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  • Twister

mehr als 1000 Beiträge seit 27.11.2000

Der Security-Abend ---- der Nachfolger des Tupper-Abends?

"Mächtig gewaltig." hätte wohl Egon Olsen gesagt, wenn er gesehen
 hätte,  mit welcher Akribie ich mich zurecht machte. Aber es war ja
auch ein
 wichtiger Abend für mich. Mein erster "Security-Abend".
 Security-Abend war fast ein wenig wie ein Tupper-Abend oder wie ein
 Dessous-Vorführ-Abend. Veranstaltet wurde dieser von den Damen der
 Nachbarschaft und diese waren für mich nicht nur durch ihre
perfekten
 Frisuren Respekt einflößend, nein, viel wichtiger war, dass sie alle
 längst die goldene "Security-Nadel" erworben hatten. Ich selbst war
 noch ein blutiger Anfänger, ich hatte lediglich einen
 5-Dollar-Gutschein für ein Einkaufscenter bekommen, aber ich war
 entschlossen zu lernen.

 
Und ich hatte die besten Voraussetzungen für diese wichtige, der
 Landesverteidigung gewidmete Tätigkeit, wie man mir gesagt hatte.
 Nicht nur hatte ich alle Fragen richtig beantwortet - "haben Sie als
 Kind Ihre Klassenkameraden verpetzt, wenn diese abschrieben?",
"haben
 Sie gerne  von sich abgelenkt indem Sie schnell einmal ein Geruecht
in die Welt setzten?" - nein, ich hatte außerdem meine
Cheerleader-Karriere
 dadurch so problemlos mit einem Pokal kroenen koennen, dass ich
meine
 Mitbewerberin in aller Öffentlichkeit als Neonazi-Sympathisantin
 brandmarkte (ein Schachzug,  auf den ich noch heute stolz war, hatte
es mich doch drei Monate  gekostet sie dazu zu bringen, mir zu
vertrauen und mir mitzuteilen, dass ihr Ex-Freund in einer
Neo-Nazi-Gruppe gegangen war).
 "Sie werden es bestimmt zu etwas bringen bei uns." hatte der
 Sicherheitsbeamte gesagt und mir beim Hinausgehen noch ein
 vertrauliches "Uebrigens, der Fahrstuhlfuehrer ist schwul."
 zugeraunt.
 
Ich zupfte meine frisch ondulierten Haare zurecht und schaute noch
 einmal kritisch in den Spiegel. Ja, perfekt. Ich hatte genau den
 richtigen unschuldigen Ausdruck hinbekommen.
 Ich hatte ein gutes Gefühl als ich mich zu Serenas Haus begab.


 
Serena öffnete selbst, ließ mich herein und flüsterte mir zu, dass
 Victoria wahrscheinlich schwanger sei. Und dass obwohl sie doch
 keinen Freund hatte.
 Ich seufzte ein wenig und freute mich darueber, dass ich verheiratet
 war und auch immer die Pille nahm. Nicht auszudenken, was Serena
 sonst von mir gedacht hätte. 



Als Victoria aufstand und mir ein Glas Eistee gab, schaute ich
verstohlen auf ihren Bauch. Hm, ja, es konnte durchaus was dran sein
an dem, was Serena gesagt hatte. Ich setzte mich auf eines der
bequemen Sofas und rührte  in meinem Eistee. Und hoffte, ich wuerde
nicht zu unbeholfen wirken.


 
Schon eine Stunde später fühlte ich mich wie unter guten Freunden.
Serena hatte mir anvertraut, dass sie jetzt ihren Broker gemeldet
hatte. "Natürlich hat er nichts getan, du Dummchen." hatte sie mit
einem girrenden Lachen abgewehrt. "Aber immerhin hat er mich fast 300
Dollar gekostet. Da verdient er doch einen kleinen Denkzettel, oder?"
 


