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99 Beiträge seit 30.07.2002

Re: Was soll das?

> "... aus der einzelfallbasierten Medizin eine wissensbasierte
> Angelegenheit mit entschlackten Prozessen. Eine frühe Ausprägung
> dieser Entwicklung ist die evidenzbasierte Medizin mit ihren
> Cochrane-Datenbanken für leitlinienbasierte Behandlungsmethoden ..."

Ich erlaube mir, das zu übersetzen. Die klassische Medizin ging
implizit immer davon aus, das jeder Patient ein Einzelfall ist. Bis
heute gibt es keinen nachvollziebaren Grund, dies in Frage zu
stellen. Nachdem die formale Statistik grosse Erfolge in trivialen,
d.h. nichtkomplexen Systemen hatte, war man versucht, diese Methoden
zu übertragen. Darauf beruht die sog. evidenzbasierte Medizin (EBM).
Wenn eine umschriebene Therapie für 65 von 100 Diabetikern gut ist,
sollte man sie auch im Einzelfall bevorzugen, natürlich nur, wenn man
es aus einsehbaren Gründen nicht besser weiss.

In den Cochrane- Datenbanken werden diese sog. Leitlinien gesammelt,
nicht bewertet.

Bereits im Physikum lernt jeder Mediziner, dass die Komplexität
vital- humaner Potentiale (bezogen auf das, was theoretisch im Genom
möglich ist) auch in Milliarden Jahren menschlicher Existenz nicht
auch nur annähernd ausgeschöpft werden kann. Das heisst u.a., dass
das Gesetz der grossen Zahlen in der Biologie und damit der Medizin
nicht gilt. Tatsächlich ist jeder Wurm und erst recht jeder Mensch
ein absolutes Singularium, klassische statistische Gesetze gelten
nicht, fortgeschrittene, z.B. auf der Chaostheorie beruhende Theorien
gibt es derzeit noch nicht. Wenn es sie gäbe, hätten sie mit der EBM
kaum Berührungspunkte.

Das schliesst nicht die Existenz trivialer Fälle aus. Grundsätzlich
sollte man unterscheiden zwischen Konzepten, die aus der Medizin
(Heilkunst) oder aus der Gesundheitsökonomie, wie z.B. EBM, stammen.
Mediziner wollen heilen, wenn es geht präventieren, Gesundsökonomen
die Kosten dafür gering halten. Insofern sind Begriffe wie
"Gesundheitsreform" eine böswillige Täuschung.

HTH


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