Ansicht umschalten
Avatar von
  • unbekannter Benutzer

310 Beiträge seit 23.05.2005

mehr infos -->

das die leute bei spiegel-offline nicht unbedingt die schnellsten
sind, ist mir ja schon immer klar gewesen. wie dem auch sei, hie ein
etwas älterer artikel dazu vin indymedia. veröffentlicht gemeinfrei
im Sinne der Public Domain.

NRW: Polizeicode "901" für Homosexuelle

von Martin Lentzen - 19.05.2005 13:30
Knapp dreißig Jahre nach der Liberalisierung des Schwulenparagraphen
§ 175 sammeln die Polizeibehörden in Bayern, Thüringen und NRW
offenbar immer noch Daten über den Homosexuellen. Gestern hat der
"Verein lesbischer und schwuler Polizeibediensteter" (Velspol) die
skandalöse Schnüffelpraxis aufgedeckt. Wenige Tage vor der
NRW-Landtagswahl am 22. Mai gerät das SDP-geführte Düsseldorfer
Innenministerium unter Druck. Von Martin Lentzen
Polizeicode "901" für Homosexuelle

Knapp dreißig Jahre nach der Liberalisierung des Schwulenparagraphen
§ 175 sammeln die Polizeibehörden in Bayern, Thüringen und NRW
offenbar immer noch Daten über den Homosexuellen. Gestern hat der
"Verein lesbischer und schwuler Polizeibediensteter" (Velspol) die
skandalöse Schnüffelpraxis aufgedeckt. Wenige Tage vor der
NRW-Landtagswahl am 22. Mai gerät das SDP-geführte Düsseldorfer
Innenministerium unter Druck. Von Martin Lentzen

In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Bayern bahnt
sich ein beispielloser Polizeiskandal an. Wie gestern bekannt wurde,
sammeln die Polizeibehörden in diesen drei Bundesländern mehr als
zehn Jahre nach der im März 1994 vom Bundestag beschlossenen
Streichung des noch aus der Nazi-Zeit herübergeretteten
Schwulenparagraphen § 175 offenbar immer noch routinemäßig Daten über
den "Aufenthalt von Homosexuellen". Das Bekanntwerden der demnach
seit NS- und Adenauer-Zeiten ungebrochenen Erfassungspraxis
bestimmter sexueller Minderheiten löste gestern in NRW einen Sturm
der Entrüstung aus.

In dem von den Polizeibehörden der drei Bundeländer genutzten, von
der bayrischen Polizei entwickelten und vertriebenen Computerprogramm
namens "IGVP" können in einer Suchmaske unter der Schlüsselnummer 901
Angaben zum "Aufenthalt von Homosexuellen" an bestimmten Orten
eingegeben werden.

Ans Licht kam die anrüchige Datensammlung durch eine seit Mittwoch
Abend kursierende Email des "Verbands lesbischer und schwuler
Polizeibediensteter e.V." (Velspol) in Nordrhein-Westfalen. Nach
Angaben des über interne Behördenvorgänge für gewöhnlich gut
informierten Vereins nutzt die nordrhrein-westfälische Polizei seit
einiger Zeit ein sogenanntes Vorgangs- und Verwaltungsprogramm namens
"IGVP", in dem die Behörde Verkehrsunfälle, Strafanzeigen,
Ordnungswidrigkeitenanzeigen und Meldungen mit kompletten Datensätzen
von Tätern, Geschädigten und (zufällig anwesende) Tatzeugen erfaßt.
Dieses Programm ermögliche laut Velspol "auch eine Recherche nach
Tatörtlichkeit mit einem einzugebenden Zeitraum". Dadurch sei
beispielsweise auch problemlos zu ermitteln, welche Personen sich
wann und wie oft an Schwulentreffpunkten aufgehalten haben. Außerdem
ermöglicht das Programm, Personendaten über Passanten eines der
Straßenprostitution dienenden "Strichplatzes" mit dem dafür
vorgesehenen Zahlencode 902 zu verknüpfen. Der "Aufenthalt von
Dirnen" wird mit dem Code 900 verschlüsselt.

Mit Befremden konstatieren die im Velspol organisierten
Polizeibeamten "welches Interesse an der Speicherung von
Örtlichkeiten besteht, an denen Dirnen oder Homosexuelle angetroffen
wurden, zumal sich neutrale Speicherungsmöglichkeiten wie bspw.
Gaststätte, Saunabetrieb, etc. im gleichen Katalog befinden und eine
strafrechtliche Bewertung nicht mehr existiert."

Drei Tage vor der Landtagswahl steht nun die Schwulenszene an Rhein
und Ruhr Kopf. Als erste Gruppierung der Homoszene forderte gestern
das linke "wissenschaftlich-humanitäre komitee" (whk) den
SPD-Innenminister Fritz Behrens auf, noch vor der Wahl zu erklären,
"wie viele mutmaßlich homosexuelle Personen und wie viele Datensätze
seit wann gespeichert" worden seien.

