BarttrÀger schrieb am 29.06.2017 09:28:
Der Fachbegriff lautete "Flying Wing", so steht es in Northrops Patent.
Ja. Die Kunde der NurflĂŒgler der GebrĂŒder Horten kamen als "tailless flying wing" in die USA. Northrop lieĂ sich davon inspirieren.
Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Northrop_N-1M
Wobei Horten und Northrop dann aber (wie ich schon geschrieben hatte) sehr unterschiedliche Konzepte fĂŒr die Lösung des Problems "UnstabilitĂ€t und SteuerfĂ€higkeit um die Hochachse" entwickelten: Horten verwendete eine spezielle "Fledermausform" (washout wing) mit einem "S-Ansatz" am Profil, um das negative Wendemoment zu kompensieren, was bei normalen Flugzeugen ĂŒber die Benutzung des Seitenruders passiert. Northrop dagegen verwendete eine spezielle Konstruktion der Querruder (split ailerons), bei dem das kurveninnere Ruder aufgespreizt und durch den höheren Luftwiderstand "abgebremst" wurde. So fanden beide Konstrukteure völlig unterschiedliche Lösungen fĂŒr das gleiche Problem. Deswegen sind NurflĂŒgler nur dann den konventionellen Flugzeugen ĂŒberlegen, wenn sie auf gleichmĂ€Ăigen Kurs fliegen. Bei Kurvenflug sind sie diesen wegen des erhöhten Luftwiderstandes und der (trotz aller MaĂnahmen) schlechteren Manövrierbarkeit um die Hochachse den konventionellen Designs unterlegen.
Das deutsche Konzept war eben nochmal um einiges radikaler als das Flugzeug mit den dicken FlĂŒgeln.
Ja, weil die HortenbrĂŒder das Problem gelöst hatten, an dem Northrop noch "kaute". UrsprĂŒnglich war ja auch die Flying Wing von 1929 ohne Leitwerk geplant (es gibt ein entsprechendes Modell), aber Northrop hatte damals noch keine Lösung fĂŒr das negative Wendemoment gefunden.
Aber auch groĂe flogen schon frĂŒher und fliegen noch heute mit Propeller.
Von Super Constellation bis Airbus A400M - Propeller sind ein Evergreen.
Wobei da aber die Antriebe sehr unterschiedlich sind. Die groĂen Kolbenmotoren aus den 1940ern-1950ern waren technische Wunderwerke, wenn man sich mal so einen P&W Double-Wasp oder Curtis-Wright Cyclone anschaut, wie sie auch in der DC-7 oder Constellation verwendet wurden:
https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/originals/7f/ce/ac/7fceacfb70e5d752a41078ec4a1b3a6e.jpg
oder
https://www.youtube.com/watch?v=wVmMd2BnbJ4
ab 3:15 wird's interessant.
Aber wie schon geschrieben: Die Dinger waren einfach extrem kompliziert - und durch die Gasturbine, die technisch deutlich einfacher aufgebaut ist, wurden sie dann sehr schnell verdrÀngt.
Der Grund, bei verschiedenen Flugzeugmustern noch heute auf Propeller (mit Turbinenantrieb) zu setzen, liegt darin, dass sie eine Reihe von Vorteilen bieten:
Verstellpropeller ermöglichen das "Bremsen" in der Luft (Beta-Mode bei Gasturbinen), welches sehr steile Abstiege ohne Ăberschreitung der Vne ermöglicht. Hier der sogenannte Sarajevo Approach einer Transall:
https://www.youtube.com/watch?v=hNQRGOgHrZU
oder hier der Abstieg einer Pilatus Porter:
https://www.youtube.com/watch?v=88HnPh2XKUs
Durch Reversieren des Schubs können Flugzeuge mit Propellerturbinen rĂŒckwĂ€rts rollen, was die Anforderungen an die Infrastruktur eines Flugplatzes und die Turnaround-Zeiten deutlich verringert (kein Push-Back notwendig):
https://www.youtube.com/watch?v=LiDbmr7H2so
Und (last but not least) ist der Wirkungsgrad des Propellerantriebes bei kleineren Flugzeug- und TriebwerksgröĂen besser, als der eines Turbo-Jets oder Turbo-Fans. Und Kolbenmotoren bringen da noch einmal einen Effizienzgewinn, weil kleinere Gasturbinen aufgrund der Umströmungsverluste der Turbinenscheiben keinen guten Wirkungsgrad haben. Da sind Kolbenmotoren ca. 30-40% effizienter. Dem gegenĂŒber steht das höhere Gewicht und die mechanische KomplexitĂ€t, die zu deutlich geringeren TBOs (im Bereich von 2000 Stunden) fĂŒhren.
Noch eine kurze Bemerkung zur A400M: Dort haben ja die Getriebe groĂe Probleme gemacht, was eine Fortsetzung der unendlichen Geschichte "Getriebe am Flugzeugmotor sind Mist" ist. Nahezu alle Motorenkonzepte mit Getrieben hatten anfangs furchtbare Probleme, auch bei den recht modernen Rotax-Motoren hatten die anfangs Getriebe eine deutlich geringere TBO, als der Rest des Motors.
Die Notwendigkeit eines Getriebes ergibt sich ĂŒbrigens aus dem Umstand, dass ein Propeller eine "Lieblingsdrehzahl" hat, die im Bereich von 2000-3000 Umdrehungen pro Minute liegt. Darunter oder darĂŒber sinkt der Wirkungsgrad stark ab. Deswegen haben Flugmotoren in der Regel einen sehr groĂen Hubraum - damit die Maximalleistung schon bei niedriger Drehzahl erreicht wird, um einen Direktantrieb zu ermöglichen. Will man nun die ĂŒbertragbare Leistung am Propeller erhöhen, dann bleibt einem eigentlich nur die Möglichkeit, diesen zu vergröĂern, was dann irgendwann zu Problemen fĂŒhrt, weil das Fahrwerk entsprechend hochbeinig ausgefĂŒhrt werden muss, um die Bodenfreiheit zu gewĂ€hrleisten. Der nĂ€chste Schritt war dann, zwei gegenlĂ€ufige Propeller an das Triebwerk anzuflanschen, was dann aber ein Getriebe notwendig machte, mit den bekannten Problemen. Mittlerweile hat man die Getriebe aber werkstoffseitig gut im Griff - und gerade die neueren kleinen Flugmotoren (Thielert, Austro Engine oder Rotax) sind SchnelllĂ€ufer mit relativ kleinem Hubraum (der Rotax hat z.B. 1,4 Liter), die dann ĂŒber ein Getriebe auf die Luftschraube untersetzt werden, so dass diese dann wieder mit ca. 2500 Umdrehungen pro Minute dreht.
Aber um noch einmal auf den Anfang des Threads zurĂŒck zu kommen:
Der Satz "Die USA kann gar nichts und hat gar nichts" des werten Kollegen forenpilz ist natĂŒrlich vollkommener Quark, was die Fliegerei angeht. Bei der Raketentechnik sah das anders aus - aber da hatten auch die Russen nicht viel zu bieten :-)
cu/
Sergeij