14 Hirnelektroden gegen Depressionen: "Als wäre mein Hirn wieder normal online"

Seite 2: Auch Experimente mit Gehirn-Stimulationen

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Es ist nicht klar, warum diese Untersuchungen nicht die gleichen Ergebnisse wie frühere Studien erbrachten. Die unterschiedlichen Erfolgsquoten könnten jedoch damit zusammenhängen, wie die Hirnstimulation durchgeführt wird. Es wird angenommen, dass mehrere Gehirnregionen bei Depressionen eine Rolle spielen. Und es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, elektrische Impulse zu verabreichen. "Wir wissen zunächst nicht, wie wir die DBS bei einer konkreten Person [mit Depressionen] intelligent einsetzen können", sagt Sheth. "Die Therapie war einfach noch sehr unausgereift".

Sheth versucht deshalb, herauszufinden, was am besten funktionieren könnte. Er und seine Kollegen haben sich dazu einen hirnchirurgischen Ansatz zu eigen gemacht, der manchmal bei Epilepsie-Patienten angewandt wird, bei denen Medikamente keine Besserung herbeiführen. In diesen Fällen implantieren die Ärzte Elektroden im Gehirn der Betroffenen, um herauszufinden, wo konkret die Anfälle beginnen. Sobald diese Regionen identifiziert sind, können sie entweder mit Elektroden stimuliert oder schlimmstenfalls ganz entfernt werden.

Aber Depressionen haben ihren Ursprung nicht an einem einzigen Punkt im Gehirn, wie es bei epileptischen Anfällen oft der Fall ist. Sheth und seine Kollegen verfolgen jedoch denselben Ansatz – sie implantieren vorübergehend Elektroden im gesamten Gehirn, um die Hirnaktivität zu überwachen. Sie gewinnen so nähere Erkenntnisse über die Erkrankung. Das Team interessiert sich vor allem dafür, wie sich die Muster der Gehirnaktivität unterscheiden, wenn sich eine Person besser oder besonders schlecht fühlt. Sheth und seine Kollegen experimentieren auch mit Stimulationen – welches Niveau, welche Art und welche Frequenz sind am besten geeignet, um das Gehirn wieder in einen positiven Stimmungszustand zu versetzen? Mit diesen Informationen werden Neurochirurgen dann hoffentlich eines Tages in der Lage sein, Menschen mit Depressionen besser zu helfen. Und die tiefe Hirnstimulation wird so mit größerer Wahrscheinlichkeit funktionieren.

John war der erste Proband, der sich dem Verfahren unterzog. Sheth und seine Kollegen setzten ihn unter Vollnarkose, bevor sie Löcher in seinen Schädel bohrten, um die Elektroden einzuführen. Das Team implantierte zwei DBS-Elektroden auf jeder Seite des Gehirns in Regionen, von denen angenommen wird, dass sie an den Symptomen von Depressionen beteiligt sind. Zusätzlich wurden fünf temporäre Elektroden auf jeder Seite des Gehirns platziert, um Johns Aktivität in Regionen zu überwachen, die mit Stimmung und Kognition in Verbindung stehen.

Um die richtige Stelle für die Stimulation zu finden, musste das Team John während seiner Operation aufwecken. Er erinnert sich, dass er immer wieder gefragt wurde, wie er sich fühle, während die Chirurgen mit den Elektroden in seinem Gehirn herumstocherten. "Dann trafen sie eine Stelle und ich sagte: Ich fühle mich tatsächlich, als wäre mein Hirn wieder normal online gegangen", sagt er. "Depressionen sind wie eine ständige Last auf deiner Seele. Als sie diese perfekte kleine Stelle berührten, fiel diese Last von mir ab."

Der Patient erinnert sich, wie die Ärzte lachten und ihm sagten, sie hätten die richtige Stelle gefunden. Er schlief wieder ein. John wachte "mit Kopfschmerzen auf, wie es sie noch nie gegeben hatte", und verbrachte die nächsten neun Tage unter strenger Überwachung von Sheth und seinen Kollegen. Alle paar Stunden stellte ihm das Ärzteteam Fragen zu seiner Stimmung und seinem Befinden.

Am Ende der neun Tage entfernte das Team zehn Überwachungselektroden aus Johns Gehirn, ließen aber die vier DBS-Elektroden drin. Diese Elektroden waren mit einer wiederaufladbaren Batterie verbunden, die in Johns Brust implantiert war. In den Jahren seither wurden die Stimulationsimpulse leicht optimiert. Sechs Monate nach der Operation schaltete das Team die Stimulation ab, ohne John darüber zu informieren. Seine Symptome verschlimmerten sich sofort. "Es war offensichtlich", sagt er. "Ich sagte dem Team: Ich weiß nicht, was Ihr gemacht habt, aber ich kann nicht schlafen, ich bin unruhig ... es funktioniert einfach nicht." Das Gerät wurde wieder eingeschaltet und läuft seither wieder.

Sheths Team hat das gleiche Verfahren bisher bei vier weiteren Personen durchgeführt – alle mit schweren, behandlungsresistenten Depressionen. Insgesamt sollen zwölf Personen untersucht werden. Trotz der ersten Anzeichen von Erfolg planen Sheth und seine Kollegen nicht, dieses Verfahren in größerem Umfang einzuführen. Die vorübergehende Implantation von zehn Elektroden in das Gehirn gibt zwar Aufschluss über die Depression einer bestimmten Person, ist aber kein praktikabler Ansatz für die Behandlung einer Erkrankung, von der allein in den USA fast drei Millionen Menschen betroffen sind. Es handelt sich aktuell noch um einen invasiven, teuren Eingriff, der viel Zeit in Anspruch nimmt – und auch Risiken birgt.