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  • Schmendrick

450 Beiträge seit 09.09.2001

Re: Fazit

Rakanishu schrieb am 21. Februar 2006 18:06

> Die einhellige Meinung hier Forum ist anscheinend, wenn Kinder
> mißraten sind, dann gibt es dafür nur einen einzigen Schuldigen: die
> Eltern.

Zunächst korrekt. Im weiteren Sinne: Die Erziehungsberechtigten und
-verantwortlichen. Dazu gehören natürlich an aller erster Stelle
Personen in der Elternrolle (leibliche Eltern, Ersatzeltern, Vormunde
etc.).

Es gibt m. E. nach keine Ausreden, warum dies anders sein sollte.

> Dann bin ich beruhigt. Denn das erklärt nicht das Problem mit dem
> Nachwuchs, sondern ist gleichzeitig eine Antwort auf viele offene
> Fragen. Zum Beispiel die Frage nach dem Gottesbeweis. Laut dem Forum
> existiert das absolut Böse nicht.

Unpräzise formuliert. Zunächst muß der Begriff im Zusammenhang mit
den jeweils zum Betrachtungszeitpunkt herrschenden ökologischen,
ökonomischen und gesellschaftlichen Erkenntnissen und
Wertevorstellungen definiert werden. "Böse" per se gibt es nicht.
Eine genauere Betrachtung des Einzelfalles bringt oft ungeahnte
Komplexizitäten zu Tage.

> Von Nero über Adolf bis hin zu Bush, alles nur eine Frage der Erziehung.

Hier ist die Antwort deutlich: Ein eindeutiges "Ja". Kompliziert wird
es erst, wenn psychische oder physische Abweichungen von der "Norm"
(abhängig vom jeweiligen Betrachtungszeitpunkt) die Wahrnehmung, das
Entscheidungsvermögen sowie die Handlung einer Person nachhaltig
beieinträchtigen bzw. diese beeinträchtigt haben.

> Und wenn es das Böse nicht gibt, kann es auch keinen Gott geben.

Jein. Yin&Yang-Prinzip. Es kann (nach meiner religiösen und
weltanschaulichen Auffassung) das eine _nie_ ohne das andere geben.
Gott steht meiner Ansicht nach aber _über_ diesem Prinzip. Er
entbindet durch seine bloße Existenz den Menschen also niemals von
seiner Eigenverantwortlichkeit.

> Oder die Sache mit Darwin. Bösartigkeit, Niedertracht, Unvermögen,
> Habgier. Auch hier alles nur eine Frage der Erziehung.

Unpräziese formuliert. Neben der Erziehung, die vorallem über die
Wahrnehmung und das Urteilsvermögen eines Menschen nachhaltig
entscheidet, sind äußere Einflüsse (Umwelt, Gesellschaft u.v.a.)
sowie seine psychische und physische Belastbarkeit ein wichtiger
Faktor. Betrachten wir bspw. Kinder mit dem sog. "Down-Syndrom". Je
nach dem, ob sie in einer speziell auf sie abgestimmten, sich stets
an ihren (angenommenen) Bedürfnissen angepaßten Umgebung und
Erziehung aufwachsen oder ob sie - wie von mir berfürwortet - in
einem völlig durchschnittlichen Umfeld, in dem man ihnen als
"Gleicher unter Gleichen" neben sog. "Gesunden" begegnet, groß
werden, wird sich ihr späterer Lebensweg und ihr Dasein u. U.
gravierend unterscheiden. Das heißt aber _nicht_, daß man ihnen nicht
den nötigen Respekt und die nötigen Rücksichtnahme (=! Mitleid!)
entgegen bringen sollte.

> Die Gene spielen da keine Rolle.

Mit Ausnahme der von mir genannten Beschränkungen - korrekt. Die
neuerlich im bereich des Strafrechtes und  Strafvollzuges aufkommende
Diskussion hierüber entbindet m. E. nach weder Straftäter, Opfer noch
die Gesellschaft von der exakten Betrachtung der Tat unter dem Aspekt
physischer und psychischer Beschränkungen des Individuums und seiner
_daraus_ resultierenden Verantwortlichkeit für die Tat. Alle
Versuche, Kausalitäten auf "die Gene" zu reduzieren, dienen lediglich
einer dramatischen Entlastung der am Verfahren zur Urteilfindung
beteiligten Personen. In einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft
genügt ein solches "Scheuklappendenken" schon lange nicht mehr. Von
den gefährlichen Konsequenzen solchen Denkens (s. bspw. "Minority
Report", Spielfilm, USA 2001) mal ganz abgesehen.

> Das ultimative Argument für die Kreationisten.

???

Obgleich ich den Zusammenhang jetzt nicht wirklich verstehe, habe ich
nichts gegen die sog. "Kreationisten". Solange ihre Anschauungen,
Argumentationen und Zielsetzungen in einem ungezwungenen, um nicht zu
sagen "neutralen" Disput den heutigen Anschauungen, Argumentationen
und Zielsetzungen gängiger Wissenschaft gegenüber gestellt werden.
Blinde Wissenschaftsgläubigkeit bringt uns aber auch nicht weiter. Zu
häufig mußten etablierte, über Jahrzehnte als "unangefochtene
Wahrheit" gehandelte wissenschaftliche Thesen im Nachhinein
korrigiert werden (s. bspw. die aus wenigen steinzeitlichen
Asservaten abgeleitete Entwicklungsgeschichte des Menschen).

> Ja, und das Problem mit der Selbstverantwortung ist auch gelöst.

Unter Berücksichtigung der von mir o. g. Einschränkungen - ja.

> Alles was ich heute nicht bin, nicht kann oder nicht habe, wurde
> durch meine Eltern verschuldet.

Korrekt. Denn für _eine_ Sache sind wir _niemals_ selbst
verantwortlich: Unsere Geburt. Mein Können hängt außerdem
entscheidend von meiner (früh)kindlichen Entwicklung ab, für die ich
- aus heutiger Sicht - ebenfalls kaum verantwortlich gemacht werden
kann. Besitz (gleich ob in Form geistiger oder materieller Güter)
bedarf m. E. nach einer genaueren Betrachtung unter Berücksichtigung
der von mir o. g. Umstände aus denen er möglicherweise hervorgeht
bzw. hervorgegangen ist.

> Mögen sie in der Hölle schmoren. Wäre sie nicht so unfähig gewesen, ich wäre
> heute schön, reich und berühmt.

Mmmmmmmmmmmmh. :-|

*grübel*

Ein ähnliches Thema: Kausalitäten, Verantwortung und die Schuldfrage.

Hier müssen wir - wie es bspw. in der Chaos-Theorie immer wieder
deutlich wird, bereits bei "Adam und Eva" anfangen. Die Reduzierung
der Betrachtung des eigenen Seins und seines Ursprungs auf die
unmittelbar vorhergehende Generation ist aus meiner Sicht in Bezug
auf unser heutiges Wissen und unsere heutigen Erkenntnisse extrem
"kurzsichtig".

Um es einfach zu formulieren: Schuld im Sinne von "schuldig" sind
meine Eltern _wahrscheinlich_ nicht (alleine). Schuld im Sinne von
Kausalität sind sie dagegen sehr wohl. Und zwar ausschließlich sie.

Den ohne sie gäbe es meine vermeintliche Schönheit, meinen etwaigen
Reichtum und meine eventuelle Berühmtheit nicht.

Es gäbe MICH nicht.

In der Hoffnung, ein wenig Neutralität und Sachlichkeit in die
Diskussion und Herangehensweise an das Thema gebracht zu haben
verbleibe ich

hochachtungsvoll

--
Schmendrick


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