Victoria hatte ihn ebenfalls gemeldet. "Eigentlich mehr aus
Solidarität." gab sie zu. "Immerhin ist Serena meine beste Freundin.
Aber ich hab übrigens auch meinen Ex-Freund gemeldet. Und seine neue
Freundin."
"Oh" Susan war entzückt. "Gary? Wieso?"
Victoria zog einen Schmollmund. "Na ja, eigentlich nur weil er mich
vor dem Ball hat sitzenlassen. Das tut man nicht."
"Ach nein, das meinte ich nicht." Susan schüttelte den Kopf. "Ich
meine, was hast Du als Meldegrund angegeben?"
"Na, Kontakte zu verdächtigen Ausländern." sagte Victoria und
schenkte sich mehr Eistee ein. "Immerhin ist seine Freundin eine
Italienerin."
"Aber ich dachte, es geht nur um solche, die aussehen wie dieser Ben
Laden." meldete sich Sarah, eine kleine, ein wenig verschüchtert
dreinblickende Brünette, zu Wort.
"Honey, ich wuesste nicht einmal eine Iranerin von einer Franzoesin
zu unterscheiden." 
Iris nickte. "Und außerdem: Ausland ist Ausland."
"Eben - die sind doch alle gleich." stimmte ihr Serena zu. "George
hat übrigens tatsächlich meinen Geburtstag vergessen. Also dafür
hätte er eigentlich eine Porno-Meldung verdient, aber ich hab es dann
mal bei Nazi belassen."
"Verdient hat er das nicht..."

Und so schnatterten wir weiter, erzählten über die Ex-Freunde, die
wir gemeldet hatten, über die verhassten Schwiegermuetter, denen wir
nun endlich auf die Fueße treten konnten und über unsere Männer oder
Freunde, denen wir jetzt jeden vergessenen Geburtstag, jede
Unsensibilitaet und jedes Nichtbemerken der neuen Frisur ebenso auf
subtile Art heimzahlen konnten wie
dem Gemuesehaendler, dass sein Salat nicht frisch gewesen war, dem
Weinhaendler den verkorkten Kadarka oder dem Fitnesstrainer die allzu
kritischen Blicke.


Und das alles für die Sicherheit - wir fühlten uns wie eine Mischung
aus James Bond und den Erynnien. Denn verdient hatten sie es doch
alle und schließlich war es ja wirklich so, dass George mal auf einer
Naziseite gewesen war. Tja, selbst schuld, man vergaß keine
Geburtstage.

Als ich nach meiner Jacke griff, lächelte mich Serena an. Sie war
sehr zufrieden mit mir, hatte sie gesagt. Schließlich, so hatte sie
gemeint, waere sie zum Beispiel nicht darauf gekommen, den Busfahrer
zu melden weil er immer so eine große Tasche (verdächtig groß) mit
sich trug und so aggressiv war. Dabei war er ihr auch schon einmal
sehr unhöflich zu nahe getreten. Ich hatte also bei ihr einen Stein
im Brett und war sehr zufrieden mit mir. Ja, ich würde mich hier wohl
fühlen. Wir hatten alle sehr viel gemeinsam und ich würde sicherlich
bald auch meine
silberne Security-Nadel bekommen. Da war ich ganz sicher.

"Oh, Darling - Du kommst doch morgen mit auf den Security-Trip?"
Serena lächelte noch strahlender. "Immerhin fahren wir zu diesem
Spionage-Museum. Ist das nicht nett?"
Ich nickte und griff nach meinem Hut als ich von nebenan Iris´ Stimme
hörte: "Oh, und wisst ihr, was das Schönste ist?
Robert kann sich demnächst endlich scheiden lassen. Ich habe seine
Frau zum zehnten Mal gemeldet. Diesmal wegen Kontakten zu den
Arabern. Immerhin geht sie doch immer zu diesem persischen Laden und
kauft dort Lebensmittel ein. Sie werden sie noch heute zu einer
Vernehmung abholen. Und mit so jemandem kann sich Robert natürlich
nicht sehen lassen, nicht in seiner Position als Aufsichtsrat."
Sie kicherte und ich hörte Gläser klirren. "Fast tut sie mir ja leid,
aber sie war mir sowieso schon immer verdächtig. Ich meine - wer ist
schon so dumm und redet mit seinem Mann über Abtreibung? Und wer
trägt heutzutage schon Perlenschmuck?
"Die Kleine eben trug auch Perlen." sagte Sarah, aber niemand
reagierte.

Ich schob mich an Serena vorbei, die mich mit einem Lächeln an sich
drückte. Einen Moment lang widerte mich ihre Heuchelei an, doch dann
merkte ich, dass sie mich wirklich nicht kannte. Ich fröstelte.
Dann ging ich langsam nach Hause - ich würde mich nicht beeilen
müssen, Sicherheitsbeamte waren sehr geduldig.
Und Robert würde wohl nicht mehr auf mich warten.


Twister

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