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  • Gisjön

4 Beiträge seit 02.04.2019

Re: Paragraphen Spekulatius

"Wo trifft das denn hier zu ? Jemand der streamt (Live stream z.b.), kann doch live auf die Nutzer eingehen. Das heißt die Nutzer HABEN die Möglichkeit zeitlich, als auch inhaltlich den Stream zu beeinflussen durch Kommentare, Chats oder ähnlich. Oder bin ich zu blöd um den Satz richtig zu deuten ? :)"

Sie können das schon beeinflussen, aber nur mittelbar. In manchen Fernsehsendungen kann man ja auch anrufen, Mails schreiben etc.
Die Entscheidung, das Programm zu ändern, liegt aber trotzdem nicht bei den Zuschauern. Man kann auf Twitch das Geschehen nicht direkt beeinflussen. Selbst wenn ein Streamer immer den Vorgaben des Publikums folgt, obliegt ja ihm trotzdem die Entscheidung, das zu tun. Und wenn er ab morgen plötzlich nicht mehr auf das Publikum hört, kann das eben höchstens wegschalten. Genau wie beim Fernsehen.
Die Unterscheidung ist da z.B. zu einem Browsergame. Da entscheidet man direkt, was als nächstes passiert, indem man eben Eingaben am eigenen PC macht. Und genau das, was man entscheidet, passiert auch.

"• Das Angebot richtet sich an mehr als potenziell 500 gleichzeitige Nutzer
Demnach müssten Websites jeglicher Art auch eine Lizenz brauchen!"

Steht nur so nicht im Gesetz. Dort steht, dass Angebote mit weniger als 500 Nutzern JEDENFALLS NICHT Rundfunk sind. Der Umkehrschluss trifft nicht zu. Ein Programm das alle Merkmale erfüllt, aber für weniger Zuschauer gedacht ist, ist kein Rundfunk. Eine Website, die mehr Adressaten hat, aber nicht linear ist, genauso wenig.

"• Das Angebot ist journalistisch/redaktionell gestaltet
Ab wann genau ist etwas journalistisch oder redaktionell ?"

Das ist eine gute Frage. Um mal zu zitieren:

"Weil der Gesetzgeber auf eine ausdrückliche Legaldefinition des maßgeblichen journalistisch-redaktionellen Charakters verzichtet, ist eine genaue Festlegung der relevanten Voraussetzungen bisher nicht gelungen und seit jeher Gegenstand von Diskussionen gewesen."

"Auf Grundlage der Gesetzesbegründung und unter Berufung auf den Zweck einer jeden journalistischen Tätigkeit hat sich, begründet durch eine Entscheidung des westfälischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 19. März 2003 – Az. 8 B 2567/02), allerdings inzwischen eine allgemeine Definition herausgebildet, welche von der Rechtsprechung seither situationsadäquat angewandt wird.

Danach ist von einem journalistisch-redaktionellen Angebot immer dann auszugehen, wenn der jeweilige Inhalt im Rahmen einer planvoll, nicht notwendig gewerbsmäßigen Tätigkeit auf die inhaltliche, sprachliche, graphische oder akustische Bearbeitung eines Angebotes abzielt und einer Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung zu dienen bestimmt ist."

Grundsätzlich also eine Auswahl oder Bearbeitung eines Themas. Ein Online-Archiv ist nicht journalistisch-redaktionell gestaltet, eine Zeitung dagegen schon.

"• Das Angebot dient nicht ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken
Sind hier Einnahmen durch Werbung beispielsweise gemeint ? "

Nein. Persönlicher oder familiärer Zweck meint genau das. Wenn man z.B. seine Hochzeit für Familienmitglieder streamt, ist das kein Rundfunk. Andererseits kann auch eine Non-profit Sendung
Rundfunk sein. Von finanziellem Gewinn ist da nirgendwo die Rede.

"Ich finde es äußerst merkwürdig, dass alleine diese Abschnitte soviel Raum für Interpretation lassen. Für mich ist das wie so vieles einfach total schwammig. So schwammig, das man leicht ins schlittern gerät.

