Die Empathie-Maschine

Ein Kriegsfotograf will mit virtueller Realität Verständnis zwischen Feinden wecken. Aber er schafft noch mehr: einen neuen Weg, Mitgefühl zu erzeugen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Wade Roush

Dieser Artikel-Ausschnitt ist der Print-Ausgabe der Technology Review entnommen. Das Heft 3/2018 ist ab 22.2.2018 im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich.

Oberlichter zeichnen ein Schachbrettmuster auf den Boden. Große Fotos an den Wänden zeigen Landschaften, die vom Krieg verwüstet wurden, und Männer, die in diesen Kriegen gekämpft haben. Ich höre Schritte hinter mir und drehe mich um. Zwei Gestalten gehen durch die Galerie und stellen sich vor den Porträts auf. Es sind ihre Porträts.

Der Kleinere der beiden heißt Jean de Dieu. Er wurde, wie eine Stimme aus dem Off berichtet, als Kindersoldat in die ruandische Hutu-Rebellengruppe FDLR gezwungen – für einen Krieg gegen die Tutsi. Der andere namens Patient war Sergeant in der kongolesischen Armee, die mit den Tutsi verbündet war.

Beide sind virtuelle Charaktere, aber weitaus lebensechter als alles, was ich je in Spielen oder Filmen gesehen habe. Sie sind Teil der VR-Installation „The Enemy“ des belgisch-tunesischen Fotojournalisten Karim Ben Khelifa, die bis Ende 2017 im Museum des Massachusetts Institute of Technology zu sehen war.

Als ich mich Jean de Dieu nähere, fragt ihn der Erzähler: Wer ist dein Feind? Was ist Gewalt für dich? Was macht deinen Feind unmenschlich? Jean, der traurig und müde wirkt, berichtet stockend, wie er mit elf Jahren in ein Flüchtlingslager verschleppt wurde und mitansehen musste, wie kongolesische Milizen seine Eltern töteten. Ihre Hirnmasse spritzte auf ihn. Natürlich hasse er die Tutsi und alle ihre Verbündeten, sagt er.

Dann kommt Patient zu Wort: Er verfolge die FDLR, weil sie kongolesische Bürger beraube, vergewaltige und ermorde. Die Rebellen hätten „keine menschlichen Werte und können sich nicht ändern. Sie wollen als Teil der Rebellion im Wald bleiben. Nur wilde Tiere leben im Wald.“

Aber die beiden erzählen noch etwas anderes: Sie wollen einfach nur in Frieden mit ihren Nachbarn und Familien leben.

In den anderen Räumen höre ich noch vier weitere Storys: von Amilcar und Jorge, Mitglieder rivalisierender Banden in San Salvador, von einem Reservisten in Israel und von einem palästinensischen Kämpfer in Gaza. Sie alle haben unterschiedliche Geschichten und Traumata – aber die gleichen Träume. Abu Khaled aus Gaza sagt etwa, dass 23 Familienmitglieder unter israelischer Besatzung gestorben seien, aber er hoffe immer noch auf „Frieden und Brüderlichkeit“ in der Region.

(grh)