Das sexualpolitisch engagierte whk verlangte in einer scharfen
Stellungnahme den sofortigen Stop der "Intimschnüffelei bei
unbescholtenen Bürgern" und drängte auf eine unverzügliche Löschung
der Daten unter Aufsicht der NRW-Landesdatenschutzbeauftragten.
Bezugnehmend auf schon länger in der Schwulenszene kursierende
Gerüchte hatte die Datenschutzbehörde erst im vergangenen Jahr
ausdrücklich erklärt, keinerlei Informationen über entsprechende
Datensammlungen über Homosexuelle zu besitzen. Die Datenwächter
scheinen demnach entweder schlecht informiert oder von
Innenministerium und Polizei bewußt getäuscht worden zu sein. Das whk
verlangte deshalb, den Betroffenen müsse die Vernichtung ihrer Daten
schriftlich mitgeteilt werden.

Die zumeist mit Landesgeldern ger rot-grünen Regierung in Düsseldorf
unterstützen lesbischen und schwulen Selbsthilfegruppen forderte das
whk unterdesssen "bis zu einer umfassenden Stellungnahme des
NRW-Innenministers" auf, "sämtliche Kontakte mit Landesbehörden
einzustellen und die weitere Annahme von Landesgeldern zu
verweigern".

Peinlich wird die Sache, weil das Innenministerium erst vor wenigen
Tagen Schwulen- und Lesbengruppen aus ganz NRW zu einer Fachtagung
zum Thema Vielfalt der Lebensformen nach Düsseldorf eingeladen hatte.
Jetzt sei klar, daß das Innenministerium offenbar selbst erheblichen
Nachholbedarf in diesem Bereich habe, heißt es in der Szene.
Entsetzen herrscht vor allem darüber, daß in Zeiten in Zeiten von
Homo-Ehe und rot-grüner Antidiskriminierungspolitik ausgerechnet die
von der Schwulenbewegung seit Jahrzehnten immer wieder entschieden
bekämpften und von den Behörden ebenso vehement bestrittenen
sogenannten "Rosa Listen" bei der Polizei "ein fröhliches Comeback
erleben". Vorsichtshalber erinnerten Gruppen wie das whk Polizei und
Innenministerium daran, "daß der eine jahrzehntelange Bespitzelung
von Homosexuellen rechtfertigende Schwulenparagraph § 175 seit gut
einer Dekade abgeschafft" sei und es daher keinen Grund für eine
weitere Computererfassung schwuler Männer gäbe. Zudem hätten Personen
"nur weil sie sich mehr oder weniger zufällig" an polizeibekannten
Homosexuellentreffpunkten aufhielten, nichts in Verbrecherkarteien zu
suchen.

Bereits am 21. März 2005 hatte VelsPol nach eigenen Angaben von der
Abteilung IV des NRW-Innenministeriums die ersatzlose Löschung der
genannten Schlüsselnummern gefordert. Nach einer Eingangsbestätigung
vom 30. März 2005 habe das Ministerium jedoch lediglich mit einer --
nicht nähere bezeichneten -- "inoffiziellen Benachrichtigung"
reagiert, in der es hieß, die Nummern 900 und 901 würden nicht mehr
genutzt. Velspol drängt jedoch weiter auf einen schriftlichen
Bescheid.

Auf einen Schlag zunichte gemacht scheint fürs erste die von der
Landesregierung seit rund zehn Jahren finanzierte Akzeptanzkampagne
"Andersrum ist nicht verkehrt", mit der rot-Grün unter anderem für
eine -- von linken Homogruppen heftigst abgelehnte --
"vertrauensvolle" Zusammenarbeit von Polizei und Schwulengruppen
warb.

Zudem spielt sich der Rosa-Listen-Skandal im Vorfeld eines für die
Schwulenbewegung historisch wichtigen Datums ab: Vor fünfundzwanzig
Jahren, am 28. Juni 1980, endete Hamburgs erste
Homosexuellendemonstration mit einem brutalen Angriff der Polizei.
Nachdem die Demoteilnehmer entdeckt hatten, daß sie aus einem zivilen
Polizeibus verdeckt fotografiert worden waren, hatten die sie den Bus
umstellt und die Herausgabe des Fotomaterials verlangt. Daraufhin
griff bewaffnete Bereitschaftspolizei die friedliche Manifestation
mit Schlagstöcken und Tränengas an. Als Reaktion zertrümmerten
radiale Homoaktivisten in den darauf folgenden Nächten in Hamburgs
öffentlichen Toiletten Einwegsspiegel, durch die die Polizei heimlich
die "homosexuelle Szene" beobachten wollte. Vom damaligen
SPD-Innensenator Werner Staak hatten Hamburger Schwulengruppen schon
damals ein Ende der der Homosexuellenkarteien bei der Polizei
verlangt. Scheinbar vergeblich, wie sich jetzt zeigt.

e-Mail:: KEINSPAM.reaktion@gigi-online.de | Homepage::
http://www.whk.de |

http://de.indymedia.org//2005/05/117191.shtml
Bewerten
- +
Ansicht umschalten