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  • Sergeij2000

mehr als 1000 Beiträge seit 22.10.2001

Re: Ja und?

Bartträger schrieb am 29.06.2017 09:28:

Der Fachbegriff lautete "Flying Wing", so steht es in Northrops Patent.

Ja. Die Kunde der NurflĂĽgler der GebrĂĽder Horten kamen als "tailless flying wing" in die USA. Northrop lieĂź sich davon inspirieren.
Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Northrop_N-1M

Wobei Horten und Northrop dann aber (wie ich schon geschrieben hatte) sehr unterschiedliche Konzepte für die Lösung des Problems "Unstabilität und Steuerfähigkeit um die Hochachse" entwickelten: Horten verwendete eine spezielle "Fledermausform" (washout wing) mit einem "S-Ansatz" am Profil, um das negative Wendemoment zu kompensieren, was bei normalen Flugzeugen über die Benutzung des Seitenruders passiert. Northrop dagegen verwendete eine spezielle Konstruktion der Querruder (split ailerons), bei dem das kurveninnere Ruder aufgespreizt und durch den höheren Luftwiderstand "abgebremst" wurde. So fanden beide Konstrukteure völlig unterschiedliche Lösungen für das gleiche Problem. Deswegen sind Nurflügler nur dann den konventionellen Flugzeugen überlegen, wenn sie auf gleichmäßigen Kurs fliegen. Bei Kurvenflug sind sie diesen wegen des erhöhten Luftwiderstandes und der (trotz aller Maßnahmen) schlechteren Manövrierbarkeit um die Hochachse den konventionellen Designs unterlegen.

Das deutsche Konzept war eben nochmal um einiges radikaler als das Flugzeug mit den dicken FlĂĽgeln.

Ja, weil die Hortenbrüder das Problem gelöst hatten, an dem Northrop noch "kaute". Ursprünglich war ja auch die Flying Wing von 1929 ohne Leitwerk geplant (es gibt ein entsprechendes Modell), aber Northrop hatte damals noch keine Lösung für das negative Wendemoment gefunden.

Aber auch groĂźe flogen schon frĂĽher und fliegen noch heute mit Propeller.

Von Super Constellation bis Airbus A400M - Propeller sind ein Evergreen.

Wobei da aber die Antriebe sehr unterschiedlich sind. Die groĂźen Kolbenmotoren aus den 1940ern-1950ern waren technische Wunderwerke, wenn man sich mal so einen P&W Double-Wasp oder Curtis-Wright Cyclone anschaut, wie sie auch in der DC-7 oder Constellation verwendet wurden:

https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/originals/7f/ce/ac/7fceacfb70e5d752a41078ec4a1b3a6e.jpg

oder

https://www.youtube.com/watch?v=wVmMd2BnbJ4

ab 3:15 wird's interessant.

Aber wie schon geschrieben: Die Dinger waren einfach extrem kompliziert - und durch die Gasturbine, die technisch deutlich einfacher aufgebaut ist, wurden sie dann sehr schnell verdrängt.

Der Grund, bei verschiedenen Flugzeugmustern noch heute auf Propeller (mit Turbinenantrieb) zu setzen, liegt darin, dass sie eine Reihe von Vorteilen bieten:

Verstellpropeller ermöglichen das "Bremsen" in der Luft (Beta-Mode bei Gasturbinen), welches sehr steile Abstiege ohne Überschreitung der Vne ermöglicht. Hier der sogenannte Sarajevo Approach einer Transall:

https://www.youtube.com/watch?v=hNQRGOgHrZU

oder hier der Abstieg einer Pilatus Porter:

https://www.youtube.com/watch?v=88HnPh2XKUs

Durch Reversieren des Schubs können Flugzeuge mit Propellerturbinen rückwärts rollen, was die Anforderungen an die Infrastruktur eines Flugplatzes und die Turnaround-Zeiten deutlich verringert (kein Push-Back notwendig):

https://www.youtube.com/watch?v=LiDbmr7H2so

Und (last but not least) ist der Wirkungsgrad des Propellerantriebes bei kleineren Flugzeug- und Triebwerksgrößen besser, als der eines Turbo-Jets oder Turbo-Fans. Und Kolbenmotoren bringen da noch einmal einen Effizienzgewinn, weil kleinere Gasturbinen aufgrund der Umströmungsverluste der Turbinenscheiben keinen guten Wirkungsgrad haben. Da sind Kolbenmotoren ca. 30-40% effizienter. Dem gegenüber steht das höhere Gewicht und die mechanische Komplexität, die zu deutlich geringeren TBOs (im Bereich von 2000 Stunden) führen.

Noch eine kurze Bemerkung zur A400M: Dort haben ja die Getriebe groĂźe Probleme gemacht, was eine Fortsetzung der unendlichen Geschichte "Getriebe am Flugzeugmotor sind Mist" ist. Nahezu alle Motorenkonzepte mit Getrieben hatten anfangs furchtbare Probleme, auch bei den recht modernen Rotax-Motoren hatten die anfangs Getriebe eine deutlich geringere TBO, als der Rest des Motors.

Die Notwendigkeit eines Getriebes ergibt sich übrigens aus dem Umstand, dass ein Propeller eine "Lieblingsdrehzahl" hat, die im Bereich von 2000-3000 Umdrehungen pro Minute liegt. Darunter oder darüber sinkt der Wirkungsgrad stark ab. Deswegen haben Flugmotoren in der Regel einen sehr großen Hubraum - damit die Maximalleistung schon bei niedriger Drehzahl erreicht wird, um einen Direktantrieb zu ermöglichen. Will man nun die übertragbare Leistung am Propeller erhöhen, dann bleibt einem eigentlich nur die Möglichkeit, diesen zu vergrößern, was dann irgendwann zu Problemen führt, weil das Fahrwerk entsprechend hochbeinig ausgeführt werden muss, um die Bodenfreiheit zu gewährleisten. Der nächste Schritt war dann, zwei gegenläufige Propeller an das Triebwerk anzuflanschen, was dann aber ein Getriebe notwendig machte, mit den bekannten Problemen. Mittlerweile hat man die Getriebe aber werkstoffseitig gut im Griff - und gerade die neueren kleinen Flugmotoren (Thielert, Austro Engine oder Rotax) sind Schnellläufer mit relativ kleinem Hubraum (der Rotax hat z.B. 1,4 Liter), die dann über ein Getriebe auf die Luftschraube untersetzt werden, so dass diese dann wieder mit ca. 2500 Umdrehungen pro Minute dreht.

Aber um noch einmal auf den Anfang des Threads zurĂĽck zu kommen:

Der Satz "Die USA kann gar nichts und hat gar nichts" des werten Kollegen forenpilz ist natĂĽrlich vollkommener Quark, was die Fliegerei angeht. Bei der Raketentechnik sah das anders aus - aber da hatten auch die Russen nicht viel zu bieten :-)

cu/

Sergeij

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