle Ware dar. Insbesondere die Tatsache, daß Triton nicht allein, sondern stets als "Triton-Chipsatz" in der Werbung auftaucht, untergräbt Gravenreuths Argumentationslinie.

Zu der Frage, warum man sich nicht zuerst direkt mit Intel auseinandergesetzt habe, mochte sich weder Syndikus noch der Pressesprecher von Tricon eindeutig äußern. Beide wollten mögliche Aktionen gegen Intel weder bestätigen noch dementieren. Nach Auskunft von Jürgen Benning, Rechtsanwalt bei Intel Deutschland, habe es Kontakte zwischen Intel und Tricon gegeben, zu denen er aber keine Einzelheiten mitteilen wollte.

Tricon dürfte es allerdings auch schwer haben, Intel zu verklagen. Schließlich handelt es sich bei dem Namen Triton für den neuen Pentium-PCI-Chipsatz nur um einen internen Code-Namen, den Intel nach außen hin nicht verwendet. Eine widerrechtliche Verwendung eines Warenzeichens liegt also auch nicht vor. Selbst wenn man den Beteuerungen von Syndikus, es gehe ihm nur um die Rechte seines Mandanten, Glauben schenken möchte, fallen im uns vorliegenden Abmahnschriftsatz doch einige Ungereimtheiten auf. So hat die Firma Tricon ihr Warenzeichen am 4. 11. 1987 erstmals eintragen lassen. Am 25. 9. 1992, also kurz vor Ablauf der fünfjährigen Schutzdauer, hat man eine Neuanmeldung mit etwas erweitertem Produktspektrum statt der üblichen Verlängerung nach Ablauf des Schutzes durchgeführt und so eine Verlängerung um weitere fünf Jahre erwirkt, was nach Ansicht vieler Patentanwälte ein eher unübliches Verfahren ist.

Recht hoch erscheint darüber hinaus der für die Anwaltskosten zugrundegelegte Streitwert von 200 000 DM – üblich sind hier 50 000 DM. Ein Streitwert von 200 000 DM ist natürlich günstiger für den Anwalt, bestimmt dessen Höhe doch wesentlich sein Honorar. Kostensteigernd wirkt auch, daß Gravenreuth noch den Münchner Patentanwalt Dr. Fritzsche eingeschaltet hat. Jeder Rechtsanwalt sollte eigentlich in der Lage sein, ein einfaches Abmahnverfahren auch ohne die Mithilfe eines anderen durchzuführen. Für den abgemahnten Computerhändler, der damit nicht nur 2430,87 DM an die Gravenreuth-Kanzlei abführen, sondern in etwa den gleichen Betrag noch einmal an Dr. Fritzsche zahlen muß, ist diese Verfahrensweise auf jeden Fall teuer.

Hier schließt sich denn auch der Kreis. Wer erinnert sich nicht an die mit Foto versehenen Lockbriefe einer Tanja Nolte-Berndel [1], die Computer-Jünglinge bat, ihr Raubkopien zu senden. Wer auf den fingierten Brief hereinfiel, bekam postwendend eine kostenpflichtige Abmahnung (1934,07 DM) aus der Kanzlei Gravenreuth ins Haus. Zur Kasse gebeten wurde auch der Betreiber des "Rainbow BBS". Hier witterte Gravenreuth-Mitarbeiter Syndikus eine Verletzung der Warenzeichenrechte des Software-Anbieters "Rainbow Arts" und knöpfte dem Mailbox-Betreiber 1680 DM ab. Auch in diesem Fall schaltete Gravenreuth übrigens einen Patentanwalt ein.

Nach Aussage des Gravenreuth-Mitarbeiters Bernhard Syndikus soll bisher lediglich der hannoversche Händler in den "Genuß" einer Abmahnung gekommen sein. Das kann sich aber schnell ändern. Schließlich wirbt heutzutage jeder PC-Händler mit dem Qualitätsmerkmal "Triton-Chipsatz". Potentielle Opfer einer neuen Abmahnwelle stehen also in genügender Zahl zur Verfügung.

Wer sich vor Abmahnungen seitens Gravenreuth schützen will, dem bleibt derzeit nur die Möglichkeit, auf das prestigeträchtige Schlagwort Triton-Chipsatz zu verzichten. Ganz raffinierten Händlern bleibt allerdings ein Schlupfloch: Wegen eines Delikts kann man jeweils nur einmal abgemahnt werden. Wer also fürchtet, wegen einer bereits geschalteten Anzeige demnächst von Gravenreuth zur Kasse gebeten zu werden, kann sich von einem befreundeten Händler abmahnen lassen. Gravenreuth wäre dann der zweite und ginge leer aus .. (gs)

[1] Frank Möcke, Anwalts Lieblinge, Abmahnaktionen gegen Computer-Hobbyisten, c't 8/93, S. 56 (gs)