Vielleicht fehlt mir auch das Paragraphen-GEN um das verstehen zu können. Ich bin ja schließlich auch nicht perfekt. "

Wenn Jura einfach wäre, würde man es keine 5 Jahre studieren müssen. Der Staatsvertrag ist auch nicht unklarer als andere Gesetze. Das fängt im Simplen an, wie zum Beispiel im BGB. Was ist denn z.B. ein Kaufvertrag genau? Und hört im ganz Großen auf. Was ist denn die "Würde des Menschen"? Wird in unserer Verfassung nirgendwo erklärt, nur, dass es das wichtigste Ziel ist. Und seit den 70 Jahren in denen das Grundgesetz existiert, haben sich viele kluge Menschen darum gedanken gemacht. Und tun das immer noch.
Eine der Hauptaufgaben von Richtern und Anwälten ist, sich zu überlegen, was genau jetzt mit solchen Ausdrücken gemeint ist und wie man seine Meinung dazu auch gut begründen kann.
Als Tipp, wenn ein Begriff in einem Gesetz unklar ist, hilft es oft, nach der Legaldefinition zu suchen. Z.B. "Legaldefinition journalistisch-redaktionell" bei Google und man findet ein paar Artikel und Gerichtsurteile, die sich schon mit dem Thema auseinandergesetzt haben.

"Und warum ausgerechnet bei einer Person wie dem Drachenlord? Ich kenne ihn nicht, wie die meisten Youtuber. Ich weiß nur das, was ich in diversen Artikeln gelesen habe. Ich finde es aber persönlich nicht so "cool" von heise, ausgerechnet das Thema mit ihm zu verbinden."

Weil genau das jetzt eben aktuell ist. Die zuständige Behörde wird sich eben den Stream angeschaut haben und zum Schluss gekommen sein, das jetzt eine Lizenz nötig ist, wie vorher auch bei anderen Streamern. Und das denken die, weil es im RStV, also im Gesetz, eben so steht und sie sich daran halten müssen.

Also berichtet Heise eben darüber. Hat wenig mit einer Absicht zu tun. Wenn jemand wegen Mord verhaftet wird, verbindet man doch auch nicht das Strafgesetzbuch mit der Person. Man sagt schlicht, dass er verhaftet wurde, weil es eben so im Gesetz steht. Der Stream vom Drachenlord wurde verwarnt, weil es eben so vom Gesetz verlangt wird.

Und berichtet wird darüber, weil er eben relativ bekannt ist. Genau wie z.B. schon Gronkh vorher.

"Wird der nicht schon genug gemobbt von armen kleinen Würstchen hier und auf Youtube ?"

Der Holocaust-Befürworter und absichtliche Provozierer ist da ganz unten auf der Liste der Menschen, mit denen man Mitleid haben sollte. Seine Gegner sind genauso dämlich, aber nur weil eine Seite im Unrecht ist, ist die andere nicht besser.

"Wie sieht das denn eigentlich bei der Alexanderplatz Schlägerei aus zwischen den zwei Youtubern ? Hatten die auch eine Lizenz? Die "Meinungsbildende Bedrohung" sah ich eher dort. Aber gut, vielleicht irre ich mich auch nur..."
Zum einen ist das die Landesmedienanstalt Berlin, nicht Bayern. Also eine völlig andere Behörde. Zum anderen sind das Youtuber, keine Streamer. Das Dilemma Rundfunklizenz bezieht sich hier auf den Stream, nicht auf Youtube.
Und generell hat das eine kaum was mit dem anderen zu tun. Der Landesmedienanstalt in Bayern ist erst mal egal was gestreamt wird. Er braucht schlicht eine Lizenz dafür, genauso wie ein Restaurant oder ein Unternehmen eine Lizenz braucht.
Das andere ist eine Anstiftung zu Straftaten. Hat nichts mit Lizenzvergabe zu tun.

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