Kompakte Objektive und teure Bilder - Was bringt das Fotojahr 2019?

2019 könnte das Jahr der Objektive werden - hofft Andreas Kesberger. Vielleicht sollten wir aber auch alle Hoffnung ins Smartphone legen.

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Kolumne: Von kompakten Objektiven und teuren Bildern - Was bringt das Fotojahr 2019?

(Bild: Pixabay/CC0)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Andreas Kesberger
Inhaltsverzeichnis

Der Monatsrücklick im Dezember ist gleichzeitig der Ausblick auf das Fotojahr 2019. Zeit, dass sich was dreht. Nur in Köln dreht sich ganz sicher nichts. Die Photokina im Mai ist abgesagt und wir dürfen wieder zum Grillen an den See. Da braucht man ja eigentlich nichts mehr drüber zu schreiben. Es sollte der Messegesellschaft vielleicht zu denken geben, dass die einzige Aktion seit Jahren für die sie uneingeschränkt Zuspruch in der Öffentlichkeit erfahren hat, die Absage ihrer eigenen Messe ist. Es ist nie zu spät, eine bescheuerte Idee zu canceln. Und wahrscheinlich freut es die Hersteller auch, dass jetzt nach acht Monaten keiner kontrollieren kommt, ob die ganzen Ankündigungen fertig geworden sind. Schließlich hat die letzte Photokina wieder gezeigt, dass die Messe von nichts so abhängig ist, wie von den gezeigten Neuheiten. Diesmal hätten sogar die Greifvögel wieder fliegen dürfen, und alle hätten es cool gefunden.

Die Zeiss ZX1 soll es ihren Fotografen erlauben, Fotos bereits auf der Kamera zubearbeiten und direkt zu teilen. DafĂĽr kommt sie mit Lightroom-Integration sowie WLAN- und Bluetooth-Schnittstellen. MarkteinfĂĽhrung soll Anfang 2019 sein.

(Bild: Zeiss)

Vielleicht war es ja nur ein Komplott um Zeiss zu ärgern. Die schlauen Schwaben wollten 2018 auslassen, um im Jahr drauf groß mit einer neuen Kamera aufzutrumpfen und haben dann die Photokina guerillamäßig für ihre Pressekonferenz gekapert. Drei Kölsch auf die Rache. Da kann das Bedienkonzept noch so innovativ sein, eine leere Halle hilft nicht weiter zum Präsentieren. Auch wenn ich schon gespannt bin, wie die neue Vollformatkompakte Zeiss ZX1 wirklich wird. So weit ist es gekommen, dass wir uns auf eine Kamera mit fest eingebautem 35er und Lightroom-Integration freuen. Neben Zeiss bedauert man vermutlich nur noch bei Olympus die Absage für 2019. 100 Jahre wird man ja nicht jedes Jahr. Aber es ist gar nicht so einfach, so ein Jubiläum zu überleben. Auskünfte dazu erteilt gerne Nikon.

Was wird 2019 jenseits der Nichtphotokina bringen? Vermutlich viel Stress in den Entwicklungsabteilungen, bis der Sony Alpha-Vorsprung aufgeholt ist. Die Aufteilung des Marktes in verschiedene Formate und Systeme neigt sich dem Ende zu – spiegellose Vollformat ist die Marschrichtung. Nur wen interessiert das da draußen in der wirklichen Welt. Jenseits von uns Nerds. Kann da irgendwas noch besser werden? Kann irgendeine Funktion uns noch wirklich überraschen?

Wahrscheinlich liegen die wahren Innovationen im Objektivbau versteckt. Wenn die Kameras eh schon alles können. Ein 1,4/105 mit berauschender Qualität war früher unvorstellbar, heute ist es nur noch untragbar. Wobei die Nikon-Variante ja gar nicht so schwer ist. Irgendwie will mir sowieso nicht in den Kopf, warum Canon und Nikon nicht einfach ihre besten Telekonstruktionen gleich auch für die neuen spiegellosen Systeme anbieten, anstatt da nur auf Adapter zu setzen. Was kann es schöneres geben als demselben Kunden das gleiche Objektiv zweimal zu verkaufen? Im Weitwinkelbereich hieße das, die Chancen nach der Befreiung vom Spiegelkorsett zu verschenken, aber bei 85 mm aufwärts muss kein Strahlengang neu gerechnet werden. Sigma macht das doch vor.

Nikon zeigt seinen Objektivfahrplan fĂĽr das neue spiegellose Z-System bis 2020. Auch Weitwinkelobjektive sind dabei - ob die wirklich kompakt ausfallen?

(Bild: Nikon)

Wobei auch im Weitwinkelsektor die Fortentwicklung der Sensortechnik die Linsensortierer etwas von ihrem Stress befreien könnte, der in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass die Objektive immer nur noch größer geworden sind. Für diesen zarten Hoffnungsschimmer müssen wir mal kurz einen Ausflug ins "große Mittelformat" machen – was eine ähnlich bescheuerte Wortkonstruktion wie "Kleinbild-Vollformat" ist. Dort ist ja ein bisserl mehr Handarbeit vom Fotografen nötig. Mit verstellbaren Kameras im Weitwinkelbereich bastelt man sich bei jeder Aufnahme sein Objektivprofil quasi selbst mit einer zweiten Aufnahme auf 'ne Streuscheibe. Das klingt nicht nur umständlich, das ist es auch. Und die unkorrigierten Aufnahmen sind oft ziemlich lustig: Randabdunklungen und Farbverschiebungen, die so gar nicht nach dem Preis aussehen, den man für die Ausrüstung bezahlt hat.

