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  • Marwolf2004

mehr als 1000 Beiträge seit 11.09.2004

Mein Name ist Hase....

Ungefähr so kommt mir die Reaktion von Kleinfeld und seinen
Bleistift-Anspritzern vor. Schauen wir doch mal etwas objektiv (und
kritisch) auf das, was so um die Handy-Sparte herum passiert ist.

Bis vor 2-3 Jahren (so um das S55 herum) waren die Siemens-Handies
eigentlich nicht schlecht! Technisch ausgereift, einfach zu bedienen
(ja, auch wenn es hier Leute gibt, die das Gegenteil behaupten. Aber
ich kenne Motorola, Nokia, LG und Siemens zur Genüge, und ich sehe
nichts, wo eine Nokia einfacher zu bedienen wäre als ein Siemens...
aber solche Dinge sind freilich Geschmacks- und Willenssache), robust
und zuverlässig.

Woran es bei Siemens aber immer scheiterte, ist der Coolness-Faktor.
Sowas kommt in den Siemens Produktentwicklungsprozessen einfach nicht
vor, und die Produkt- und Portfoliomanager haben das offensichtlich
auch nie kappiert. Leider ist bei einem Spielzeug, wie es ein Handy
nunmal für die Mehrzahl seiner Benutzer halt ist, der Coolness-Faktor
von entscheidender Bedeutung. Wäre Siemens Nischenanbieter für gute
und zuverlässige Business-Handies geblieben, wären sie heute
vielleicht noch erfolgreich, aber wer sich in den Kiddie-Sektor wagt,
und damit gegen Nokia antritt, muß mehr bieten als nur robuste
Technik. Das haben sie bis heute nicht verstanden, aktuelles
Beispiel: M75. Super-stabiles Outdoor-Handy, aber wenn ich mir
ansehe, was so alles an Gimmicks geboten wird (allein schon die
Klingeltöne sind ein Witz!!!), da steck ich es gleich wieder weg und
hol mein 6280 heraus... das flasht, wo es nur geht.

Ok, Siemens konnte sich nie im Massenmarkt etablieren, daher wurde
dieser Business-Case vom Management als verfehlt angesehen. Dann kam
das S65 mit seinem "ach so schreckliche" Ohrzerstörer-Signalton!
Mann, ich hatte ein A835 von Motorola, das machte etwas sehr
Ähnliches. Das hat mir mal mitten beim Telefonieren so dermaßen ins
Ohr gepfiffen, daß ich einen Satz zur Seite gemacht habe. Hat das
irgendwem gestört? Nö, nicht mal gehört hat man was davon. Beim S65
jedoch gingen die medialen Wellen hoch, Rückrufaktionen,
Millonenschäden, ganz zu schweigen vom Imageschaden für Siemens
Mobiles. Das kam mir damals schon seltsam vor, denn wenn mir etwas am
Schutz eines Produktes liegt, bügle ich solche Pipifaxe in den Medien
aus, und schaukle sie nicht auch noch hoch. Im Licht dessen, was dann
noch folgen soll, war das allerdings die Overtüre, und meiner Meinung
nach bewußt lanciert.

Dann wurde die Handy-Sparte plötzlich abgestoßen. Klar, aufgrund
mießer Produkt- und Businessplanung war sie mittlerweile defizitär,
aber noch lange kein hoffnungsloser Fall. Potential wäre mehr als
genug vorhanden gewesen, aber Kleinfeld bewieß hier deutlich, daß er
weder Sitzfleisch noch Courage hat, und sich daher für die schnelle
Lösung entschied - BenQ, ein Taiwanese, weitab der Heimat. Und nicht,
daß die Handysparte verkauft wird. Defizitär ja, aber BenQ bekam auch
1500 Patente, die alleine schon mit ca. 1Mrd € zu bewerten wären, ein
Produktportfolio, das besser ist, als sein Ruf, 3000 (ab einer
gewissen Management-Ebene abwärts!) fähige und immer noch motivierte
Mitarbeiter, Standorte und einen Markennamen, der weltweit bekannt
ist. Das alles würde ansich zumindest einen symbolischen Kaufpreis
rechtfertigen, aber nein... es werden noch 250 Mio € an Barem
nachgeschoben (+100 Mio Abschreibungen). Für BenQ war das wie 100
Jahre Weihnachten und Ostern zusammen.

Und jetzt, 1 Jahr später, wird der deutsche Standort zugedreht. Hmm.
Und die Siemens-Manager sind alle entsetzt, damit hat man nicht
gerechnet. Hmm. Ich unterstelle Top-Managern nicht Dummheit, denn mit
Dummheit schafft man es ansich nicht in solche Positionen. Ich
unterstelle ihnen aber Unaufrichtigkeit und blanke Verlogenheit, denn
das braucht man, um in diese Position zu kommen.

Wie ist das alles also zu bewerten? 350 Mio€, dafür das BenQ den
Laden dicht macht, und Siemens offenbar vertraglich nichts dagegen
machen kann. Mir fällt da ein Wort ein - Blutgeld. BenQ hat denn
gesamten Laden + wertvollstes, geistiges Eigentum geschenkt bekommen,
plus Geld, um die Belegschaft zu beerdigen. BenQ können die
politischen Wellen in deutschen Landen egal sein. Die sind ja
praktischerweise in Taiwan angesiedelt. Und die Siemens-Manager
ziehen jetzt ein orchestriertes Kasperltheater ab, damit die dummen
in der Bevölkerung glauben, das war alles nicht so geplant.

So ist es aber nicht. Das hat genau so kommen müssen, weil es von
Anfang an, seit die Handy-Sparte mit den S65 gezielt disreditiert
wurde, so geplant war. Anders kann man das nicht bewerten.

Wenn die Siemens-Vorstände WENIGSTENS so ehrlich gewesen wären,
zuzugeben, daß sie kein Interesse an der Vorführung der
Handie-Produktion haben, hätte man eine vernünftige Lösung finden
können, vernünftig vor allem für die Mitarbeiter, die sich (auch wenn
es viele nicht glauben wollen, weil... Siemens? Das sind doch alles
faule Schweine und Beamtenseelen) den Arsch aufreißen für die Firma.
Man hätte z.B. die Patente NSN als Goodie mitgeben können, die
Realien und Produktionsstätten verkaufen und den Mitarbeitern die 350
Mio € zukommen lassen. Dann wären sie zwar auch arbeitslos, aber
zumindest mit über 100.000€ Finanzposter ausgestatten, womit sie eine
Zeit lang durchgehalten hätten, bis sie einen neun Job gefunden
haben.

Für Siemens wäre diese Variante deutlich günstiger gewesen, weil die
Patente "im Haus" blieben, die Realien vielleicht sogar etwas
eingebracht hätten, und die 350Mio hat man ja sowieso gezahlt.

Hier stoße ich dann an den Kern meiner höchstpersönlichen
"Weltthese", die sich ja immer wieder zu Bewahrheiten scheint: Alles,
was im großen Rahmen geschieht, geschieht so, daß die große Mehrheit
der Betroffenen daraus einen Nachteil zieht, und einige wenige davon
kräftig profitieren. BenQ Siemens ist nur ein aktuelles Beispiel
daraus
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