Doch wirklich beeindruckend sind heuer die ersten Testaufnahmen mit den neuen 150 Megapixel-Backs. Selbst mit Objektiven die so gar nicht dafür gerechnet wurden wie dem Schneider 5,6/35 – das einst bei der Einführung der 80 Megapixel-Backs komplett die Segel gestrichen hat – zeigen sich plötzlich kaum noch Farbverschiebungen. Ja und? Was schreibt der da? Was interessieren mich Kamerasysteme für 20.0000 bis 50.000 Euro? Der Clou bei der Sache ist, dass die neuen Pixel aus der Sony-Werkstatt offensichtlich viel weniger Probleme mit sehr, sehr schrägen Strahlen haben. Und damit könnten wir dann wieder viel kleinere Weitwinkelobjektive bauen – gerade auch bei kleineren Formaten –und spiegellos wäre wirklich mal kompakt, ach und überhaupt.

Die spiegellosen Panasonic Lumix-S-Kameras arbeiten mit Vollformatchip. Bisher verbaute der Hersteller in seinen spiegellosen Systemkameras ausschlieĂźlich den kleinen Four-Thirds-Chip.

(Bild: Panasonic )

Da wären natürlich die Hersteller im Vorteil, die erst spät auf den Vollformatzug aufgesprungen sind. Macht ja sonst wenig Sinn, die Optiken mit Warnschildern zu versehen. Bitte erst benutzen für Kameras ab 2019. Obwohl, bei den Objektiven hat man das bisher ja andersrum auch schon gemacht. Die Liste der Linsen, die mit 42 – 50 Megapixeln fertig geworden sind, war bis vor ein paar Jahren recht überschaubar. Panasonic könnte so ein Kandidat mit unbelasteter Vergangenheit sein. Schließlich soll die neue spiegellose Vollformatkamera des Herstellers, die Lumix S1, erst im Frühjahr 2019 kommen. Die Vitrinenmuster für die ersten Objektive zum System rund um das Einheits-L-Bajonett sahen allerdings so gar nicht nach Kompaktheit aus.

Das L-Bajonett wird ja auch noch von Sigma und Leica getragen. Ob Leica sich da einen Gefallen getan hat, wird man allerdings noch sehen. Ist doch ganz schön teuer so ein 2,0/90 aus Wetzlar. Und wenn das 1,4/85 von Sigma nur ein Drittel kostet und genauso gut ist, dann, ja dann wird der rote Punkt wieder wichtiger.

Aber ich freue mich auf jeden Fall auf den ersten Foveon-Vollformatsensor, den Sigma in seine Kameras mit L-Bajonett einbauen will. Obwohl, wenn ich jetzt aus dem Fenster gucke, schafft dieses Grau in Grau auch ein Bayer-Filter. Apropos, vielleicht könnte Leica ja eine SL-Monochrom beisteuern, dann würde das ganze übergreifende System auch für Wetzlar Sinn machen. Wir kaufen uns dann ein Gehäuse für Landschaftsfotos bei schönem Wetter, eines für Schwarzweiß-Fotos, eines für High-ISO-Bar-Besuche und noch eines für Videos. Nur dass wir dann kein Geld mehr für Objektive haben.

➤ Mehr zum Thema: Kaufberatung spiegellose Systemkameras

Wahrscheinlich muss man uns Freaks einfach mehr Geld entlocken. Der Rest der Welt fotografiert ja eh nur noch mit dem Smartphone. Früher habe ich Leute immer mitleidig angeguckt, die frisch von der Apple-Werbung auf dem S-Bahnsteig motiviert ihr Handybild quadratmetergroß ausdrucken lassen wollten, heute wundere ich mich immer öfter was da alles geht. 2018 geht für mich als das Jahr in die Geschichte ein, in dem ich ein Handyfoto für eine Ausstellung auf 90x120 cm gedruckt und gerahmt habe. So leid mir es für das Fotografier-Erlebnis und den Blendenring tut, aber die Dinger werden immer besser, jetzt bastelt die Multilinse noch den selektiven Fokus nach und wir stehen da mit unseren Rückenschäden. Trotzdem krabbele ich für Landschaftsfotografie immer noch am liebsten unter das schwarze Tuch. Aber vielleicht ist das Smartphone auch eine Befreiung, sich wirklich nur über die Qualität der Fotos und nicht der Technik zu legitimieren. Und wahrscheinlich lauert die wahre Freiheit sogar ganz woanders. Vielleicht müssen wir einfach der Instagramisierung der Welt entgegentreten und uns wieder trauen auch hässliche Fotos zu machen.

Wie schön das Unperfekte sein kann, weiß jeder, der schon mit Trennblattfilm gearbeitet hat. Mein spannendstes Projekt für 2019 ist dann auch nicht die Frage wer zuerst ein 1,4/180 auf den Markt bringt, sondern ob es gelingt via Kickstarter den Trennblattfilm wieder zu beleben und ob dann anschließend die Menschen auch dauerhaft bereit sind, für einen 6er-Pack 55 Euro zu bezahlen.

So lange keiner das Pola scannt, ist das sogar DSGVO-unberührt. Und selbst wenn, müsste man ja erst mal zu erkennen sein. Hoffentlich geht das auch weiter, wenn das für die beworbene Charge verwendete Original-Polaroid-Material aufgebraucht ist. Denken wir das mal weiter. Es ist wie ein Traum. Stell Dir vor, alle müssten für jedes Foto knapp zehn Euro zahlen. Man könnte plötzlich wieder auf Konzerte gehen, ohne in Handydisplays zu gucken. Vielleicht könnten wir den ganzen anderen Wahnsinn auch gleich mit zurückdrehen. Kein Trump, kein Brexit, ohne die Smartphone-Akkus wären wahrscheinlich sogar die Klimaziele wieder machbar.

(ssi)